tern könnte. - - Jedoch es hatte nichts ähnli- ches, nichts gleiches. Es kann nur durch eine klare und deutliche Erzählung dessen, was wirk- lich vorgegangen ist, beschrieben und abgeschildert werden. Auf die Art sollst du es denn hier vor dir sehen.
Sie hatte nicht so bald gemerkt, wer es wä- re: so that sie dreymal ein gewaltiges Geschrey. Und ehe ich sie noch in meine Arme fassen konn- te; wie ich den Augenblick selbst, da ich mich ent- deckte, zu thun im Begriffe war: sank sie mir zu den Füßen in eine Ohnmacht. Jch verfluchte deswegen meine Unbedächtlichkeit, daß ich mich so plötzlich und mit so vieler Hitze entdecket hatte.
Als die Frau im Hause eine so wunderbare Verwandlung in meiner Person und Bildung, und Stimme und Kleidung gewahr ward: so schrie sie wechselsweise Mörder! Hülfe! Mör- der! Hülfe! und rannte wohl zwölfmal hier und dort herum. Dieß setzte das Haus in Lerm. Es liefen zwo Cammermägdchen herauf, und mein Diener hinter sie her. Jch rief um Wasser und Hirschhorn: und alle flogen fast hinweg, theils hier, theils dort hinaus. Eine von den Cam- mermägdchen stürzte so geschwinde wieder hinun- ter, als sie heraufgekommen war. Die gute Frau aber lief aus einem Zimmer in das andere, und das Gemach, worinn wir waren, wechsels- weise auf und nieder, ohne Absicht oder Endzweck.
Sie
tern koͤnnte. ‒ ‒ Jedoch es hatte nichts aͤhnli- ches, nichts gleiches. Es kann nur durch eine klare und deutliche Erzaͤhlung deſſen, was wirk- lich vorgegangen iſt, beſchrieben und abgeſchildert werden. Auf die Art ſollſt du es denn hier vor dir ſehen.
Sie hatte nicht ſo bald gemerkt, wer es waͤ- re: ſo that ſie dreymal ein gewaltiges Geſchrey. Und ehe ich ſie noch in meine Arme faſſen konn- te; wie ich den Augenblick ſelbſt, da ich mich ent- deckte, zu thun im Begriffe war: ſank ſie mir zu den Fuͤßen in eine Ohnmacht. Jch verfluchte deswegen meine Unbedaͤchtlichkeit, daß ich mich ſo ploͤtzlich und mit ſo vieler Hitze entdecket hatte.
Als die Frau im Hauſe eine ſo wunderbare Verwandlung in meiner Perſon und Bildung, und Stimme und Kleidung gewahr ward: ſo ſchrie ſie wechſelsweiſe Moͤrder! Huͤlfe! Moͤr- der! Huͤlfe! und rannte wohl zwoͤlfmal hier und dort herum. Dieß ſetzte das Haus in Lerm. Es liefen zwo Cammermaͤgdchen herauf, und mein Diener hinter ſie her. Jch rief um Waſſer und Hirſchhorn: und alle flogen faſt hinweg, theils hier, theils dort hinaus. Eine von den Cam- mermaͤgdchen ſtuͤrzte ſo geſchwinde wieder hinun- ter, als ſie heraufgekommen war. Die gute Frau aber lief aus einem Zimmer in das andere, und das Gemach, worinn wir waren, wechſels- weiſe auf und nieder, ohne Abſicht oder Endzweck.
Sie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0236"n="230"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
tern koͤnnte. ‒‒ Jedoch es hatte nichts aͤhnli-<lb/>
ches, nichts gleiches. Es kann nur durch eine<lb/>
klare und deutliche Erzaͤhlung deſſen, was wirk-<lb/>
lich vorgegangen iſt, beſchrieben und abgeſchildert<lb/>
werden. Auf die Art ſollſt du es denn hier vor<lb/>
dir ſehen.</p><lb/><p>Sie hatte nicht ſo bald gemerkt, wer es waͤ-<lb/>
re: ſo that ſie dreymal ein gewaltiges Geſchrey.<lb/>
Und ehe ich ſie noch in meine Arme faſſen konn-<lb/>
te; wie ich den Augenblick ſelbſt, da ich mich ent-<lb/>
deckte, zu thun im Begriffe war: ſank ſie mir zu<lb/>
den Fuͤßen in eine Ohnmacht. Jch verfluchte<lb/>
deswegen meine Unbedaͤchtlichkeit, daß ich mich<lb/>ſo ploͤtzlich und mit ſo vieler Hitze entdecket<lb/>
hatte.</p><lb/><p>Als die Frau im Hauſe eine ſo wunderbare<lb/>
Verwandlung in meiner Perſon und Bildung,<lb/>
und Stimme und Kleidung gewahr ward: ſo<lb/>ſchrie ſie wechſelsweiſe Moͤrder! Huͤlfe! Moͤr-<lb/>
der! Huͤlfe! und rannte wohl zwoͤlfmal hier und<lb/>
dort herum. Dieß ſetzte das Haus in Lerm. Es<lb/>
liefen zwo Cammermaͤgdchen herauf, und mein<lb/>
Diener hinter ſie her. Jch rief um Waſſer und<lb/>
Hirſchhorn: und alle flogen faſt hinweg, theils<lb/>
hier, theils dort hinaus. Eine von den Cam-<lb/>
mermaͤgdchen ſtuͤrzte ſo geſchwinde wieder hinun-<lb/>
ter, als ſie heraufgekommen war. Die gute<lb/>
Frau aber lief aus einem Zimmer in das andere,<lb/>
und das Gemach, worinn wir waren, wechſels-<lb/>
weiſe auf und nieder, ohne Abſicht oder Endzweck.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sie</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[230/0236]
tern koͤnnte. ‒ ‒ Jedoch es hatte nichts aͤhnli-
ches, nichts gleiches. Es kann nur durch eine
klare und deutliche Erzaͤhlung deſſen, was wirk-
lich vorgegangen iſt, beſchrieben und abgeſchildert
werden. Auf die Art ſollſt du es denn hier vor
dir ſehen.
Sie hatte nicht ſo bald gemerkt, wer es waͤ-
re: ſo that ſie dreymal ein gewaltiges Geſchrey.
Und ehe ich ſie noch in meine Arme faſſen konn-
te; wie ich den Augenblick ſelbſt, da ich mich ent-
deckte, zu thun im Begriffe war: ſank ſie mir zu
den Fuͤßen in eine Ohnmacht. Jch verfluchte
deswegen meine Unbedaͤchtlichkeit, daß ich mich
ſo ploͤtzlich und mit ſo vieler Hitze entdecket
hatte.
Als die Frau im Hauſe eine ſo wunderbare
Verwandlung in meiner Perſon und Bildung,
und Stimme und Kleidung gewahr ward: ſo
ſchrie ſie wechſelsweiſe Moͤrder! Huͤlfe! Moͤr-
der! Huͤlfe! und rannte wohl zwoͤlfmal hier und
dort herum. Dieß ſetzte das Haus in Lerm. Es
liefen zwo Cammermaͤgdchen herauf, und mein
Diener hinter ſie her. Jch rief um Waſſer und
Hirſchhorn: und alle flogen faſt hinweg, theils
hier, theils dort hinaus. Eine von den Cam-
mermaͤgdchen ſtuͤrzte ſo geſchwinde wieder hinun-
ter, als ſie heraufgekommen war. Die gute
Frau aber lief aus einem Zimmer in das andere,
und das Gemach, worinn wir waren, wechſels-
weiſe auf und nieder, ohne Abſicht oder Endzweck.
Sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/236>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.