gen Fräulein nicht so weit gebracht hätten, daß ich für ihre Frau Townsend einen Mann finden müssen. Der Anschlag dient also bloß einem andern vorzubeugen. Meynst du, daß es mir erträglich seyn könnte, meinen Witz durch anderer Witz berücken zu lassen? Und kann nicht vielleicht eben dieser Kunstgriff eine ganze Welt voll Un- glück verhüten? Denn darfst du wohl denken, daß ich die Fräulein dem Handel der Frau Town- send ganz gelassen hingegeben haben würde?
Was hast du für eine Absicht; es wäre denn, deine eigne Vorstellung umzustossen: wenn du sagest, daß Leute von unserm Schlage keine andern Schranken für ihre Bosheit kennen, als den Mangel an Vermögen; da du doch weißt, daß die Fräulein in meiner Gewalt ist?
Genug, schreibst du, habe ich dieses Mu- ster der Tugend auf die Probe gestellet. Nicht also: denn ich habe sie noch gar nicht auf die Probe gesetzet. Alles, was ich gethan habe, ist nichts als nur eine Vorbereitung zu einer Probe.
Aber du bist wegen der Mittel, zu denen ich bey der Probe Zuflucht nehmen möchte, und we- gen meiner Wahrheitsliebe besorgt.
Elender Bruder! Denkst du denn, daß je- mals irgend ein Mann ein Mädchen anders, als auf die Rechnung seiner Wahrheitsliebe betrogen habe? Wie kann man sonst sagen, daß er be- trüge?
Was
gen Fraͤulein nicht ſo weit gebracht haͤtten, daß ich fuͤr ihre Frau Townſend einen Mann finden muͤſſen. Der Anſchlag dient alſo bloß einem andern vorzubeugen. Meynſt du, daß es mir ertraͤglich ſeyn koͤnnte, meinen Witz durch anderer Witz beruͤcken zu laſſen? Und kann nicht vielleicht eben dieſer Kunſtgriff eine ganze Welt voll Un- gluͤck verhuͤten? Denn darfſt du wohl denken, daß ich die Fraͤulein dem Handel der Frau Town- ſend ganz gelaſſen hingegeben haben wuͤrde?
Was haſt du fuͤr eine Abſicht; es waͤre denn, deine eigne Vorſtellung umzuſtoſſen: wenn du ſageſt, daß Leute von unſerm Schlage keine andern Schranken fuͤr ihre Bosheit kennen, als den Mangel an Vermoͤgen; da du doch weißt, daß die Fraͤulein in meiner Gewalt iſt?
Genug, ſchreibſt du, habe ich dieſes Mu- ſter der Tugend auf die Probe geſtellet. Nicht alſo: denn ich habe ſie noch gar nicht auf die Probe geſetzet. Alles, was ich gethan habe, iſt nichts als nur eine Vorbereitung zu einer Probe.
Aber du biſt wegen der Mittel, zu denen ich bey der Probe Zuflucht nehmen moͤchte, und we- gen meiner Wahrheitsliebe beſorgt.
Elender Bruder! Denkſt du denn, daß je- mals irgend ein Mann ein Maͤdchen anders, als auf die Rechnung ſeiner Wahrheitsliebe betrogen habe? Wie kann man ſonſt ſagen, daß er be- truͤge?
Was
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gen Fraͤulein nicht ſo weit gebracht haͤtten, daß
ich fuͤr ihre Frau Townſend einen Mann finden
muͤſſen. Der Anſchlag dient alſo bloß einem
andern vorzubeugen. Meynſt du, daß es mir
ertraͤglich ſeyn koͤnnte, meinen Witz durch anderer
Witz beruͤcken zu laſſen? Und kann nicht vielleicht
eben dieſer Kunſtgriff eine ganze Welt voll Un-
gluͤck verhuͤten? Denn darfſt du wohl denken,
daß ich die Fraͤulein dem Handel der Frau Town-
ſend ganz gelaſſen hingegeben haben wuͤrde?
Was haſt du fuͤr eine Abſicht; es waͤre denn,
deine eigne Vorſtellung umzuſtoſſen: wenn du
ſageſt, daß Leute von unſerm Schlage keine
andern Schranken fuͤr ihre Bosheit kennen,
als den Mangel an Vermoͤgen; da du doch
weißt, daß die Fraͤulein in meiner Gewalt iſt?
Genug, ſchreibſt du, habe ich dieſes Mu-
ſter der Tugend auf die Probe geſtellet.
Nicht alſo: denn ich habe ſie noch gar nicht auf
die Probe geſetzet. Alles, was ich gethan habe,
iſt nichts als nur eine Vorbereitung zu einer
Probe.
Aber du biſt wegen der Mittel, zu denen ich
bey der Probe Zuflucht nehmen moͤchte, und we-
gen meiner Wahrheitsliebe beſorgt.
Elender Bruder! Denkſt du denn, daß je-
mals irgend ein Mann ein Maͤdchen anders, als
auf die Rechnung ſeiner Wahrheitsliebe betrogen
habe? Wie kann man ſonſt ſagen, daß er be-
truͤge?
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/64>, abgerufen am 24.11.2024.
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