Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Wir stunden alle auf, bückten und neigten
uns. Das konnten wir nicht ändern. Denn
sie trat mit einem solchen Ansehen herein, das
uns lauter Ehrerbietung einflößete. Jedoch sa-
he der Capitain verzweifelt ernsthaft aus.

Cl. Jch bitte sie, meine lieben Frauenzim-
mer, bleiben sie sitzen - - Jch bitte, gehen sie nicht
weg - denn die Weibsleute waren bereit wegzu-
gehen: jedoch würde Jungfer Rawlins vor Un-
willen geborsten seyn; wenn die Fräulein es in
Ansehung ihrer zugegeben hätte. - - Sie haben
schon vorher meine ganze Geschichte gehört: da-
ran habe ich keinen Zweifel. - Jch bitte, behal-
ten sie ihren Platz - - Die Stühle gehören we-
nigstens alle Herrn Lovelacen.

Das ist ein recht kühner und seltsamer An-
fang, dachte ich.

Jhre Dienerinn, Herr Capitain Tomlinson.
So wandte sie sich zu ihm mit einer unnachahm-
lichen Anständigkeit. Jch hoffe, sie werden es
nicht übel genommen haben, daß ich ihren Be-
such gestern abgelehnet. Jch war in der That
nicht im Stande, von einer Sache, die Aufmerk-
samkeit erforderte, zu reden.

Capit. Es ist mir angenehm, Jhro Gnaden,
daß ich sie in besserem Stande finde. Jch hoffe,
es wird so seyn.

Cl. Jch befinde mich in der That nicht wohl.
Jch würde mich nicht entschuldigt haben, ihren
Besuch einige Stunden eher anzunehmen: wenn
ich mir nicht die Hoffnung gemacht hätte, daß

es
B b 3


Wir ſtunden alle auf, buͤckten und neigten
uns. Das konnten wir nicht aͤndern. Denn
ſie trat mit einem ſolchen Anſehen herein, das
uns lauter Ehrerbietung einfloͤßete. Jedoch ſa-
he der Capitain verzweifelt ernſthaft aus.

Cl. Jch bitte ſie, meine lieben Frauenzim-
mer, bleiben ſie ſitzen ‒ ‒ Jch bitte, gehen ſie nicht
weg ‒ denn die Weibsleute waren bereit wegzu-
gehen: jedoch wuͤrde Jungfer Rawlins vor Un-
willen geborſten ſeyn; wenn die Fraͤulein es in
Anſehung ihrer zugegeben haͤtte. ‒ ‒ Sie haben
ſchon vorher meine ganze Geſchichte gehoͤrt: da-
ran habe ich keinen Zweifel. ‒ Jch bitte, behal-
ten ſie ihren Platz ‒ ‒ Die Stuͤhle gehoͤren we-
nigſtens alle Herrn Lovelacen.

Das iſt ein recht kuͤhner und ſeltſamer An-
fang, dachte ich.

Jhre Dienerinn, Herr Capitain Tomlinſon.
So wandte ſie ſich zu ihm mit einer unnachahm-
lichen Anſtaͤndigkeit. Jch hoffe, ſie werden es
nicht uͤbel genommen haben, daß ich ihren Be-
ſuch geſtern abgelehnet. Jch war in der That
nicht im Stande, von einer Sache, die Aufmerk-
ſamkeit erforderte, zu reden.

Capit. Es iſt mir angenehm, Jhro Gnaden,
daß ich ſie in beſſerem Stande finde. Jch hoffe,
es wird ſo ſeyn.

Cl. Jch befinde mich in der That nicht wohl.
Jch wuͤrde mich nicht entſchuldigt haben, ihren
Beſuch einige Stunden eher anzunehmen: wenn
ich mir nicht die Hoffnung gemacht haͤtte, daß

es
B b 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0395" n="389"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Wir &#x017F;tunden alle auf, bu&#x0364;ckten und neigten<lb/>
uns. Das konnten wir nicht a&#x0364;ndern. Denn<lb/>
&#x017F;ie trat mit einem &#x017F;olchen An&#x017F;ehen herein, das<lb/>
uns lauter Ehrerbietung einflo&#x0364;ßete. Jedoch &#x017F;a-<lb/>
he der Capitain verzweifelt ern&#x017F;thaft aus.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Cl.</hi> Jch bitte &#x017F;ie, meine lieben Frauenzim-<lb/>
mer, bleiben &#x017F;ie &#x017F;itzen &#x2012; &#x2012; Jch bitte, gehen &#x017F;ie nicht<lb/>
weg &#x2012; denn die Weibsleute waren bereit wegzu-<lb/>
gehen: jedoch wu&#x0364;rde Jungfer Rawlins vor Un-<lb/>
willen gebor&#x017F;ten &#x017F;eyn; wenn die Fra&#x0364;ulein es in<lb/>
An&#x017F;ehung ihrer zugegeben ha&#x0364;tte. &#x2012; &#x2012; Sie haben<lb/>
&#x017F;chon vorher meine ganze Ge&#x017F;chichte geho&#x0364;rt: da-<lb/>
ran habe ich keinen Zweifel. &#x2012; Jch bitte, behal-<lb/>
ten &#x017F;ie ihren Platz &#x2012; &#x2012; Die Stu&#x0364;hle geho&#x0364;ren we-<lb/>
nig&#x017F;tens alle Herrn Lovelacen.</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t ein recht ku&#x0364;hner und &#x017F;elt&#x017F;amer An-<lb/>
fang, dachte ich.</p><lb/>
          <p>Jhre Dienerinn, Herr Capitain Tomlin&#x017F;on.<lb/>
So wandte &#x017F;ie &#x017F;ich zu ihm mit einer unnachahm-<lb/>
lichen An&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit. Jch hoffe, &#x017F;ie werden es<lb/>
nicht u&#x0364;bel genommen haben, daß ich ihren Be-<lb/>
&#x017F;uch ge&#x017F;tern abgelehnet. Jch war in der That<lb/>
nicht im Stande, von einer Sache, die Aufmerk-<lb/>
&#x017F;amkeit erforderte, zu reden.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Capit.</hi> Es i&#x017F;t mir angenehm, Jhro Gnaden,<lb/>
daß ich &#x017F;ie in be&#x017F;&#x017F;erem Stande finde. Jch hoffe,<lb/>
es wird &#x017F;o &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Cl.</hi> Jch befinde mich in der That nicht wohl.<lb/>
Jch wu&#x0364;rde mich nicht ent&#x017F;chuldigt haben, ihren<lb/>
Be&#x017F;uch einige Stunden eher anzunehmen: wenn<lb/>
ich mir nicht die Hoffnung gemacht ha&#x0364;tte, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 3</fw><fw place="bottom" type="catch">es</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[389/0395] Wir ſtunden alle auf, buͤckten und neigten uns. Das konnten wir nicht aͤndern. Denn ſie trat mit einem ſolchen Anſehen herein, das uns lauter Ehrerbietung einfloͤßete. Jedoch ſa- he der Capitain verzweifelt ernſthaft aus. Cl. Jch bitte ſie, meine lieben Frauenzim- mer, bleiben ſie ſitzen ‒ ‒ Jch bitte, gehen ſie nicht weg ‒ denn die Weibsleute waren bereit wegzu- gehen: jedoch wuͤrde Jungfer Rawlins vor Un- willen geborſten ſeyn; wenn die Fraͤulein es in Anſehung ihrer zugegeben haͤtte. ‒ ‒ Sie haben ſchon vorher meine ganze Geſchichte gehoͤrt: da- ran habe ich keinen Zweifel. ‒ Jch bitte, behal- ten ſie ihren Platz ‒ ‒ Die Stuͤhle gehoͤren we- nigſtens alle Herrn Lovelacen. Das iſt ein recht kuͤhner und ſeltſamer An- fang, dachte ich. Jhre Dienerinn, Herr Capitain Tomlinſon. So wandte ſie ſich zu ihm mit einer unnachahm- lichen Anſtaͤndigkeit. Jch hoffe, ſie werden es nicht uͤbel genommen haben, daß ich ihren Be- ſuch geſtern abgelehnet. Jch war in der That nicht im Stande, von einer Sache, die Aufmerk- ſamkeit erforderte, zu reden. Capit. Es iſt mir angenehm, Jhro Gnaden, daß ich ſie in beſſerem Stande finde. Jch hoffe, es wird ſo ſeyn. Cl. Jch befinde mich in der That nicht wohl. Jch wuͤrde mich nicht entſchuldigt haben, ihren Beſuch einige Stunden eher anzunehmen: wenn ich mir nicht die Hoffnung gemacht haͤtte, daß es B b 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/395
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/395>, abgerufen am 15.08.2024.