"zehn Personen, die Mutter und ihre Mitgenos- "sen eingeschlossen, vorzeigte.
"Wilhelm erzählte ihnen seine Geschichte: "und darauf lief er aus, wie vormals bey eben "der Gelegenheit, Erkundigung einzuziehen, ob "jemand von den Kutschern, Sänftenträgern oder "andern Trägern, die sich in der Nachbarschaft "gemeiniglich aufhielten, die Fräulein gesehen "hätte. Dorcas rechtfertigte sich unterdessen al- "sobald, und zwar auf Kosten der armen Ma- "belle, die eben so schuldig und strafwürdig, als "seltsam aussahe, indem sie noch den verdächti- "gen Lohn ihrer Verrätherey anhatte, welchen ihr "Dorcas aus Neid gern vom Leibe gerissen "hätte.
"Hierauf bellete die ganze Kuppel das arme "Mensch an, und die Mutter blöckete, mit rau- "chendem Maule, ihren Befehl aus, die verdäch- "tige Missethäterinn zu ergreifen: welche dage- "gen bey ihrer eignen Vertheidigung weder ge- "hört werden konnte, noch, wenn sie auch gehöret "wäre, Glauben gefunden hätte.
"Sollte solch eine treulose Katze ihr Haus "schänden! rief die Mutter - - Fromme und "rechtschaffene Leute möchten wohl verführet "werden: aber das wär eine feine Sache, wenn "solch ein Haus, als das ihrige, von verfluchten "Creaturen, die sich selbst nach ihrer Gemüths- "art vermietheten und keinen Anspruch auf gu- "te Grundsätze machen durften, nicht getreue "Dienste haben könnte! - - Jch wollte, daß sie
"ver-
„zehn Perſonen, die Mutter und ihre Mitgenoſ- „ſen eingeſchloſſen, vorzeigte.
„Wilhelm erzaͤhlte ihnen ſeine Geſchichte: „und darauf lief er aus, wie vormals bey eben „der Gelegenheit, Erkundigung einzuziehen, ob „jemand von den Kutſchern, Saͤnftentraͤgern oder „andern Traͤgern, die ſich in der Nachbarſchaft „gemeiniglich aufhielten, die Fraͤulein geſehen „haͤtte. Dorcas rechtfertigte ſich unterdeſſen al- „ſobald, und zwar auf Koſten der armen Ma- „belle, die eben ſo ſchuldig und ſtrafwuͤrdig, als „ſeltſam ausſahe, indem ſie noch den verdaͤchti- „gen Lohn ihrer Verraͤtherey anhatte, welchen ihr „Dorcas aus Neid gern vom Leibe geriſſen „haͤtte.
„Hierauf bellete die ganze Kuppel das arme „Menſch an, und die Mutter bloͤckete, mit rau- „chendem Maule, ihren Befehl aus, die verdaͤch- „tige Miſſethaͤterinn zu ergreifen: welche dage- „gen bey ihrer eignen Vertheidigung weder ge- „hoͤrt werden konnte, noch, wenn ſie auch gehoͤret „waͤre, Glauben gefunden haͤtte.
„Sollte ſolch eine treuloſe Katze ihr Haus „ſchaͤnden! rief die Mutter ‒ ‒ Fromme und „rechtſchaffene Leute moͤchten wohl verfuͤhret „werden: aber das waͤr eine feine Sache, wenn „ſolch ein Haus, als das ihrige, von verfluchten „Creaturen, die ſich ſelbſt nach ihrer Gemuͤths- „art vermietheten und keinen Anſpruch auf gu- „te Grundſaͤtze machen durften, nicht getreue „Dienſte haben koͤnnte! ‒ ‒ Jch wollte, daß ſie
„ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0878"n="872"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>„zehn Perſonen, die Mutter und ihre Mitgenoſ-<lb/>„ſen eingeſchloſſen, vorzeigte.</p><lb/><p>„Wilhelm erzaͤhlte ihnen <hirendition="#fr">ſeine</hi> Geſchichte:<lb/>„und darauf lief er aus, wie vormals bey eben<lb/>„der Gelegenheit, Erkundigung einzuziehen, ob<lb/>„jemand von den Kutſchern, Saͤnftentraͤgern oder<lb/>„andern Traͤgern, die ſich in der Nachbarſchaft<lb/>„gemeiniglich aufhielten, die Fraͤulein geſehen<lb/>„haͤtte. Dorcas rechtfertigte ſich unterdeſſen al-<lb/>„ſobald, und zwar auf Koſten der armen Ma-<lb/>„belle, die eben ſo ſchuldig und ſtrafwuͤrdig, als<lb/>„ſeltſam ausſahe, indem ſie noch den verdaͤchti-<lb/>„gen Lohn ihrer Verraͤtherey anhatte, welchen ihr<lb/>„Dorcas aus Neid gern vom Leibe geriſſen<lb/>„haͤtte.</p><lb/><p>„Hierauf bellete die ganze Kuppel das arme<lb/>„Menſch an, und die Mutter bloͤckete, mit rau-<lb/>„chendem Maule, ihren Befehl aus, die verdaͤch-<lb/>„tige Miſſethaͤterinn zu ergreifen: welche dage-<lb/>„gen bey ihrer eignen Vertheidigung weder ge-<lb/>„hoͤrt werden konnte, noch, wenn ſie auch gehoͤret<lb/>„<hirendition="#fr">waͤre,</hi> Glauben gefunden haͤtte.</p><lb/><p>„Sollte ſolch eine treuloſe Katze <hirendition="#fr">ihr</hi> Haus<lb/>„ſchaͤnden! rief die Mutter ‒‒<hirendition="#fr">Fromme</hi> und<lb/>„<hirendition="#fr">rechtſchaffene</hi> Leute <hirendition="#fr">moͤchten</hi> wohl verfuͤhret<lb/>„werden: aber das waͤr eine feine Sache, wenn<lb/>„ſolch ein Haus, als das <hirendition="#fr">ihrige,</hi> von verfluchten<lb/>„Creaturen, die ſich ſelbſt nach ihrer <hirendition="#fr">Gemuͤths-<lb/>„art</hi> vermietheten und keinen Anſpruch auf <hirendition="#fr">gu-<lb/>„te Grundſaͤtze</hi> machen durften, nicht getreue<lb/>„Dienſte haben koͤnnte! ‒‒ Jch wollte, daß <hirendition="#fr">ſie</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">„ver-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[872/0878]
„zehn Perſonen, die Mutter und ihre Mitgenoſ-
„ſen eingeſchloſſen, vorzeigte.
„Wilhelm erzaͤhlte ihnen ſeine Geſchichte:
„und darauf lief er aus, wie vormals bey eben
„der Gelegenheit, Erkundigung einzuziehen, ob
„jemand von den Kutſchern, Saͤnftentraͤgern oder
„andern Traͤgern, die ſich in der Nachbarſchaft
„gemeiniglich aufhielten, die Fraͤulein geſehen
„haͤtte. Dorcas rechtfertigte ſich unterdeſſen al-
„ſobald, und zwar auf Koſten der armen Ma-
„belle, die eben ſo ſchuldig und ſtrafwuͤrdig, als
„ſeltſam ausſahe, indem ſie noch den verdaͤchti-
„gen Lohn ihrer Verraͤtherey anhatte, welchen ihr
„Dorcas aus Neid gern vom Leibe geriſſen
„haͤtte.
„Hierauf bellete die ganze Kuppel das arme
„Menſch an, und die Mutter bloͤckete, mit rau-
„chendem Maule, ihren Befehl aus, die verdaͤch-
„tige Miſſethaͤterinn zu ergreifen: welche dage-
„gen bey ihrer eignen Vertheidigung weder ge-
„hoͤrt werden konnte, noch, wenn ſie auch gehoͤret
„waͤre, Glauben gefunden haͤtte.
„Sollte ſolch eine treuloſe Katze ihr Haus
„ſchaͤnden! rief die Mutter ‒ ‒ Fromme und
„rechtſchaffene Leute moͤchten wohl verfuͤhret
„werden: aber das waͤr eine feine Sache, wenn
„ſolch ein Haus, als das ihrige, von verfluchten
„Creaturen, die ſich ſelbſt nach ihrer Gemuͤths-
„art vermietheten und keinen Anſpruch auf gu-
„te Grundſaͤtze machen durften, nicht getreue
„Dienſte haben koͤnnte! ‒ ‒ Jch wollte, daß ſie
„ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 872. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/878>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.