So hat sie vielleicht, wie ich, mit ältlichen Leuten am liebsten zu thun. Allein sie mag wohl von jüngerern etwas gelitten haben.
Jch bilde mir ein, mein Herr, daß es so ist, oder daß sie es befürchtet. Sie verlanget, sehr geheim und verborgen zu bleiben, und will, daß wir sie verleugnen sollen, wenn jemand mit Be- schreibung ihrer Person Nachfrage um sie thut.
Du hast Recht, meine gute Frau Moore, dachte ich bey mir selbst.
Ey Schade! - - Schade! - - Was mag ihr denn begegnet seyn, ich bitte sie?
Sie hält ihre Begebenheiten sehr geheim. Soll ich ihnen aber meine Gedanken sagen: so glaube ich, daß es auf die Liebe hinauskommt. Sie weint beständig, und fragt nicht viel nach Gesellschaft.
Gewiß, Madame, es schickt sich nicht für mich Frauenzimmer-Geheimnisse auszuforschen. Jch brauche nicht, mich um anderer Leute Sachen zu bekümmern. Aber, ich bitte sie, womit bringt sie ihre Zeit hin? - - Jedoch sie ist erst gestern zu ihnen gekommen: und so können sie das wohl nicht sagen.
Sie schreibt beständig, mein Herr.
Solche Weibsleute, Bruder, geben gar nicht darauf, daß sie etwas nicht wissen sollten, wenn man sie ausfragt.
Jn Wahrheit, Madame, ich bin nichts we- niger, als neubegierig. Allein wenn ihre Sache verwickelt und nicht bloß Liebe ist: so wollte ich
ihr,
So hat ſie vielleicht, wie ich, mit aͤltlichen Leuten am liebſten zu thun. Allein ſie mag wohl von juͤngerern etwas gelitten haben.
Jch bilde mir ein, mein Herr, daß es ſo iſt, oder daß ſie es befuͤrchtet. Sie verlanget, ſehr geheim und verborgen zu bleiben, und will, daß wir ſie verleugnen ſollen, wenn jemand mit Be- ſchreibung ihrer Perſon Nachfrage um ſie thut.
Du haſt Recht, meine gute Frau Moore, dachte ich bey mir ſelbſt.
Ey Schade! ‒ ‒ Schade! ‒ ‒ Was mag ihr denn begegnet ſeyn, ich bitte ſie?
Sie haͤlt ihre Begebenheiten ſehr geheim. Soll ich ihnen aber meine Gedanken ſagen: ſo glaube ich, daß es auf die Liebe hinauskommt. Sie weint beſtaͤndig, und fragt nicht viel nach Geſellſchaft.
Gewiß, Madame, es ſchickt ſich nicht fuͤr mich Frauenzimmer-Geheimniſſe auszuforſchen. Jch brauche nicht, mich um anderer Leute Sachen zu bekuͤmmern. Aber, ich bitte ſie, womit bringt ſie ihre Zeit hin? ‒ ‒ Jedoch ſie iſt erſt geſtern zu ihnen gekommen: und ſo koͤnnen ſie das wohl nicht ſagen.
Sie ſchreibt beſtaͤndig, mein Herr.
Solche Weibsleute, Bruder, geben gar nicht darauf, daß ſie etwas nicht wiſſen ſollten, wenn man ſie ausfragt.
Jn Wahrheit, Madame, ich bin nichts we- niger, als neubegierig. Allein wenn ihre Sache verwickelt und nicht bloß Liebe iſt: ſo wollte ich
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So hat ſie vielleicht, wie ich, mit aͤltlichen
Leuten am liebſten zu thun. Allein ſie mag wohl
von juͤngerern etwas gelitten haben.
Jch bilde mir ein, mein Herr, daß es ſo iſt,
oder daß ſie es befuͤrchtet. Sie verlanget, ſehr
geheim und verborgen zu bleiben, und will, daß
wir ſie verleugnen ſollen, wenn jemand mit Be-
ſchreibung ihrer Perſon Nachfrage um ſie thut.
Du haſt Recht, meine gute Frau Moore,
dachte ich bey mir ſelbſt.
Ey Schade! ‒ ‒ Schade! ‒ ‒ Was mag
ihr denn begegnet ſeyn, ich bitte ſie?
Sie haͤlt ihre Begebenheiten ſehr geheim.
Soll ich ihnen aber meine Gedanken ſagen: ſo
glaube ich, daß es auf die Liebe hinauskommt.
Sie weint beſtaͤndig, und fragt nicht viel nach
Geſellſchaft.
Gewiß, Madame, es ſchickt ſich nicht fuͤr
mich Frauenzimmer-Geheimniſſe auszuforſchen.
Jch brauche nicht, mich um anderer Leute Sachen
zu bekuͤmmern. Aber, ich bitte ſie, womit bringt
ſie ihre Zeit hin? ‒ ‒ Jedoch ſie iſt erſt geſtern
zu ihnen gekommen: und ſo koͤnnen ſie das wohl
nicht ſagen.
Sie ſchreibt beſtaͤndig, mein Herr.
Solche Weibsleute, Bruder, geben gar nicht
darauf, daß ſie etwas nicht wiſſen ſollten, wenn
man ſie ausfragt.
Jn Wahrheit, Madame, ich bin nichts we-
niger, als neubegierig. Allein wenn ihre Sache
verwickelt und nicht bloß Liebe iſt: ſo wollte ich
ihr,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/228>, abgerufen am 26.11.2024.
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