Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



als ihn heyrathen will! Daß sie die Aussöhnung
mit ihren Freunden, die ihr so nahe am Herzen
lag, aufgiebet, und sich in tausend Unglück waget,
dem ihre Jugend und ihr Geschlecht eine dürftige
und von allen Freunden verlassene Schönheit nur
nach allzu vieler Wahrscheinlichkeit bloß stellen
kann!

Besinnest du dich nicht, wie sie dich in einem
von denen Blättern eintreibet, die sie in ihrer
Verrückung geschrieben hat: wiewohl man die
Spuren einer Verrückung nicht darinn findet?

Jch versichere dich, daß ich nach der Zeit
sehr oft ernstliche Betrachtungen darüber ange-
stellet habe. Da mich aber die zwote gewaltsa-
me Beschimpfung, welche du gegen sie im Sin-
ne gehabt, überzeuget, daß es damals keinen
Eindruck bey dir gemachet und du vielleicht nach-
her niemals daran gedacht hast: so will ich diese
gute Lehre hier wiederum niederschreiben.

"Wo uns Gott, wie die Religion lehret,
"großentheils nach unsern guten oder bösen
"Handlungen gegen einander richten wird: - -
"O Bösewicht, so bedenke, bedenke beyzeiten, wie
"groß deine Verdammniß seyn müsse (*)"!

Und ist denn diese holdselige Lehre der Jnbe-
griff der Religion? Bey meiner Treue, ich glau-

be
(*) Siehe den gegenwärtigen Th. S. 623.



als ihn heyrathen will! Daß ſie die Ausſoͤhnung
mit ihren Freunden, die ihr ſo nahe am Herzen
lag, aufgiebet, und ſich in tauſend Ungluͤck waget,
dem ihre Jugend und ihr Geſchlecht eine duͤrftige
und von allen Freunden verlaſſene Schoͤnheit nur
nach allzu vieler Wahrſcheinlichkeit bloß ſtellen
kann!

Beſinneſt du dich nicht, wie ſie dich in einem
von denen Blaͤttern eintreibet, die ſie in ihrer
Verruͤckung geſchrieben hat: wiewohl man die
Spuren einer Verruͤckung nicht darinn findet?

Jch verſichere dich, daß ich nach der Zeit
ſehr oft ernſtliche Betrachtungen daruͤber ange-
ſtellet habe. Da mich aber die zwote gewaltſa-
me Beſchimpfung, welche du gegen ſie im Sin-
ne gehabt, uͤberzeuget, daß es damals keinen
Eindruck bey dir gemachet und du vielleicht nach-
her niemals daran gedacht haſt: ſo will ich dieſe
gute Lehre hier wiederum niederſchreiben.

„Wo uns Gott, wie die Religion lehret,
„großentheils nach unſern guten oder boͤſen
„Handlungen gegen einander richten wird: ‒ ‒
„O Boͤſewicht, ſo bedenke, bedenke beyzeiten, wie
„groß deine Verdammniß ſeyn muͤſſe (*)„!

Und iſt denn dieſe holdſelige Lehre der Jnbe-
griff der Religion? Bey meiner Treue, ich glau-

be
(*) Siehe den gegenwaͤrtigen Th. S. 623.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0882" n="876"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
als ihn heyrathen will! Daß &#x017F;ie die Aus&#x017F;o&#x0364;hnung<lb/>
mit ihren Freunden, die ihr &#x017F;o nahe am Herzen<lb/>
lag, aufgiebet, und &#x017F;ich in tau&#x017F;end Unglu&#x0364;ck waget,<lb/>
dem ihre Jugend und ihr Ge&#x017F;chlecht eine du&#x0364;rftige<lb/>
und von allen Freunden verla&#x017F;&#x017F;ene Scho&#x0364;nheit nur<lb/>
nach allzu vieler Wahr&#x017F;cheinlichkeit bloß &#x017F;tellen<lb/>
kann!</p><lb/>
          <p>Be&#x017F;inne&#x017F;t du dich nicht, wie &#x017F;ie dich in einem<lb/>
von denen Bla&#x0364;ttern eintreibet, die &#x017F;ie in ihrer<lb/>
Verru&#x0364;ckung ge&#x017F;chrieben hat: wiewohl man die<lb/>
Spuren einer Verru&#x0364;ckung nicht darinn findet?</p><lb/>
          <p>Jch ver&#x017F;ichere dich, daß ich nach der Zeit<lb/>
&#x017F;ehr oft ern&#x017F;tliche Betrachtungen daru&#x0364;ber ange-<lb/>
&#x017F;tellet habe. Da mich aber die zwote gewalt&#x017F;a-<lb/>
me Be&#x017F;chimpfung, welche du gegen &#x017F;ie im Sin-<lb/>
ne gehabt, u&#x0364;berzeuget, daß es damals keinen<lb/>
Eindruck bey dir gemachet und du vielleicht nach-<lb/>
her niemals daran gedacht ha&#x017F;t: &#x017F;o will ich die&#x017F;e<lb/>
gute Lehre hier wiederum nieder&#x017F;chreiben.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wo uns Gott, wie die Religion lehret,<lb/>
&#x201E;großentheils nach un&#x017F;ern guten oder bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
&#x201E;Handlungen gegen einander richten wird: &#x2012; &#x2012;<lb/>
&#x201E;O Bo&#x0364;&#x017F;ewicht, &#x017F;o bedenke, bedenke beyzeiten, wie<lb/>
&#x201E;groß deine Verdammniß &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e <note place="foot" n="(*)">Siehe den gegenwa&#x0364;rtigen Th. S. 623.</note>&#x201E;!</p><lb/>
          <p>Und i&#x017F;t denn die&#x017F;e hold&#x017F;elige Lehre der Jnbe-<lb/>
griff der Religion? Bey meiner Treue, ich glau-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">be</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[876/0882] als ihn heyrathen will! Daß ſie die Ausſoͤhnung mit ihren Freunden, die ihr ſo nahe am Herzen lag, aufgiebet, und ſich in tauſend Ungluͤck waget, dem ihre Jugend und ihr Geſchlecht eine duͤrftige und von allen Freunden verlaſſene Schoͤnheit nur nach allzu vieler Wahrſcheinlichkeit bloß ſtellen kann! Beſinneſt du dich nicht, wie ſie dich in einem von denen Blaͤttern eintreibet, die ſie in ihrer Verruͤckung geſchrieben hat: wiewohl man die Spuren einer Verruͤckung nicht darinn findet? Jch verſichere dich, daß ich nach der Zeit ſehr oft ernſtliche Betrachtungen daruͤber ange- ſtellet habe. Da mich aber die zwote gewaltſa- me Beſchimpfung, welche du gegen ſie im Sin- ne gehabt, uͤberzeuget, daß es damals keinen Eindruck bey dir gemachet und du vielleicht nach- her niemals daran gedacht haſt: ſo will ich dieſe gute Lehre hier wiederum niederſchreiben. „Wo uns Gott, wie die Religion lehret, „großentheils nach unſern guten oder boͤſen „Handlungen gegen einander richten wird: ‒ ‒ „O Boͤſewicht, ſo bedenke, bedenke beyzeiten, wie „groß deine Verdammniß ſeyn muͤſſe (*)„! Und iſt denn dieſe holdſelige Lehre der Jnbe- griff der Religion? Bey meiner Treue, ich glau- be (*) Siehe den gegenwaͤrtigen Th. S. 623.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/882
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 876. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/882>, abgerufen am 17.05.2024.