Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Augen ab und zog ihre Handschue an - - Nie-
mand hat ein Recht, mich aufzuhalten, sagte sie.
- - Jch will gehen. - - Vor wem sollte ich mich
fürchten? - - Das angenehme Kind! Jhre
Frage selbst zeugte ja von ihrer Furcht.

Jch bitte um Verzeihung, Madame, wegen
der Unruhe, die ich ihnen gemacht habe, sprach sie
zu der Frau Moore und neigte sich gegen diesel-
be - - Jch bitte um Verzeihung, Mademoiselle,
sagte sie auch zu der Jungfer Rawlins und neig-
te sich gleichfalls - - Sie können vielleicht beyde
von mir zu einer glücklichern Stunde Nachricht
haben: wenn mir eine solche zu Theil werden soll.
- - Leben sie beyde wohl und vergnügt! - - Sie
sträubte sich gegen ihre Thränen, bis sie gluchsete
und fortging.

Jch trat zu der Thüre, machte sie zu, stellte
mich mit dem Rücken dagegen und ergriff ihre
sträubende Hand - - Mein liebstes Leben! Mein
Engel, sagte ich, warum wollen sie mich so un-
glücklich machen? - - Jst dieß die Verzeihung,
die sie mir so feyerlich versprochen haben? - -

Lassen sie mich los, mein Herr! - - Sie
haben nichts mit mir zu thun! Sie haben kein
Recht über mich! Das wissen sie selbst.

Aber meine Allerliebste, wohin, wohin woll-
ten sie gehen? - - Denken sie nicht, daß ich ih-
nen folgen werde: wenn es auch bis an der Welt
Ende wäre? - Wohin wollten sie gehen?

Sie mögen mich wohl fragen, wohin ich ge-
hen wollte: da sie schuld daran sind, daß mir

nicht
U 2



Augen ab und zog ihre Handſchue an ‒ ‒ Nie-
mand hat ein Recht, mich aufzuhalten, ſagte ſie.
‒ ‒ Jch will gehen. ‒ ‒ Vor wem ſollte ich mich
fuͤrchten? ‒ ‒ Das angenehme Kind! Jhre
Frage ſelbſt zeugte ja von ihrer Furcht.

Jch bitte um Verzeihung, Madame, wegen
der Unruhe, die ich ihnen gemacht habe, ſprach ſie
zu der Frau Moore und neigte ſich gegen dieſel-
be ‒ ‒ Jch bitte um Verzeihung, Mademoiſelle,
ſagte ſie auch zu der Jungfer Rawlins und neig-
te ſich gleichfalls ‒ ‒ Sie koͤnnen vielleicht beyde
von mir zu einer gluͤcklichern Stunde Nachricht
haben: wenn mir eine ſolche zu Theil werden ſoll.
‒ ‒ Leben ſie beyde wohl und vergnuͤgt! ‒ ‒ Sie
ſtraͤubte ſich gegen ihre Thraͤnen, bis ſie gluchſete
und fortging.

Jch trat zu der Thuͤre, machte ſie zu, ſtellte
mich mit dem Ruͤcken dagegen und ergriff ihre
ſtraͤubende Hand ‒ ‒ Mein liebſtes Leben! Mein
Engel, ſagte ich, warum wollen ſie mich ſo un-
gluͤcklich machen? ‒ ‒ Jſt dieß die Verzeihung,
die ſie mir ſo feyerlich verſprochen haben? ‒ ‒

Laſſen ſie mich los, mein Herr! ‒ ‒ Sie
haben nichts mit mir zu thun! Sie haben kein
Recht uͤber mich! Das wiſſen ſie ſelbſt.

Aber meine Allerliebſte, wohin, wohin woll-
ten ſie gehen? ‒ ‒ Denken ſie nicht, daß ich ih-
nen folgen werde: wenn es auch bis an der Welt
Ende waͤre? ‒ Wohin wollten ſie gehen?

Sie moͤgen mich wohl fragen, wohin ich ge-
hen wollte: da ſie ſchuld daran ſind, daß mir

nicht
U 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0313" n="307"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Augen ab und zog ihre Hand&#x017F;chue an &#x2012; &#x2012; Nie-<lb/>
mand hat ein Recht, mich aufzuhalten, &#x017F;agte &#x017F;ie.<lb/>
&#x2012; &#x2012; Jch will gehen. &#x2012; &#x2012; Vor wem &#x017F;ollte ich mich<lb/>
fu&#x0364;rchten? &#x2012; &#x2012; Das angenehme Kind! Jhre<lb/>
Frage &#x017F;elb&#x017F;t zeugte ja von ihrer Furcht.</p><lb/>
          <p>Jch bitte um Verzeihung, Madame, wegen<lb/>
der Unruhe, die ich ihnen gemacht habe, &#x017F;prach &#x017F;ie<lb/>
zu der Frau Moore und neigte &#x017F;ich gegen die&#x017F;el-<lb/>
be &#x2012; &#x2012; Jch bitte um Verzeihung, Mademoi&#x017F;elle,<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie auch zu der Jungfer Rawlins und neig-<lb/>
te &#x017F;ich gleichfalls &#x2012; &#x2012; Sie ko&#x0364;nnen vielleicht beyde<lb/>
von mir zu einer glu&#x0364;cklichern Stunde Nachricht<lb/>
haben: wenn mir eine &#x017F;olche zu Theil werden &#x017F;oll.<lb/>
&#x2012; &#x2012; Leben &#x017F;ie beyde wohl und vergnu&#x0364;gt! &#x2012; &#x2012; Sie<lb/>
&#x017F;tra&#x0364;ubte &#x017F;ich gegen ihre Thra&#x0364;nen, bis &#x017F;ie gluch&#x017F;ete<lb/>
und fortging.</p><lb/>
          <p>Jch trat zu der Thu&#x0364;re, machte &#x017F;ie zu, &#x017F;tellte<lb/>
mich mit dem Ru&#x0364;cken dagegen und ergriff ihre<lb/>
&#x017F;tra&#x0364;ubende Hand &#x2012; &#x2012; Mein lieb&#x017F;tes Leben! Mein<lb/>
Engel, &#x017F;agte ich, warum wollen &#x017F;ie mich &#x017F;o un-<lb/>
glu&#x0364;cklich machen? &#x2012; &#x2012; J&#x017F;t dieß die Verzeihung,<lb/>
die &#x017F;ie mir &#x017F;o feyerlich ver&#x017F;prochen haben? &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie mich los, mein Herr! &#x2012; &#x2012; Sie<lb/>
haben nichts mit mir zu thun! Sie haben kein<lb/>
Recht u&#x0364;ber mich! Das <hi rendition="#fr">wi&#x017F;&#x017F;en</hi> &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Aber meine Allerlieb&#x017F;te, wohin, wohin woll-<lb/>
ten &#x017F;ie gehen? &#x2012; &#x2012; Denken &#x017F;ie nicht, daß ich ih-<lb/>
nen folgen werde: wenn es auch bis an der Welt<lb/>
Ende wa&#x0364;re? &#x2012; Wohin wollten &#x017F;ie gehen?</p><lb/>
          <p>Sie mo&#x0364;gen mich wohl fragen, wohin ich ge-<lb/>
hen wollte: da &#x017F;ie &#x017F;chuld daran &#x017F;ind, daß mir<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U 2</fw><fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0313] Augen ab und zog ihre Handſchue an ‒ ‒ Nie- mand hat ein Recht, mich aufzuhalten, ſagte ſie. ‒ ‒ Jch will gehen. ‒ ‒ Vor wem ſollte ich mich fuͤrchten? ‒ ‒ Das angenehme Kind! Jhre Frage ſelbſt zeugte ja von ihrer Furcht. Jch bitte um Verzeihung, Madame, wegen der Unruhe, die ich ihnen gemacht habe, ſprach ſie zu der Frau Moore und neigte ſich gegen dieſel- be ‒ ‒ Jch bitte um Verzeihung, Mademoiſelle, ſagte ſie auch zu der Jungfer Rawlins und neig- te ſich gleichfalls ‒ ‒ Sie koͤnnen vielleicht beyde von mir zu einer gluͤcklichern Stunde Nachricht haben: wenn mir eine ſolche zu Theil werden ſoll. ‒ ‒ Leben ſie beyde wohl und vergnuͤgt! ‒ ‒ Sie ſtraͤubte ſich gegen ihre Thraͤnen, bis ſie gluchſete und fortging. Jch trat zu der Thuͤre, machte ſie zu, ſtellte mich mit dem Ruͤcken dagegen und ergriff ihre ſtraͤubende Hand ‒ ‒ Mein liebſtes Leben! Mein Engel, ſagte ich, warum wollen ſie mich ſo un- gluͤcklich machen? ‒ ‒ Jſt dieß die Verzeihung, die ſie mir ſo feyerlich verſprochen haben? ‒ ‒ Laſſen ſie mich los, mein Herr! ‒ ‒ Sie haben nichts mit mir zu thun! Sie haben kein Recht uͤber mich! Das wiſſen ſie ſelbſt. Aber meine Allerliebſte, wohin, wohin woll- ten ſie gehen? ‒ ‒ Denken ſie nicht, daß ich ih- nen folgen werde: wenn es auch bis an der Welt Ende waͤre? ‒ Wohin wollten ſie gehen? Sie moͤgen mich wohl fragen, wohin ich ge- hen wollte: da ſie ſchuld daran ſind, daß mir nicht U 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/313
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/313>, abgerufen am 06.06.2024.