"Unwillen hat meine Lebensgeister in Bewegung "erhalten können! - -
"Jch habe nichts dagegen einzuwenden, Ma- "dame, daß er mit ihnen Mittagsmahlzeit hält," versetzte sie vermuthlich auf eine fernere Frage über eben dieselbe Sache "aber ich will nicht ei- "ne Nacht in dem Hause bleiben, wo er sich auf- "hält, wenn ich es ändern kann.
Jungfer Rawlins hatte ihr gesagt, wie ich mir einbilde, daß sie nicht zum Mittagsessen blei- ben wollte. Denn dieß war die Antwort der Fräulein: "Lassen sie mich nicht die Fr. Moore "ihrer Gesellschaft berauben, Jungfer Rawlins. "Sie werden über seine Reden nicht misvergnügt "werden. Er kann kein Absehen auf sie haben.
Sie stellten ihr darauf vermuthlich vor, was ich hinter ihrem Rücken sagen könnte, meiner Hi- storie ein gutes Ansehen zu geben. - - "Jch be- "kümmere mich nicht um das, was er sagt, oder "was er von mir gedenket. Reue und Besserung "sind das einzige Leid, das ich ihm wünsche: mir "mag es gehen, wie es will!
Nach ihrem Tone zu urtheilen, weinte sie, als sie diese letzten Worte sprach.
Die Frauenzimmer kamen endlich heraus und wischten beyde ihre Augen ab. Sie würden mich gerne beredet haben, die Zimmer fahren zu lassen, und so lange wegzugehen, bis ihres Onkels Freund ankäme. Aber ich verstand es besser. Jch wollte dem Teufel nicht trauen, daß ich sie wieder aufspüren würde, wenn sie noch einmal
ent-
„Unwillen hat meine Lebensgeiſter in Bewegung „erhalten koͤnnen! ‒ ‒
„Jch habe nichts dagegen einzuwenden, Ma- „dame, daß er mit ihnen Mittagsmahlzeit haͤlt,“ verſetzte ſie vermuthlich auf eine fernere Frage uͤber eben dieſelbe Sache „aber ich will nicht ei- „ne Nacht in dem Hauſe bleiben, wo er ſich auf- „haͤlt, wenn ich es aͤndern kann.
Jungfer Rawlins hatte ihr geſagt, wie ich mir einbilde, daß ſie nicht zum Mittagseſſen blei- ben wollte. Denn dieß war die Antwort der Fraͤulein: „Laſſen ſie mich nicht die Fr. Moore „ihrer Geſellſchaft berauben, Jungfer Rawlins. „Sie werden uͤber ſeine Reden nicht misvergnuͤgt „werden. Er kann kein Abſehen auf ſie haben.
Sie ſtellten ihr darauf vermuthlich vor, was ich hinter ihrem Ruͤcken ſagen koͤnnte, meiner Hi- ſtorie ein gutes Anſehen zu geben. ‒ ‒ „Jch be- „kuͤmmere mich nicht um das, was er ſagt, oder „was er von mir gedenket. Reue und Beſſerung „ſind das einzige Leid, das ich ihm wuͤnſche: mir „mag es gehen, wie es will!
Nach ihrem Tone zu urtheilen, weinte ſie, als ſie dieſe letzten Worte ſprach.
Die Frauenzimmer kamen endlich heraus und wiſchten beyde ihre Augen ab. Sie wuͤrden mich gerne beredet haben, die Zimmer fahren zu laſſen, und ſo lange wegzugehen, bis ihres Onkels Freund ankaͤme. Aber ich verſtand es beſſer. Jch wollte dem Teufel nicht trauen, daß ich ſie wieder aufſpuͤren wuͤrde, wenn ſie noch einmal
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„Unwillen hat meine Lebensgeiſter in Bewegung
„erhalten koͤnnen! ‒ ‒
„Jch habe nichts dagegen einzuwenden, Ma-
„dame, daß er mit ihnen Mittagsmahlzeit haͤlt,“
verſetzte ſie vermuthlich auf eine fernere Frage
uͤber eben dieſelbe Sache „aber ich will nicht ei-
„ne Nacht in dem Hauſe bleiben, wo er ſich auf-
„haͤlt, wenn ich es aͤndern kann.
Jungfer Rawlins hatte ihr geſagt, wie ich
mir einbilde, daß ſie nicht zum Mittagseſſen blei-
ben wollte. Denn dieß war die Antwort der
Fraͤulein: „Laſſen ſie mich nicht die Fr. Moore
„ihrer Geſellſchaft berauben, Jungfer Rawlins.
„Sie werden uͤber ſeine Reden nicht misvergnuͤgt
„werden. Er kann kein Abſehen auf ſie haben.
Sie ſtellten ihr darauf vermuthlich vor, was
ich hinter ihrem Ruͤcken ſagen koͤnnte, meiner Hi-
ſtorie ein gutes Anſehen zu geben. ‒ ‒ „Jch be-
„kuͤmmere mich nicht um das, was er ſagt, oder
„was er von mir gedenket. Reue und Beſſerung
„ſind das einzige Leid, das ich ihm wuͤnſche: mir
„mag es gehen, wie es will!
Nach ihrem Tone zu urtheilen, weinte ſie, als
ſie dieſe letzten Worte ſprach.
Die Frauenzimmer kamen endlich heraus
und wiſchten beyde ihre Augen ab. Sie wuͤrden
mich gerne beredet haben, die Zimmer fahren zu
laſſen, und ſo lange wegzugehen, bis ihres Onkels
Freund ankaͤme. Aber ich verſtand es beſſer.
Jch wollte dem Teufel nicht trauen, daß ich ſie
wieder aufſpuͤren wuͤrde, wenn ſie noch einmal
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/325>, abgerufen am 25.11.2024.
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