Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Vortheil, wo er kann, bey Uns einfältigen und
leichtgläubigen Mägdchens zu machen suchet, ist
er ein Mann, der auf seine Ehre hält.

Sie hub ihre Hände und Augen auf, an
statt zu reden. Sie hatte es auch wohl Ursache.
Denn keine Worte, die sie zu gebrauchen vermö-
gend gewesen wäre, hätten die Angst ausdrücken
können, welche sie fühlen mußte, da sie in dem
Uns mit begriffen war.

Sie müßte wenigstens um hundert und funf-
zig Guineas schreiben. Um zwey hundert möch-
te eben so gut geschrieben werden, wo sie nicht viel
Geld mehr hätte.

Frau Sinclair, sagte die Fräulein, hätte alle ihre
Kleider. Die möchten verkauft werden, frey ver-
kauft werden, und das Geld möchte so weit reichen,
als es wollte. Sie hätte auch noch einige andere Kost-
barkeiten aber kein Geld, gar keines, außer der elen-
den halben Guinea und dem wenigen Silbergelde,
das sie gesehen hätten. Sie wollte eine Ver-
schreibung geben, alles zu bezahlen, was aus ih-
ren Kleidern und den andern Sachen, die sie
hätte, zu wenig heraus käme. Sie hätte ansehn-
liche Güter, die ihr von Rechts wegen zugehör-
ten. Jhre Handschrift würde und müßte bezahlt
werden, wenn sie auch auf tausend Pfund. Aber
ihre Kleider würde sie niemals gebrauchen. Sie
glaubte, wenn diese nicht allzu sehr unter ihrem
Werth verkauft würden, so würden dieselben, und
ihre wenigen Kostbarkeiten, für alles hinreichen.
Sie wünschte keinen Ueberschuß zu haben, als zu

den
Sechster Theil. U



Vortheil, wo er kann, bey Uns einfaͤltigen und
leichtglaͤubigen Maͤgdchens zu machen ſuchet, iſt
er ein Mann, der auf ſeine Ehre haͤlt.

Sie hub ihre Haͤnde und Augen auf, an
ſtatt zu reden. Sie hatte es auch wohl Urſache.
Denn keine Worte, die ſie zu gebrauchen vermoͤ-
gend geweſen waͤre, haͤtten die Angſt ausdruͤcken
koͤnnen, welche ſie fuͤhlen mußte, da ſie in dem
Uns mit begriffen war.

Sie muͤßte wenigſtens um hundert und funf-
zig Guineas ſchreiben. Um zwey hundert moͤch-
te eben ſo gut geſchrieben werden, wo ſie nicht viel
Geld mehr haͤtte.

Frau Sinclair, ſagte die Fraͤulein, haͤtte alle ihre
Kleider. Die moͤchten verkauft werden, frey ver-
kauft werden, und das Geld moͤchte ſo weit reichen,
als es wollte. Sie haͤtte auch noch einige andere Koſt-
barkeiten aber kein Geld, gar keines, außer der elen-
den halben Guinea und dem wenigen Silbergelde,
das ſie geſehen haͤtten. Sie wollte eine Ver-
ſchreibung geben, alles zu bezahlen, was aus ih-
ren Kleidern und den andern Sachen, die ſie
haͤtte, zu wenig heraus kaͤme. Sie haͤtte anſehn-
liche Guͤter, die ihr von Rechts wegen zugehoͤr-
ten. Jhre Handſchrift wuͤrde und muͤßte bezahlt
werden, wenn ſie auch auf tauſend Pfund. Aber
ihre Kleider wuͤrde ſie niemals gebrauchen. Sie
glaubte, wenn dieſe nicht allzu ſehr unter ihrem
Werth verkauft wuͤrden, ſo wuͤrden dieſelben, und
ihre wenigen Koſtbarkeiten, fuͤr alles hinreichen.
Sie wuͤnſchte keinen Ueberſchuß zu haben, als zu

den
Sechſter Theil. U
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0311" n="305"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Vortheil, wo er kann, bey <hi rendition="#fr">Uns</hi> einfa&#x0364;ltigen und<lb/>
leichtgla&#x0364;ubigen Ma&#x0364;gdchens zu machen &#x017F;uchet, i&#x017F;t<lb/>
er ein Mann, der auf &#x017F;eine Ehre ha&#x0364;lt.</p><lb/>
          <p>Sie hub ihre Ha&#x0364;nde und Augen auf, an<lb/>
&#x017F;tatt zu reden. Sie hatte es auch wohl Ur&#x017F;ache.<lb/>
Denn keine Worte, die &#x017F;ie zu gebrauchen vermo&#x0364;-<lb/>
gend gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, ha&#x0364;tten die Ang&#x017F;t ausdru&#x0364;cken<lb/>
ko&#x0364;nnen, welche &#x017F;ie fu&#x0364;hlen mußte, da &#x017F;ie in dem<lb/><hi rendition="#fr">Uns</hi> mit begriffen war.</p><lb/>
          <p>Sie mu&#x0364;ßte wenig&#x017F;tens um hundert und funf-<lb/>
zig Guineas &#x017F;chreiben. Um zwey hundert mo&#x0364;ch-<lb/>
te eben &#x017F;o gut ge&#x017F;chrieben werden, wo &#x017F;ie nicht viel<lb/>
Geld mehr ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Frau Sinclair, &#x017F;agte die Fra&#x0364;ulein, ha&#x0364;tte alle ihre<lb/>
Kleider. Die mo&#x0364;chten verkauft werden, <hi rendition="#fr">frey</hi> ver-<lb/>
kauft werden, und das Geld mo&#x0364;chte &#x017F;o weit reichen,<lb/>
als es wollte. Sie ha&#x0364;tte auch noch einige andere Ko&#x017F;t-<lb/>
barkeiten aber kein Geld, gar keines, außer der elen-<lb/>
den halben Guinea und dem wenigen Silbergelde,<lb/>
das &#x017F;ie ge&#x017F;ehen ha&#x0364;tten. Sie wollte eine Ver-<lb/>
&#x017F;chreibung geben, alles zu bezahlen, was aus ih-<lb/>
ren Kleidern und den andern Sachen, die &#x017F;ie<lb/>
ha&#x0364;tte, zu wenig heraus ka&#x0364;me. Sie ha&#x0364;tte an&#x017F;ehn-<lb/>
liche Gu&#x0364;ter, die ihr von Rechts wegen zugeho&#x0364;r-<lb/>
ten. Jhre Hand&#x017F;chrift wu&#x0364;rde und mu&#x0364;ßte bezahlt<lb/>
werden, wenn &#x017F;ie auch auf tau&#x017F;end Pfund. Aber<lb/>
ihre Kleider wu&#x0364;rde &#x017F;ie niemals gebrauchen. Sie<lb/>
glaubte, wenn die&#x017F;e nicht allzu &#x017F;ehr unter ihrem<lb/>
Werth verkauft wu&#x0364;rden, &#x017F;o wu&#x0364;rden die&#x017F;elben, und<lb/>
ihre wenigen Ko&#x017F;tbarkeiten, fu&#x0364;r alles hinreichen.<lb/>
Sie wu&#x0364;n&#x017F;chte keinen Ueber&#x017F;chuß zu haben, als zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Sech&#x017F;ter Theil.</hi> U</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0311] Vortheil, wo er kann, bey Uns einfaͤltigen und leichtglaͤubigen Maͤgdchens zu machen ſuchet, iſt er ein Mann, der auf ſeine Ehre haͤlt. Sie hub ihre Haͤnde und Augen auf, an ſtatt zu reden. Sie hatte es auch wohl Urſache. Denn keine Worte, die ſie zu gebrauchen vermoͤ- gend geweſen waͤre, haͤtten die Angſt ausdruͤcken koͤnnen, welche ſie fuͤhlen mußte, da ſie in dem Uns mit begriffen war. Sie muͤßte wenigſtens um hundert und funf- zig Guineas ſchreiben. Um zwey hundert moͤch- te eben ſo gut geſchrieben werden, wo ſie nicht viel Geld mehr haͤtte. Frau Sinclair, ſagte die Fraͤulein, haͤtte alle ihre Kleider. Die moͤchten verkauft werden, frey ver- kauft werden, und das Geld moͤchte ſo weit reichen, als es wollte. Sie haͤtte auch noch einige andere Koſt- barkeiten aber kein Geld, gar keines, außer der elen- den halben Guinea und dem wenigen Silbergelde, das ſie geſehen haͤtten. Sie wollte eine Ver- ſchreibung geben, alles zu bezahlen, was aus ih- ren Kleidern und den andern Sachen, die ſie haͤtte, zu wenig heraus kaͤme. Sie haͤtte anſehn- liche Guͤter, die ihr von Rechts wegen zugehoͤr- ten. Jhre Handſchrift wuͤrde und muͤßte bezahlt werden, wenn ſie auch auf tauſend Pfund. Aber ihre Kleider wuͤrde ſie niemals gebrauchen. Sie glaubte, wenn dieſe nicht allzu ſehr unter ihrem Werth verkauft wuͤrden, ſo wuͤrden dieſelben, und ihre wenigen Koſtbarkeiten, fuͤr alles hinreichen. Sie wuͤnſchte keinen Ueberſchuß zu haben, als zu den Sechſter Theil. U

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/311
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/311>, abgerufen am 22.07.2024.