Cl. Damit er ein Recht behaupten könnte, das er nicht über mich hat! - - O mein Herr, o Herr Capitain Tomlinson! - - Jch glaube, ich habe Ursache zu sagen, daß der Mensch alle nie- derträchtige Bosheit zu verüben im Stande ist. - -
Die Weibsleute sahen wechselsweise sich un- ter einander und mich an. Sie wollten sehen, wie ich mich dabey bezeigte. Jch hatte eben den Augenblick solche Bewegungen, als wie von Pfei- len, in meinem Kopfe, daß ich dachte, ich wäre von Sinnen gekommen. Mein Gehirn schien im Feuer zu stehen. Was würde ich darum ge- geben haben, daß ich sie allein bey mir gehabt hätte. Jch lief queer durch das Zimmer und schlug mit geschlossener Faust an meine Stirn. O daß ich jemand hier hätte, dachte ich, den ich, wie Hercules, da er bey folternden Schmerzen, von dem vergifteten Kleide aus Deianirens Hän- den, in Flammen stund, in Stücken zerreissen könnte!
Capit. Sehen Jhro Gnaden nicht, wie der arme Herr - - Himmel, wie habe ich auf diese Art ihrem Onkel einen blauen Dunst vorgemacht! Wie glücklich, sagte ich ihm, hätte ich sie gesehen! Wie glücklich, war ich versichert, würden sie durch einander seyn!
Cl. O mein Herr, sie wissen nicht, wie viele vorsetzliche Beleidigungen ich schon vergeben hat- te, als ich sie das letzte mal sahe, ehe ich vor ih- nen unter der Person, die ich damals hoffete,
künftig
Cl. Damit er ein Recht behaupten koͤnnte, das er nicht uͤber mich hat! ‒ ‒ O mein Herr, o Herr Capitain Tomlinſon! ‒ ‒ Jch glaube, ich habe Urſache zu ſagen, daß der Menſch alle nie- dertraͤchtige Bosheit zu veruͤben im Stande iſt. ‒ ‒
Die Weibsleute ſahen wechſelsweiſe ſich un- ter einander und mich an. Sie wollten ſehen, wie ich mich dabey bezeigte. Jch hatte eben den Augenblick ſolche Bewegungen, als wie von Pfei- len, in meinem Kopfe, daß ich dachte, ich waͤre von Sinnen gekommen. Mein Gehirn ſchien im Feuer zu ſtehen. Was wuͤrde ich darum ge- geben haben, daß ich ſie allein bey mir gehabt haͤtte. Jch lief queer durch das Zimmer und ſchlug mit geſchloſſener Fauſt an meine Stirn. O daß ich jemand hier haͤtte, dachte ich, den ich, wie Hercules, da er bey folternden Schmerzen, von dem vergifteten Kleide aus Deianirens Haͤn- den, in Flammen ſtund, in Stuͤcken zerreiſſen koͤnnte!
Capit. Sehen Jhro Gnaden nicht, wie der arme Herr ‒ ‒ Himmel, wie habe ich auf dieſe Art ihrem Onkel einen blauen Dunſt vorgemacht! Wie gluͤcklich, ſagte ich ihm, haͤtte ich ſie geſehen! Wie gluͤcklich, war ich verſichert, wuͤrden ſie durch einander ſeyn!
Cl. O mein Herr, ſie wiſſen nicht, wie viele vorſetzliche Beleidigungen ich ſchon vergeben hat- te, als ich ſie das letzte mal ſahe, ehe ich vor ih- nen unter der Perſon, die ich damals hoffete,
kuͤnftig
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0401"n="395"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#fr">Cl.</hi> Damit er ein Recht behaupten koͤnnte,<lb/>
das er nicht uͤber mich hat! ‒‒ O mein Herr,<lb/>
o Herr Capitain Tomlinſon! ‒‒ Jch glaube, ich<lb/>
habe Urſache zu ſagen, daß der Menſch alle nie-<lb/>
dertraͤchtige Bosheit zu veruͤben im Stande<lb/>
iſt. ‒‒</p><lb/><p>Die Weibsleute ſahen wechſelsweiſe ſich un-<lb/>
ter einander und mich an. Sie wollten ſehen,<lb/>
wie ich mich dabey bezeigte. Jch hatte eben den<lb/>
Augenblick ſolche Bewegungen, als wie von Pfei-<lb/>
len, in meinem Kopfe, daß ich dachte, ich waͤre<lb/>
von Sinnen gekommen. Mein Gehirn ſchien<lb/>
im Feuer zu ſtehen. Was wuͤrde ich darum ge-<lb/>
geben haben, daß ich ſie allein bey mir gehabt<lb/>
haͤtte. Jch lief queer durch das Zimmer und<lb/>ſchlug mit geſchloſſener Fauſt an meine Stirn.<lb/>
O daß ich jemand hier haͤtte, dachte ich, den ich,<lb/>
wie Hercules, da er bey folternden Schmerzen,<lb/>
von dem vergifteten Kleide aus Deianirens Haͤn-<lb/>
den, in Flammen ſtund, in Stuͤcken zerreiſſen<lb/>
koͤnnte!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Capit.</hi> Sehen Jhro Gnaden nicht, wie der<lb/>
arme Herr ‒‒ Himmel, wie habe ich auf dieſe<lb/>
Art ihrem Onkel einen blauen Dunſt vorgemacht!<lb/>
Wie gluͤcklich, ſagte ich ihm, haͤtte ich ſie geſehen!<lb/>
Wie gluͤcklich, war ich verſichert, wuͤrden ſie durch<lb/>
einander ſeyn!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Cl.</hi> O mein Herr, ſie wiſſen nicht, wie viele<lb/>
vorſetzliche Beleidigungen ich ſchon vergeben hat-<lb/>
te, als ich ſie das letzte mal ſahe, ehe ich vor ih-<lb/>
nen unter der Perſon, die ich damals hoffete,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kuͤnftig</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[395/0401]
Cl. Damit er ein Recht behaupten koͤnnte,
das er nicht uͤber mich hat! ‒ ‒ O mein Herr,
o Herr Capitain Tomlinſon! ‒ ‒ Jch glaube, ich
habe Urſache zu ſagen, daß der Menſch alle nie-
dertraͤchtige Bosheit zu veruͤben im Stande
iſt. ‒ ‒
Die Weibsleute ſahen wechſelsweiſe ſich un-
ter einander und mich an. Sie wollten ſehen,
wie ich mich dabey bezeigte. Jch hatte eben den
Augenblick ſolche Bewegungen, als wie von Pfei-
len, in meinem Kopfe, daß ich dachte, ich waͤre
von Sinnen gekommen. Mein Gehirn ſchien
im Feuer zu ſtehen. Was wuͤrde ich darum ge-
geben haben, daß ich ſie allein bey mir gehabt
haͤtte. Jch lief queer durch das Zimmer und
ſchlug mit geſchloſſener Fauſt an meine Stirn.
O daß ich jemand hier haͤtte, dachte ich, den ich,
wie Hercules, da er bey folternden Schmerzen,
von dem vergifteten Kleide aus Deianirens Haͤn-
den, in Flammen ſtund, in Stuͤcken zerreiſſen
koͤnnte!
Capit. Sehen Jhro Gnaden nicht, wie der
arme Herr ‒ ‒ Himmel, wie habe ich auf dieſe
Art ihrem Onkel einen blauen Dunſt vorgemacht!
Wie gluͤcklich, ſagte ich ihm, haͤtte ich ſie geſehen!
Wie gluͤcklich, war ich verſichert, wuͤrden ſie durch
einander ſeyn!
Cl. O mein Herr, ſie wiſſen nicht, wie viele
vorſetzliche Beleidigungen ich ſchon vergeben hat-
te, als ich ſie das letzte mal ſahe, ehe ich vor ih-
nen unter der Perſon, die ich damals hoffete,
kuͤnftig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/401>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.