die Fräulein davon gegangen sey. Jn meinem Zorn hätte ich beynahe Dorcas, unsere Mutter, und alle, die mir in den Weg kamen, erschlagen. Aber durch einen geschwinden Wechsel, und eine wunderliche Verwandelung, wovon man in Träu- men nicht allemal den eigentlichen Grund antrifft, stellte sich mir diese Matrone, auf einmal verän- dert, in der Gestalt der berüchtigten Mutter H. dar, und ließ sich bereden, als eine alte Bekannte von Mutter Sinclair, mir in meinem Anschlage auf die junge Fräulein beyzustehen.
Dann folgte ein seltsames Schauspiel. Weil Mutter H. großes Verlangen hatte, mehr von der Geschichte der jungen Fräulein zu hören, und es Nacht war: so bat sie dieselbe, sich einen Platz in ihrem eignen Bette gefallen zu lassen, damit sie von allem unter sich allein schwatzen könnten. Denn es hatten sie, wie mich dauchte, zwo junge Basen von ihr mitten in der schrecklichen Erzäh- lung überfallen und gestöret.
Also gingen sie frühe zu Bette. Die trau- rige Geschichte ward wieder vorgenommen, und mit eben so großem Eifer an der einen, als Auf- merksamkeit an der andern Seite, verfolget. Ehe die junge Fräulein weit in ihrer Erzählung ge- kommen war: stieß der Mutter H. ein Anfall von der Colik zu. Weil die Schmerzen zunah- men: so ward sie genöthigt aufzustehen, und sich einen Stärkungstrank zu holen, den sie in dieser Krankheit, womit sie unglücklicher Weise oft ge- plaget war, bewährt gefunden hatte.
Nach-
die Fraͤulein davon gegangen ſey. Jn meinem Zorn haͤtte ich beynahe Dorcas, unſere Mutter, und alle, die mir in den Weg kamen, erſchlagen. Aber durch einen geſchwinden Wechſel, und eine wunderliche Verwandelung, wovon man in Traͤu- men nicht allemal den eigentlichen Grund antrifft, ſtellte ſich mir dieſe Matrone, auf einmal veraͤn- dert, in der Geſtalt der beruͤchtigten Mutter H. dar, und ließ ſich bereden, als eine alte Bekannte von Mutter Sinclair, mir in meinem Anſchlage auf die junge Fraͤulein beyzuſtehen.
Dann folgte ein ſeltſames Schauſpiel. Weil Mutter H. großes Verlangen hatte, mehr von der Geſchichte der jungen Fraͤulein zu hoͤren, und es Nacht war: ſo bat ſie dieſelbe, ſich einen Platz in ihrem eignen Bette gefallen zu laſſen, damit ſie von allem unter ſich allein ſchwatzen koͤnnten. Denn es hatten ſie, wie mich dauchte, zwo junge Baſen von ihr mitten in der ſchrecklichen Erzaͤh- lung uͤberfallen und geſtoͤret.
Alſo gingen ſie fruͤhe zu Bette. Die trau- rige Geſchichte ward wieder vorgenommen, und mit eben ſo großem Eifer an der einen, als Auf- merkſamkeit an der andern Seite, verfolget. Ehe die junge Fraͤulein weit in ihrer Erzaͤhlung ge- kommen war: ſtieß der Mutter H. ein Anfall von der Colik zu. Weil die Schmerzen zunah- men: ſo ward ſie genoͤthigt aufzuſtehen, und ſich einen Staͤrkungstrank zu holen, den ſie in dieſer Krankheit, womit ſie ungluͤcklicher Weiſe oft ge- plaget war, bewaͤhrt gefunden hatte.
Nach-
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[722/0728]
die Fraͤulein davon gegangen ſey. Jn meinem
Zorn haͤtte ich beynahe Dorcas, unſere Mutter,
und alle, die mir in den Weg kamen, erſchlagen.
Aber durch einen geſchwinden Wechſel, und eine
wunderliche Verwandelung, wovon man in Traͤu-
men nicht allemal den eigentlichen Grund antrifft,
ſtellte ſich mir dieſe Matrone, auf einmal veraͤn-
dert, in der Geſtalt der beruͤchtigten Mutter H.
dar, und ließ ſich bereden, als eine alte Bekannte
von Mutter Sinclair, mir in meinem Anſchlage
auf die junge Fraͤulein beyzuſtehen.
Dann folgte ein ſeltſames Schauſpiel. Weil
Mutter H. großes Verlangen hatte, mehr von der
Geſchichte der jungen Fraͤulein zu hoͤren, und es
Nacht war: ſo bat ſie dieſelbe, ſich einen Platz
in ihrem eignen Bette gefallen zu laſſen, damit
ſie von allem unter ſich allein ſchwatzen koͤnnten.
Denn es hatten ſie, wie mich dauchte, zwo junge
Baſen von ihr mitten in der ſchrecklichen Erzaͤh-
lung uͤberfallen und geſtoͤret.
Alſo gingen ſie fruͤhe zu Bette. Die trau-
rige Geſchichte ward wieder vorgenommen, und
mit eben ſo großem Eifer an der einen, als Auf-
merkſamkeit an der andern Seite, verfolget. Ehe
die junge Fraͤulein weit in ihrer Erzaͤhlung ge-
kommen war: ſtieß der Mutter H. ein Anfall
von der Colik zu. Weil die Schmerzen zunah-
men: ſo ward ſie genoͤthigt aufzuſtehen, und ſich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 722. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/728>, abgerufen am 24.11.2024.
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