Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



der; du lebest, daß du fluchen und betrügen mö-
gest!

Mein allerliebstes Leben! - - Hierbey stand
ich auf: denn ich hoffete, sie wäre ein wenig be-
sänstiget - -

Hättest du nicht so gesündiget, daß es un-
möglich ist, dir zu vergeben; fiel sie mir in die
Rede; und wäre dieß das erste mal gewesen, daß
du so feyerliche Versprechungen gethan, und die
Rache, der du so oft Trotz geboten hast, über dich
aufgerufen hättest: so möchte mich vielleicht mein
verzweifelter Zustand bewogen haben, daß ich ge-
dacht hätte, ein elendes Leben mit einem so ver-
ruchten Menschen einzugehen. Aber nach al-
lem, was ich von dir gelitten habe,
würde es
höchststrafbar an mir seyn, wenn ich wünschen
sollte, meine Seele mit einem Menschen, der mit
dem Verderben so nahe vereiniget ist, in einen
Bund zu verstricken.

Lieber Gott! - - wie lieblos! - - Jch un-
ternehme keine Vertheidigung - - O daß es sich
zurückrufen ließe! - - So nahe mir dem Ver-
derben vereiniget,
gnädige Fräulein! - - Ein
so vernichter Mensch,
gnädige Fräulein! - -

O wie wenig reichet der Ausdruck an dein
Verbrechen und mein Leiden! - - Was für eine
vorsetzliche Bosheit lieget in deiner Niederträch-
tigkeit! - - Daß du den guten Namen ansehnli-
cher Personen von deiner eignen Familie beschim-
pfest - - und das alles, um ein armes Frauen-
zimmer zu betrügen, das du schuldig gewesen wä-

rest



der; du lebeſt, daß du fluchen und betruͤgen moͤ-
geſt!

Mein allerliebſtes Leben! ‒ ‒ Hierbey ſtand
ich auf: denn ich hoffete, ſie waͤre ein wenig be-
ſaͤnſtiget ‒ ‒

Haͤtteſt du nicht ſo geſuͤndiget, daß es un-
moͤglich iſt, dir zu vergeben; fiel ſie mir in die
Rede; und waͤre dieß das erſte mal geweſen, daß
du ſo feyerliche Verſprechungen gethan, und die
Rache, der du ſo oft Trotz geboten haſt, uͤber dich
aufgerufen haͤtteſt: ſo moͤchte mich vielleicht mein
verzweifelter Zuſtand bewogen haben, daß ich ge-
dacht haͤtte, ein elendes Leben mit einem ſo ver-
ruchten Menſchen einzugehen. Aber nach al-
lem, was ich von dir gelitten habe,
wuͤrde es
hoͤchſtſtrafbar an mir ſeyn, wenn ich wuͤnſchen
ſollte, meine Seele mit einem Menſchen, der mit
dem Verderben ſo nahe vereiniget iſt, in einen
Bund zu verſtricken.

Lieber Gott! ‒ ‒ wie lieblos! ‒ ‒ Jch un-
ternehme keine Vertheidigung ‒ ‒ O daß es ſich
zuruͤckrufen ließe! ‒ ‒ So nahe mir dem Ver-
derben vereiniget,
gnaͤdige Fraͤulein! ‒ ‒ Ein
ſo vernichter Menſch,
gnaͤdige Fraͤulein! ‒ ‒

O wie wenig reichet der Ausdruck an dein
Verbrechen und mein Leiden! ‒ ‒ Was fuͤr eine
vorſetzliche Bosheit lieget in deiner Niedertraͤch-
tigkeit! ‒ ‒ Daß du den guten Namen anſehnli-
cher Perſonen von deiner eignen Familie beſchim-
pfeſt ‒ ‒ und das alles, um ein armes Frauen-
zimmer zu betruͤgen, das du ſchuldig geweſen waͤ-

reſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0662" n="656"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
der; du lebe&#x017F;t, daß du fluchen und betru&#x0364;gen mo&#x0364;-<lb/>
ge&#x017F;t!</p><lb/>
          <p>Mein allerlieb&#x017F;tes Leben! &#x2012; &#x2012; Hierbey &#x017F;tand<lb/>
ich auf: denn ich hoffete, &#x017F;ie wa&#x0364;re ein wenig be-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;n&#x017F;tiget &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Ha&#x0364;tte&#x017F;t du nicht &#x017F;o ge&#x017F;u&#x0364;ndiget, daß es un-<lb/><hi rendition="#fr">mo&#x0364;glich</hi> i&#x017F;t, dir zu vergeben; fiel &#x017F;ie mir in die<lb/>
Rede; und wa&#x0364;re dieß das er&#x017F;te mal gewe&#x017F;en, daß<lb/>
du &#x017F;o feyerliche Ver&#x017F;prechungen gethan, und die<lb/>
Rache, der du &#x017F;o oft Trotz geboten ha&#x017F;t, u&#x0364;ber dich<lb/>
aufgerufen ha&#x0364;tte&#x017F;t: &#x017F;o mo&#x0364;chte mich vielleicht mein<lb/>
verzweifelter Zu&#x017F;tand bewogen haben, daß ich ge-<lb/>
dacht ha&#x0364;tte, ein elendes Leben mit einem &#x017F;o ver-<lb/>
ruchten Men&#x017F;chen einzugehen. Aber <hi rendition="#fr">nach al-<lb/>
lem, was ich von dir gelitten habe,</hi> wu&#x0364;rde es<lb/><hi rendition="#fr">ho&#x0364;ch&#x017F;t&#x017F;trafbar</hi> an mir &#x017F;eyn, wenn ich wu&#x0364;n&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;ollte, meine Seele mit einem Men&#x017F;chen, der mit<lb/>
dem Verderben &#x017F;o nahe vereiniget i&#x017F;t, in einen<lb/>
Bund zu ver&#x017F;tricken.</p><lb/>
          <p>Lieber Gott! &#x2012; &#x2012; wie lieblos! &#x2012; &#x2012; Jch un-<lb/>
ternehme keine Vertheidigung &#x2012; &#x2012; O daß es &#x017F;ich<lb/>
zuru&#x0364;ckrufen ließe! &#x2012; &#x2012; <hi rendition="#fr">So nahe mir dem Ver-<lb/>
derben vereiniget,</hi> gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein! &#x2012; &#x2012; <hi rendition="#fr">Ein<lb/>
&#x017F;o vernichter Men&#x017F;ch,</hi> gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein! &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>O wie wenig reichet der Ausdruck an <hi rendition="#fr">dein</hi><lb/>
Verbrechen und <hi rendition="#fr">mein</hi> Leiden! &#x2012; &#x2012; Was fu&#x0364;r eine<lb/>
vor&#x017F;etzliche Bosheit lieget in deiner Niedertra&#x0364;ch-<lb/>
tigkeit! &#x2012; &#x2012; Daß du den guten Namen an&#x017F;ehnli-<lb/>
cher Per&#x017F;onen von deiner eignen Familie be&#x017F;chim-<lb/>
pfe&#x017F;t &#x2012; &#x2012; und das alles, um ein armes Frauen-<lb/>
zimmer zu betru&#x0364;gen, das du &#x017F;chuldig gewe&#x017F;en wa&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">re&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[656/0662] der; du lebeſt, daß du fluchen und betruͤgen moͤ- geſt! Mein allerliebſtes Leben! ‒ ‒ Hierbey ſtand ich auf: denn ich hoffete, ſie waͤre ein wenig be- ſaͤnſtiget ‒ ‒ Haͤtteſt du nicht ſo geſuͤndiget, daß es un- moͤglich iſt, dir zu vergeben; fiel ſie mir in die Rede; und waͤre dieß das erſte mal geweſen, daß du ſo feyerliche Verſprechungen gethan, und die Rache, der du ſo oft Trotz geboten haſt, uͤber dich aufgerufen haͤtteſt: ſo moͤchte mich vielleicht mein verzweifelter Zuſtand bewogen haben, daß ich ge- dacht haͤtte, ein elendes Leben mit einem ſo ver- ruchten Menſchen einzugehen. Aber nach al- lem, was ich von dir gelitten habe, wuͤrde es hoͤchſtſtrafbar an mir ſeyn, wenn ich wuͤnſchen ſollte, meine Seele mit einem Menſchen, der mit dem Verderben ſo nahe vereiniget iſt, in einen Bund zu verſtricken. Lieber Gott! ‒ ‒ wie lieblos! ‒ ‒ Jch un- ternehme keine Vertheidigung ‒ ‒ O daß es ſich zuruͤckrufen ließe! ‒ ‒ So nahe mir dem Ver- derben vereiniget, gnaͤdige Fraͤulein! ‒ ‒ Ein ſo vernichter Menſch, gnaͤdige Fraͤulein! ‒ ‒ O wie wenig reichet der Ausdruck an dein Verbrechen und mein Leiden! ‒ ‒ Was fuͤr eine vorſetzliche Bosheit lieget in deiner Niedertraͤch- tigkeit! ‒ ‒ Daß du den guten Namen anſehnli- cher Perſonen von deiner eignen Familie beſchim- pfeſt ‒ ‒ und das alles, um ein armes Frauen- zimmer zu betruͤgen, das du ſchuldig geweſen waͤ- reſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/662
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 656. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/662>, abgerufen am 06.06.2024.