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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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Gnaden liebet. Es wäre aber etwas seltsames,
wenn sie das nicht thäte.

Das ist alle meine Hoffnung.

Sie ist eine so schöne Person, als ich jemals
gesehen habe. Jch hoffe, gnädiger Herr, sie wer-
den nicht zu strenge seyn. Alle diese Grillen
werden vorübergehen: wenn sie nur erst einmal
Mamma ist; ich bin Bürge dafür.

Jch kann gegen sie nicht strenge seyn: das
weiß sie. Den Augenblick, wenn ich sie sehe, hat
aller Zorn bey mir ein Ende: sie darf mir nur
einen freundlichen Blick geben.

Alle diese Zeit über zog ich meinen Reuter-
rock an, und Wilhelm steckte die Knoten von
meiner Perucke ein, und knöpfte den Kragen über
meinem Kinne zu.

Jch forderte von der Wirthinn ein wenig
Puder. Sie brachte mir eine Puderbüchse, und
ich schüttelte den Püster leise über meinen Hut.
Die eine Seite desselben schlug ich nieder. Je-
doch sahe die Tresse etwas zu gut für meine Klei-
dung aus. Jnzwischen zog ich ihn über die Au-
gen, und frug: was meynt sie, Frau Wirthinn,
wird man mich wohl kennen?

Jhro Gnaden sind so erfahren! - - Jch
wünsche, menn ich so frey seyn darf, daß die gnä-
dige Frau nicht Ursache habe, eifersüchtig zu seyn.
Es wird unmöglich seyn, wo sie ihr besetztes Kleid
nur verdeckt halten, daß jemand sie in dem Auf-
zuge für eben den Cavallier kennen sollte - wo-

fern
Fünfter Theil. O



Gnaden liebet. Es waͤre aber etwas ſeltſames,
wenn ſie das nicht thaͤte.

Das iſt alle meine Hoffnung.

Sie iſt eine ſo ſchoͤne Perſon, als ich jemals
geſehen habe. Jch hoffe, gnaͤdiger Herr, ſie wer-
den nicht zu ſtrenge ſeyn. Alle dieſe Grillen
werden voruͤbergehen: wenn ſie nur erſt einmal
Mamma iſt; ich bin Buͤrge dafuͤr.

Jch kann gegen ſie nicht ſtrenge ſeyn: das
weiß ſie. Den Augenblick, wenn ich ſie ſehe, hat
aller Zorn bey mir ein Ende: ſie darf mir nur
einen freundlichen Blick geben.

Alle dieſe Zeit uͤber zog ich meinen Reuter-
rock an, und Wilhelm ſteckte die Knoten von
meiner Perucke ein, und knoͤpfte den Kragen uͤber
meinem Kinne zu.

Jch forderte von der Wirthinn ein wenig
Puder. Sie brachte mir eine Puderbuͤchſe, und
ich ſchuͤttelte den Puͤſter leiſe uͤber meinen Hut.
Die eine Seite deſſelben ſchlug ich nieder. Je-
doch ſahe die Treſſe etwas zu gut fuͤr meine Klei-
dung aus. Jnzwiſchen zog ich ihn uͤber die Au-
gen, und frug: was meynt ſie, Frau Wirthinn,
wird man mich wohl kennen?

Jhro Gnaden ſind ſo erfahren! ‒ ‒ Jch
wuͤnſche, menn ich ſo frey ſeyn darf, daß die gnaͤ-
dige Frau nicht Urſache habe, eiferſuͤchtig zu ſeyn.
Es wird unmoͤglich ſeyn, wo ſie ihr beſetztes Kleid
nur verdeckt halten, daß jemand ſie in dem Auf-
zuge fuͤr eben den Cavallier kennen ſollte ‒ wo-

fern
Fuͤnfter Theil. O
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[209/0215] Gnaden liebet. Es waͤre aber etwas ſeltſames, wenn ſie das nicht thaͤte. Das iſt alle meine Hoffnung. Sie iſt eine ſo ſchoͤne Perſon, als ich jemals geſehen habe. Jch hoffe, gnaͤdiger Herr, ſie wer- den nicht zu ſtrenge ſeyn. Alle dieſe Grillen werden voruͤbergehen: wenn ſie nur erſt einmal Mamma iſt; ich bin Buͤrge dafuͤr. Jch kann gegen ſie nicht ſtrenge ſeyn: das weiß ſie. Den Augenblick, wenn ich ſie ſehe, hat aller Zorn bey mir ein Ende: ſie darf mir nur einen freundlichen Blick geben. Alle dieſe Zeit uͤber zog ich meinen Reuter- rock an, und Wilhelm ſteckte die Knoten von meiner Perucke ein, und knoͤpfte den Kragen uͤber meinem Kinne zu. Jch forderte von der Wirthinn ein wenig Puder. Sie brachte mir eine Puderbuͤchſe, und ich ſchuͤttelte den Puͤſter leiſe uͤber meinen Hut. Die eine Seite deſſelben ſchlug ich nieder. Je- doch ſahe die Treſſe etwas zu gut fuͤr meine Klei- dung aus. Jnzwiſchen zog ich ihn uͤber die Au- gen, und frug: was meynt ſie, Frau Wirthinn, wird man mich wohl kennen? Jhro Gnaden ſind ſo erfahren! ‒ ‒ Jch wuͤnſche, menn ich ſo frey ſeyn darf, daß die gnaͤ- dige Frau nicht Urſache habe, eiferſuͤchtig zu ſeyn. Es wird unmoͤglich ſeyn, wo ſie ihr beſetztes Kleid nur verdeckt halten, daß jemand ſie in dem Auf- zuge fuͤr eben den Cavallier kennen ſollte ‒ wo- fern Fuͤnfter Theil. O

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/215>, abgerufen am 17.05.2024.