dem Hause, so bald als ihr könnet; sonst kommen sie aus der Kirche und finden ihn hier.
Margar. Sorgen sie nicht, mein Herr.
Der Kerl ging hinunter und mochte wohl ei- nen guten Zug von dem Biere thun. Weil Mar- garet ihn aber sehr schwatzhaft befand: so gab sie ihn zu verstehen, er würde es nicht übel nehmen; sie hätte einen Liebsten, der eben von der See ge- kommen wäre, und den sie genöthigt worden in dem Brodschranke zu verstecken; deswegen wür- de er es ihr nicht verdenken, daß sie nicht bey ihm bleiben könnte.
Ey im geringsten nicht, sagte der Bauer: denn wenn er seinen Kurzweil nicht haben könnte, so wollte er doch keinem etwas zu- wider thun. Allein er sagte ihr ins Ohr, daß ein gewisser Herr Lovelace ein verdammter Schelm wäre, wenn man die Wahrheit sagen dürfte.
Warum? fragte Margaret: und hätte ihm gern eine derbe Maulschelle gegeben, wie sie er- zählte.
Weil er alle Weibsleute küßte, zu denen er käme: das war seine Antwort.
Zu gleicher Zeit schlung sich der Hund um Margareten und gab ihr einen Schmatz, den, ih- rer Beschreibung nach, Fr. Bevis in dem Saa- le hätte hören mögen.
So ist die menschliche Natur beschaffen, Bruder: und so wirket sie in allen Ständen. So thut der Bauer so wohl, als die Vernah-
mern,
Fünfter Theil. K k
dem Hauſe, ſo bald als ihr koͤnnet; ſonſt kommen ſie aus der Kirche und finden ihn hier.
Margar. Sorgen ſie nicht, mein Herr.
Der Kerl ging hinunter und mochte wohl ei- nen guten Zug von dem Biere thun. Weil Mar- garet ihn aber ſehr ſchwatzhaft befand: ſo gab ſie ihn zu verſtehen, er wuͤrde es nicht uͤbel nehmen; ſie haͤtte einen Liebſten, der eben von der See ge- kommen waͤre, und den ſie genoͤthigt worden in dem Brodſchranke zu verſtecken; deswegen wuͤr- de er es ihr nicht verdenken, daß ſie nicht bey ihm bleiben koͤnnte.
Ey im geringſten nicht, ſagte der Bauer: denn wenn er ſeinen Kurzweil nicht haben koͤnnte, ſo wollte er doch keinem etwas zu- wider thun. Allein er ſagte ihr ins Ohr, daß ein gewiſſer Herr Lovelace ein verdammter Schelm waͤre, wenn man die Wahrheit ſagen duͤrfte.
Warum? fragte Margaret: und haͤtte ihm gern eine derbe Maulſchelle gegeben, wie ſie er- zaͤhlte.
Weil er alle Weibsleute kuͤßte, zu denen er kaͤme: das war ſeine Antwort.
Zu gleicher Zeit ſchlung ſich der Hund um Margareten und gab ihr einen Schmatz, den, ih- rer Beſchreibung nach, Fr. Bevis in dem Saa- le haͤtte hoͤren moͤgen.
So iſt die menſchliche Natur beſchaffen, Bruder: und ſo wirket ſie in allen Staͤnden. So thut der Bauer ſo wohl, als die Vernah-
mern,
Fuͤnfter Theil. K k
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0519"n="513"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
dem Hauſe, ſo bald als ihr koͤnnet; ſonſt kommen<lb/>ſie aus der Kirche und finden ihn hier.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Margar.</hi> Sorgen ſie nicht, mein Herr.</p><lb/><p>Der Kerl ging hinunter und mochte wohl ei-<lb/>
nen guten Zug von dem Biere thun. Weil Mar-<lb/>
garet ihn aber ſehr ſchwatzhaft befand: ſo gab ſie<lb/>
ihn zu verſtehen, er wuͤrde es nicht uͤbel nehmen;<lb/>ſie haͤtte einen Liebſten, der eben von der See ge-<lb/>
kommen waͤre, und den ſie genoͤthigt worden in<lb/>
dem Brodſchranke zu verſtecken; deswegen wuͤr-<lb/>
de er es ihr nicht verdenken, daß ſie nicht bey ihm<lb/>
bleiben koͤnnte.</p><lb/><p>Ey im geringſten nicht, ſagte der Bauer:<lb/><hirendition="#fr">denn wenn er ſeinen Kurzweil nicht haben<lb/>
koͤnnte, ſo wollte er doch keinem etwas zu-<lb/>
wider thun.</hi> Allein er ſagte ihr ins Ohr, daß<lb/>
ein gewiſſer Herr Lovelace ein <hirendition="#fr">verdammter<lb/>
Schelm</hi> waͤre, wenn man die Wahrheit ſagen<lb/>
duͤrfte.</p><lb/><p>Warum? fragte Margaret: und haͤtte ihm<lb/>
gern eine derbe Maulſchelle gegeben, wie ſie er-<lb/>
zaͤhlte.</p><lb/><p>Weil er alle Weibsleute kuͤßte, zu denen er<lb/>
kaͤme: das war ſeine Antwort.</p><lb/><p>Zu gleicher Zeit ſchlung ſich der Hund um<lb/>
Margareten und gab ihr einen Schmatz, den, ih-<lb/>
rer Beſchreibung nach, Fr. Bevis in dem Saa-<lb/>
le haͤtte hoͤren moͤgen.</p><lb/><p>So iſt die menſchliche Natur beſchaffen,<lb/>
Bruder: und ſo wirket ſie in allen Staͤnden.<lb/>
So thut der Bauer ſo wohl, als die Vernah-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Fuͤnfter Theil.</hi> K k</fw><fwplace="bottom"type="catch">mern,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[513/0519]
dem Hauſe, ſo bald als ihr koͤnnet; ſonſt kommen
ſie aus der Kirche und finden ihn hier.
Margar. Sorgen ſie nicht, mein Herr.
Der Kerl ging hinunter und mochte wohl ei-
nen guten Zug von dem Biere thun. Weil Mar-
garet ihn aber ſehr ſchwatzhaft befand: ſo gab ſie
ihn zu verſtehen, er wuͤrde es nicht uͤbel nehmen;
ſie haͤtte einen Liebſten, der eben von der See ge-
kommen waͤre, und den ſie genoͤthigt worden in
dem Brodſchranke zu verſtecken; deswegen wuͤr-
de er es ihr nicht verdenken, daß ſie nicht bey ihm
bleiben koͤnnte.
Ey im geringſten nicht, ſagte der Bauer:
denn wenn er ſeinen Kurzweil nicht haben
koͤnnte, ſo wollte er doch keinem etwas zu-
wider thun. Allein er ſagte ihr ins Ohr, daß
ein gewiſſer Herr Lovelace ein verdammter
Schelm waͤre, wenn man die Wahrheit ſagen
duͤrfte.
Warum? fragte Margaret: und haͤtte ihm
gern eine derbe Maulſchelle gegeben, wie ſie er-
zaͤhlte.
Weil er alle Weibsleute kuͤßte, zu denen er
kaͤme: das war ſeine Antwort.
Zu gleicher Zeit ſchlung ſich der Hund um
Margareten und gab ihr einen Schmatz, den, ih-
rer Beſchreibung nach, Fr. Bevis in dem Saa-
le haͤtte hoͤren moͤgen.
So iſt die menſchliche Natur beſchaffen,
Bruder: und ſo wirket ſie in allen Staͤnden.
So thut der Bauer ſo wohl, als die Vernah-
mern,
Fuͤnfter Theil. K k
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/519>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.