zwar viele Edelgesteine von hohem Werthe, aber bey meiner Seele, es kann nichts so schätzbares hierher gebracht werden, als die gegenwärtige Schöne. Jch konnte das Schwören nicht lassen - - Gewohnheit ist ein verfluchtes Ding, Bruder!
Sie ward bestürzt und sahe mich mit Schre- cken an. Weil mein Compliment die Wahrheit war und mir von Herzen ging: so hatte es, so viel ich weiß, die Verstellung aufgehoben, die ich bey meiner Aussprache zu beobachten suchte.
Jch sahe, daß ich mich unmöglich länger vor ihr verbergen konnte: eben so wenig, als ich vor den heftigen Trieben meiner Neigung umhin konnte, daß ich mich nicht entdecken sollte. Jch knöpfte also meinen Kragen auf, ich zog meinen niedergeschlagenen liederlichen Hut ab, ich riß meinen großen Mantelrock auf, und, wie der Teufel in Miltons Gedichte, ob es gleich eine wunderliche Vergleichung ist,
Auf einmal ließ ich mich in göttlicher Gestalt Jn eigner Bildung sehn. O himmlische Gewalt Von ihrer Augen Strahl! der noch weit stär- ker rühret, Als jener Spieß, den dort Jthuriel geführet.
Nun, Belford, möchte ich nur ein Gleichniß wissen - Nun möchte ich etwas ähnliches wis- sen, wodurch ich dieß zum Erstaunen rührende Schauspiel und die Wirkung desselben über mei- nen reizenden Engel und die gute Frau, erläu-
tern
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zwar viele Edelgeſteine von hohem Werthe, aber bey meiner Seele, es kann nichts ſo ſchaͤtzbares hierher gebracht werden, als die gegenwaͤrtige Schoͤne. Jch konnte das Schwoͤren nicht laſſen ‒ ‒ Gewohnheit iſt ein verfluchtes Ding, Bruder!
Sie ward beſtuͤrzt und ſahe mich mit Schre- cken an. Weil mein Compliment die Wahrheit war und mir von Herzen ging: ſo hatte es, ſo viel ich weiß, die Verſtellung aufgehoben, die ich bey meiner Ausſprache zu beobachten ſuchte.
Jch ſahe, daß ich mich unmoͤglich laͤnger vor ihr verbergen konnte: eben ſo wenig, als ich vor den heftigen Trieben meiner Neigung umhin konnte, daß ich mich nicht entdecken ſollte. Jch knoͤpfte alſo meinen Kragen auf, ich zog meinen niedergeſchlagenen liederlichen Hut ab, ich riß meinen großen Mantelrock auf, und, wie der Teufel in Miltons Gedichte, ob es gleich eine wunderliche Vergleichung iſt,
Auf einmal ließ ich mich in goͤttlicher Geſtalt Jn eigner Bildung ſehn. O himmliſche Gewalt Von ihrer Augen Strahl! der noch weit ſtaͤr- ker ruͤhret, Als jener Spieß, den dort Jthuriel gefuͤhret.
Nun, Belford, moͤchte ich nur ein Gleichniß wiſſen ‒ Nun moͤchte ich etwas aͤhnliches wiſ- ſen, wodurch ich dieß zum Erſtaunen ruͤhrende Schauſpiel und die Wirkung deſſelben uͤber mei- nen reizenden Engel und die gute Frau, erlaͤu-
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zwar viele Edelgeſteine von hohem Werthe, aber
bey meiner Seele, es kann nichts ſo ſchaͤtzbares
hierher gebracht werden, als die gegenwaͤrtige
Schoͤne. Jch konnte das Schwoͤren nicht laſſen
‒ ‒ Gewohnheit iſt ein verfluchtes Ding,
Bruder!
Sie ward beſtuͤrzt und ſahe mich mit Schre-
cken an. Weil mein Compliment die Wahrheit
war und mir von Herzen ging: ſo hatte es, ſo
viel ich weiß, die Verſtellung aufgehoben, die ich
bey meiner Ausſprache zu beobachten ſuchte.
Jch ſahe, daß ich mich unmoͤglich laͤnger vor
ihr verbergen konnte: eben ſo wenig, als ich vor
den heftigen Trieben meiner Neigung umhin
konnte, daß ich mich nicht entdecken ſollte. Jch
knoͤpfte alſo meinen Kragen auf, ich zog meinen
niedergeſchlagenen liederlichen Hut ab, ich riß
meinen großen Mantelrock auf, und, wie der
Teufel in Miltons Gedichte, ob es gleich eine
wunderliche Vergleichung iſt,
Auf einmal ließ ich mich in goͤttlicher Geſtalt
Jn eigner Bildung ſehn. O himmliſche Gewalt
Von ihrer Augen Strahl! der noch weit ſtaͤr-
ker ruͤhret,
Als jener Spieß, den dort Jthuriel gefuͤhret.
Nun, Belford, moͤchte ich nur ein Gleichniß
wiſſen ‒ Nun moͤchte ich etwas aͤhnliches wiſ-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/235>, abgerufen am 26.11.2024.
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