Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



"zeiget hat, auf eine strafbare Weise zu viel her-
"ausgenommen habe. Jch machte mir Hoff-
"nung, daß ich ein geringes Werkzeug in den
"Händen der Vorsicht seyn möchte, einen Men-
"schen auf bessere Wege zu bringen, der im
"Grunde, wie ich dachte, Verstand genug hätte,
"sich auf bessere Wege bringen zu lassen; oder
"wenigstens dankbar genug wäre, den ihm zuge-
"dachten Dienst zu erkennen, es möchte nun die
"edelmüthige Hoffnung gelingen oder nicht." - -
Unvergleichliche Fräulein! - -

Eine unvergleichliche Fräulein! war der Wie-
derschall, den die Frauenzimmer hören ließen,
mit ihren Schnupftüchern an den Augen, und
dann mit einer Nasenmusik.

Lovel. Bey meiner Seele, Fräulein Mar-
tha, sie weinen bey der unrechten Stelle: sie sol-
len niemals mit mir in ein Trau rspiel gehen.

Lady Elisab. Verhärteter Mensch!

Der Lord hatte seine Brille abgenommen,
um sie abzuwischen. Seine Augen waren be-
nebelt: und er gedachte, die Schuld läge an sei-
ner Brille.

Jch sahe, daß sie alle aufgebracht waren und
spröde thaten - - Gewiß, sprach ich daher, dieß
ist recht lehrreich geschrieben - - Das ist eben
das Vortreffliche an dieser Fräulein, daß sie in
jeder Zeile, wie sie fortschreibet, sich selbst zu bes-
sern suchet. Haben sie die Gewogenheit, mein
Lord, fortzufahren. - - Jch kenne ihre Schreib-

art:



„zeiget hat, auf eine ſtrafbare Weiſe zu viel her-
„ausgenommen habe. Jch machte mir Hoff-
„nung, daß ich ein geringes Werkzeug in den
„Haͤnden der Vorſicht ſeyn moͤchte, einen Men-
„ſchen auf beſſere Wege zu bringen, der im
„Grunde, wie ich dachte, Verſtand genug haͤtte,
„ſich auf beſſere Wege bringen zu laſſen; oder
„wenigſtens dankbar genug waͤre, den ihm zuge-
„dachten Dienſt zu erkennen, es moͤchte nun die
„edelmuͤthige Hoffnung gelingen oder nicht.“ ‒ ‒
Unvergleichliche Fraͤulein! ‒ ‒

Eine unvergleichliche Fraͤulein! war der Wie-
derſchall, den die Frauenzimmer hoͤren ließen,
mit ihren Schnupftuͤchern an den Augen, und
dann mit einer Naſenmuſik.

Lovel. Bey meiner Seele, Fraͤulein Mar-
tha, ſie weinen bey der unrechten Stelle: ſie ſol-
len niemals mit mir in ein Trau rſpiel gehen.

Lady Eliſab. Verhaͤrteter Menſch!

Der Lord hatte ſeine Brille abgenommen,
um ſie abzuwiſchen. Seine Augen waren be-
nebelt: und er gedachte, die Schuld laͤge an ſei-
ner Brille.

Jch ſahe, daß ſie alle aufgebracht waren und
ſproͤde thaten ‒ ‒ Gewiß, ſprach ich daher, dieß
iſt recht lehrreich geſchrieben ‒ ‒ Das iſt eben
das Vortreffliche an dieſer Fraͤulein, daß ſie in
jeder Zeile, wie ſie fortſchreibet, ſich ſelbſt zu beſ-
ſern ſuchet. Haben ſie die Gewogenheit, mein
Lord, fortzufahren. ‒ ‒ Jch kenne ihre Schreib-

art:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0204" n="198"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201E;zeiget hat, auf eine &#x017F;trafbare Wei&#x017F;e zu viel her-<lb/>
&#x201E;ausgenommen habe. Jch machte mir Hoff-<lb/>
&#x201E;nung, daß ich ein geringes Werkzeug in den<lb/>
&#x201E;Ha&#x0364;nden der Vor&#x017F;icht &#x017F;eyn mo&#x0364;chte, einen Men-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chen auf be&#x017F;&#x017F;ere Wege zu bringen, der im<lb/>
&#x201E;Grunde, wie ich dachte, Ver&#x017F;tand genug ha&#x0364;tte,<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich auf be&#x017F;&#x017F;ere Wege bringen zu la&#x017F;&#x017F;en; oder<lb/>
&#x201E;wenig&#x017F;tens dankbar genug wa&#x0364;re, den ihm zuge-<lb/>
&#x201E;dachten Dien&#x017F;t zu erkennen, es mo&#x0364;chte nun die<lb/>
&#x201E;edelmu&#x0364;thige Hoffnung gelingen oder nicht.&#x201C; &#x2012; &#x2012;<lb/>
Unvergleichliche Fra&#x0364;ulein! &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Eine unvergleichliche Fra&#x0364;ulein! war der Wie-<lb/>
der&#x017F;chall, den die Frauenzimmer ho&#x0364;ren ließen,<lb/>
mit ihren Schnupftu&#x0364;chern an den Augen, und<lb/>
dann mit einer Na&#x017F;enmu&#x017F;ik.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lovel.</hi> Bey meiner Seele, Fra&#x0364;ulein Mar-<lb/>
tha, &#x017F;ie weinen bey der unrechten Stelle: &#x017F;ie &#x017F;ol-<lb/>
len niemals mit mir in ein Trau r&#x017F;piel gehen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lady Eli&#x017F;ab.</hi> Verha&#x0364;rteter Men&#x017F;ch!</p><lb/>
          <p>Der Lord hatte &#x017F;eine Brille abgenommen,<lb/>
um &#x017F;ie abzuwi&#x017F;chen. Seine Augen waren be-<lb/>
nebelt: und er gedachte, die Schuld la&#x0364;ge an &#x017F;ei-<lb/>
ner Brille.</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;ahe, daß &#x017F;ie alle aufgebracht waren und<lb/>
&#x017F;pro&#x0364;de thaten &#x2012; &#x2012; Gewiß, &#x017F;prach ich daher, dieß<lb/>
i&#x017F;t recht lehrreich ge&#x017F;chrieben &#x2012; &#x2012; Das i&#x017F;t eben<lb/>
das Vortreffliche an die&#x017F;er Fra&#x0364;ulein, daß &#x017F;ie in<lb/>
jeder Zeile, wie &#x017F;ie fort&#x017F;chreibet, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern &#x017F;uchet. Haben &#x017F;ie die Gewogenheit, mein<lb/>
Lord, fortzufahren. &#x2012; &#x2012; Jch kenne ihre Schreib-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">art:</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0204] „zeiget hat, auf eine ſtrafbare Weiſe zu viel her- „ausgenommen habe. Jch machte mir Hoff- „nung, daß ich ein geringes Werkzeug in den „Haͤnden der Vorſicht ſeyn moͤchte, einen Men- „ſchen auf beſſere Wege zu bringen, der im „Grunde, wie ich dachte, Verſtand genug haͤtte, „ſich auf beſſere Wege bringen zu laſſen; oder „wenigſtens dankbar genug waͤre, den ihm zuge- „dachten Dienſt zu erkennen, es moͤchte nun die „edelmuͤthige Hoffnung gelingen oder nicht.“ ‒ ‒ Unvergleichliche Fraͤulein! ‒ ‒ Eine unvergleichliche Fraͤulein! war der Wie- derſchall, den die Frauenzimmer hoͤren ließen, mit ihren Schnupftuͤchern an den Augen, und dann mit einer Naſenmuſik. Lovel. Bey meiner Seele, Fraͤulein Mar- tha, ſie weinen bey der unrechten Stelle: ſie ſol- len niemals mit mir in ein Trau rſpiel gehen. Lady Eliſab. Verhaͤrteter Menſch! Der Lord hatte ſeine Brille abgenommen, um ſie abzuwiſchen. Seine Augen waren be- nebelt: und er gedachte, die Schuld laͤge an ſei- ner Brille. Jch ſahe, daß ſie alle aufgebracht waren und ſproͤde thaten ‒ ‒ Gewiß, ſprach ich daher, dieß iſt recht lehrreich geſchrieben ‒ ‒ Das iſt eben das Vortreffliche an dieſer Fraͤulein, daß ſie in jeder Zeile, wie ſie fortſchreibet, ſich ſelbſt zu beſ- ſern ſuchet. Haben ſie die Gewogenheit, mein Lord, fortzufahren. ‒ ‒ Jch kenne ihre Schreib- art:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/204
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/204>, abgerufen am 23.11.2024.