"um bin ich sonst von ihm geflohen, mir unter "Fremden eine sichere Zuflucht zu suchen?
Auf etwas anderes, das die Frauenzimmer vorstellten, gab sie zur Antwort: "Es ist ein Ver- "sehen, Madame. Jch bin mit ihm nicht aus- "gesöhnet. Jch werde nichts glauben, was er "saget. Hat er ihnen nicht durch die Verklei- "dung, worinn sie ihn zuerst sahen, eine offenba- "re Probe gegeben, was er für ein Mensch, und "was er zu unternehmen im Stande sey? Mei- "ne Geschichte ist zu lang, und meines Bleibens "wird hier nur eine kurze Zeit seyn: sonst könnte "ich sie überführen, daß mein Unwillen gegen ihn "mehr als zu wohl gegründet ist.
Darauf, vermuthe ich, bewarben sie sich um ihre Erlaubniß, daß ich mit ihnen zu Mittage essen dürfte. Denn dieß hörte ich von der Fräu- lein. "Jch habe nichts dazu zu sagen - - Es "ist ihr eignes Haus, Fr. Moore - - Es ist ihr "eigner Tisch - Sie können annehmen, wen sie "nach eignem Belieben wollen - - Nur lassen "sie mir meine Freyheit, selbst meine Gesellschaft "zu wählen.
Zur Antwort, wie ich mir vorstelle, auf der Frauenzimmer Anerbieten, ihr das Essen hinauf zu senden, gab sie dieses: "Ein Bissen Brodts, "wenn es ihnen gefällig ist, und ein Glaß Wasser. "Das ist alles, was ich itzo hinunterbringen kann. "Jch befinde mich wirklich sehr übel. Sahen sie "nicht, wie schlimm mir war? - - Nur bloß der
"Un-
„um bin ich ſonſt von ihm geflohen, mir unter „Fremden eine ſichere Zuflucht zu ſuchen?
Auf etwas anderes, das die Frauenzimmer vorſtellten, gab ſie zur Antwort: „Es iſt ein Ver- „ſehen, Madame. Jch bin mit ihm nicht aus- „geſoͤhnet. Jch werde nichts glauben, was er „ſaget. Hat er ihnen nicht durch die Verklei- „dung, worinn ſie ihn zuerſt ſahen, eine offenba- „re Probe gegeben, was er fuͤr ein Menſch, und „was er zu unternehmen im Stande ſey? Mei- „ne Geſchichte iſt zu lang, und meines Bleibens „wird hier nur eine kurze Zeit ſeyn: ſonſt koͤnnte „ich ſie uͤberfuͤhren, daß mein Unwillen gegen ihn „mehr als zu wohl gegruͤndet iſt.
Darauf, vermuthe ich, bewarben ſie ſich um ihre Erlaubniß, daß ich mit ihnen zu Mittage eſſen duͤrfte. Denn dieß hoͤrte ich von der Fraͤu- lein. „Jch habe nichts dazu zu ſagen ‒ ‒ Es „iſt ihr eignes Haus, Fr. Moore ‒ ‒ Es iſt ihr „eigner Tiſch ‒ Sie koͤnnen annehmen, wen ſie „nach eignem Belieben wollen ‒ ‒ Nur laſſen „ſie mir meine Freyheit, ſelbſt meine Geſellſchaft „zu waͤhlen.
Zur Antwort, wie ich mir vorſtelle, auf der Frauenzimmer Anerbieten, ihr das Eſſen hinauf zu ſenden, gab ſie dieſes: „Ein Biſſen Brodts, „wenn es ihnen gefaͤllig iſt, und ein Glaß Waſſer. „Das iſt alles, was ich itzo hinunterbringen kann. „Jch befinde mich wirklich ſehr uͤbel. Sahen ſie „nicht, wie ſchlimm mir war? ‒ ‒ Nur bloß der
„Un-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0324"n="318"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>„um bin ich ſonſt von ihm geflohen, mir unter<lb/>„Fremden eine ſichere Zuflucht zu ſuchen?</p><lb/><p>Auf etwas anderes, das die Frauenzimmer<lb/>
vorſtellten, gab ſie zur Antwort: „Es iſt ein Ver-<lb/>„ſehen, Madame. Jch bin mit ihm nicht aus-<lb/>„geſoͤhnet. Jch werde nichts glauben, was er<lb/>„ſaget. Hat er ihnen nicht durch die Verklei-<lb/>„dung, worinn ſie ihn zuerſt ſahen, eine offenba-<lb/>„re Probe gegeben, was er fuͤr ein Menſch, und<lb/>„was er zu unternehmen im Stande ſey? Mei-<lb/>„ne Geſchichte iſt zu lang, und meines Bleibens<lb/>„wird hier nur eine kurze Zeit ſeyn: ſonſt koͤnnte<lb/>„ich ſie uͤberfuͤhren, daß mein Unwillen gegen ihn<lb/>„mehr als zu wohl gegruͤndet iſt.</p><lb/><p>Darauf, vermuthe ich, bewarben ſie ſich um<lb/><hirendition="#fr">ihre</hi> Erlaubniß, daß <hirendition="#fr">ich</hi> mit ihnen zu Mittage<lb/>
eſſen duͤrfte. Denn dieß hoͤrte ich von der Fraͤu-<lb/>
lein. „Jch habe nichts dazu zu ſagen ‒‒ Es<lb/>„iſt ihr eignes Haus, Fr. Moore ‒‒ Es iſt ihr<lb/>„eigner Tiſch ‒ Sie koͤnnen annehmen, wen ſie<lb/>„nach eignem Belieben wollen ‒‒ Nur laſſen<lb/>„ſie mir meine Freyheit, ſelbſt meine Geſellſchaft<lb/>„zu waͤhlen.</p><lb/><p>Zur Antwort, wie ich mir vorſtelle, auf der<lb/>
Frauenzimmer Anerbieten, ihr das Eſſen hinauf<lb/>
zu ſenden, gab ſie dieſes: „Ein Biſſen Brodts,<lb/>„wenn es ihnen gefaͤllig iſt, und ein Glaß Waſſer.<lb/>„Das iſt alles, was ich itzo hinunterbringen kann.<lb/>„Jch befinde mich wirklich ſehr uͤbel. Sahen ſie<lb/>„nicht, wie ſchlimm mir war? ‒‒ Nur bloß der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„Un-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[318/0324]
„um bin ich ſonſt von ihm geflohen, mir unter
„Fremden eine ſichere Zuflucht zu ſuchen?
Auf etwas anderes, das die Frauenzimmer
vorſtellten, gab ſie zur Antwort: „Es iſt ein Ver-
„ſehen, Madame. Jch bin mit ihm nicht aus-
„geſoͤhnet. Jch werde nichts glauben, was er
„ſaget. Hat er ihnen nicht durch die Verklei-
„dung, worinn ſie ihn zuerſt ſahen, eine offenba-
„re Probe gegeben, was er fuͤr ein Menſch, und
„was er zu unternehmen im Stande ſey? Mei-
„ne Geſchichte iſt zu lang, und meines Bleibens
„wird hier nur eine kurze Zeit ſeyn: ſonſt koͤnnte
„ich ſie uͤberfuͤhren, daß mein Unwillen gegen ihn
„mehr als zu wohl gegruͤndet iſt.
Darauf, vermuthe ich, bewarben ſie ſich um
ihre Erlaubniß, daß ich mit ihnen zu Mittage
eſſen duͤrfte. Denn dieß hoͤrte ich von der Fraͤu-
lein. „Jch habe nichts dazu zu ſagen ‒ ‒ Es
„iſt ihr eignes Haus, Fr. Moore ‒ ‒ Es iſt ihr
„eigner Tiſch ‒ Sie koͤnnen annehmen, wen ſie
„nach eignem Belieben wollen ‒ ‒ Nur laſſen
„ſie mir meine Freyheit, ſelbſt meine Geſellſchaft
„zu waͤhlen.
Zur Antwort, wie ich mir vorſtelle, auf der
Frauenzimmer Anerbieten, ihr das Eſſen hinauf
zu ſenden, gab ſie dieſes: „Ein Biſſen Brodts,
„wenn es ihnen gefaͤllig iſt, und ein Glaß Waſſer.
„Das iſt alles, was ich itzo hinunterbringen kann.
„Jch befinde mich wirklich ſehr uͤbel. Sahen ſie
„nicht, wie ſchlimm mir war? ‒ ‒ Nur bloß der
„Un-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/324>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.