meinen geheimesten Gedanken fragen: ich will sie entdecken; es sey nun, daß sie für oder wider mich ausfallen.
Lovel. Edelmüthige Schöne! wer kann so, wie sie, reden?
Die Weibsleute hielten ihre Hände und Au- gen in die Höhe: eine jede, als wenn sie, nicht ich, gesprochen hätte.
Hier ist keine Unordnung, die von einer Ge- müthskrankheit zeuge, sprach Jungfer Rawlins: allein wenn sie nach ihrem Herzen urtheilte, so, glaube ich, dachte sie auch zugleich, daß gewaltig viel Unwahrscheinliches dabey wäre.
Gewiß recht fein gesprochen, sagte die Wit- we Bevis und zuckte die Achsel.
Frau Moore seufzete.
Bruder Belford, dachte ich, weiß alle meine Gedanken. Jch bin in diesem Stücke aufrichti- ger, als eine von den dreyen Weibspersonen, und schicke mich wohl zu diesem unvergleichlichen Mu- ster, ein Paar mit ihr auszumachen.
Cl. Wie Herr Lovelace mich hier aufgespü- ret habe, kann ich nicht sagen. Aber solche nie- derträchtige Ränke, so listige so arge Verklei- dungen, damit er mir seine Gegenwart unerwar- tet aufdringen möchte; so kühne, so nachtheilige Unwahrheiten - -
Capit. Haben sie die Gewogenheit, Jhro Gnaden, mir nur ein Wort in geheim zu erlau- ben - -
Cl.
meinen geheimeſten Gedanken fragen: ich will ſie entdecken; es ſey nun, daß ſie fuͤr oder wider mich ausfallen.
Lovel. Edelmuͤthige Schoͤne! wer kann ſo, wie ſie, reden?
Die Weibsleute hielten ihre Haͤnde und Au- gen in die Hoͤhe: eine jede, als wenn ſie, nicht ich, geſprochen haͤtte.
Hier iſt keine Unordnung, die von einer Ge- muͤthskrankheit zeuge, ſprach Jungfer Rawlins: allein wenn ſie nach ihrem Herzen urtheilte, ſo, glaube ich, dachte ſie auch zugleich, daß gewaltig viel Unwahrſcheinliches dabey waͤre.
Gewiß recht fein geſprochen, ſagte die Wit- we Bevis und zuckte die Achſel.
Frau Moore ſeufzete.
Bruder Belford, dachte ich, weiß alle meine Gedanken. Jch bin in dieſem Stuͤcke aufrichti- ger, als eine von den dreyen Weibsperſonen, und ſchicke mich wohl zu dieſem unvergleichlichen Mu- ſter, ein Paar mit ihr auszumachen.
Cl. Wie Herr Lovelace mich hier aufgeſpuͤ- ret habe, kann ich nicht ſagen. Aber ſolche nie- dertraͤchtige Raͤnke, ſo liſtige ſo arge Verklei- dungen, damit er mir ſeine Gegenwart unerwar- tet aufdringen moͤchte; ſo kuͤhne, ſo nachtheilige Unwahrheiten ‒ ‒
Capit. Haben ſie die Gewogenheit, Jhro Gnaden, mir nur ein Wort in geheim zu erlau- ben ‒ ‒
Cl.
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meinen geheimeſten Gedanken fragen: ich will
ſie entdecken; es ſey nun, daß ſie fuͤr oder wider
mich ausfallen.
Lovel. Edelmuͤthige Schoͤne! wer kann ſo,
wie ſie, reden?
Die Weibsleute hielten ihre Haͤnde und Au-
gen in die Hoͤhe: eine jede, als wenn ſie, nicht
ich, geſprochen haͤtte.
Hier iſt keine Unordnung, die von einer Ge-
muͤthskrankheit zeuge, ſprach Jungfer Rawlins:
allein wenn ſie nach ihrem Herzen urtheilte, ſo,
glaube ich, dachte ſie auch zugleich, daß gewaltig
viel Unwahrſcheinliches dabey waͤre.
Gewiß recht fein geſprochen, ſagte die Wit-
we Bevis und zuckte die Achſel.
Frau Moore ſeufzete.
Bruder Belford, dachte ich, weiß alle meine
Gedanken. Jch bin in dieſem Stuͤcke aufrichti-
ger, als eine von den dreyen Weibsperſonen, und
ſchicke mich wohl zu dieſem unvergleichlichen Mu-
ſter, ein Paar mit ihr auszumachen.
Cl. Wie Herr Lovelace mich hier aufgeſpuͤ-
ret habe, kann ich nicht ſagen. Aber ſolche nie-
dertraͤchtige Raͤnke, ſo liſtige ſo arge Verklei-
dungen, damit er mir ſeine Gegenwart unerwar-
tet aufdringen moͤchte; ſo kuͤhne, ſo nachtheilige
Unwahrheiten ‒ ‒
Capit. Haben ſie die Gewogenheit, Jhro
Gnaden, mir nur ein Wort in geheim zu erlau-
ben ‒ ‒
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/400>, abgerufen am 23.11.2024.
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