"ge bleiben würde. Darauf schrieb er seinen "Brief an mich und überschickte ihn durch den gu- "ten Peter Partrick: wie du schon gehöret hast.
"Da meine Person und Kleidung bey mei- "ner Ankunft mit Wilhelms Beschreibung über- "eingekommen war: so hätten mich die Leute "bald angebetet. Jch seufzete bisweilen: bis- "weilen aber nahm ich ein heiteres Gesicht an; "welches jedoch meiner Absicht nach mehr von "einer übelverheelten Unruhe, als von einer wirk- "lichen Zufriedenheit zeugen sollte. Sie sagten "zu Wilhelm, es wäre tausend Schade, daß ein "so schönes Frauenzimmer solche wunderliche "Einfälle hätte, und setzten hinzu, sie könnte sich "dadurch in große Gefahr stürzen: denn es wä- "ren allenthalben liederliche Kerl; Lovelacen "an allen Ecken und Orten, Bruder! Und "selbst um den Flecken herum gäbe es manche, "die alles versuchen würden, damit sie nur in ih- "re Gesellschaft kämen. Sollten sie auch nichts "vermögen: so könnten sie doch ihrem guten Na- "men schaden, und mit der Zeit die Liebe eines so "artigen Herrn von ihr abwendig machen.
Gute mitleidige Leute! Nicht wahr, Bruder?
Herr Wirth, nur ein Wort. Mein Bedien- ter, finde ich, hat schon die Ursache, warum ich hierher komme, zu verstehen gegeben. Eine un- glückliche Sache, Herr Wirth! Eine recht un- glückliche Sache! Aber bey dem allen ist niemals ein tugendhafteres Frauenzimmer gewesen.
Das
„ge bleiben wuͤrde. Darauf ſchrieb er ſeinen „Brief an mich und uͤberſchickte ihn durch den gu- „ten Peter Partrick: wie du ſchon gehoͤret haſt.
„Da meine Perſon und Kleidung bey mei- „ner Ankunft mit Wilhelms Beſchreibung uͤber- „eingekommen war: ſo haͤtten mich die Leute „bald angebetet. Jch ſeufzete bisweilen: bis- „weilen aber nahm ich ein heiteres Geſicht an; „welches jedoch meiner Abſicht nach mehr von „einer uͤbelverheelten Unruhe, als von einer wirk- „lichen Zufriedenheit zeugen ſollte. Sie ſagten „zu Wilhelm, es waͤre tauſend Schade, daß ein „ſo ſchoͤnes Frauenzimmer ſolche wunderliche „Einfaͤlle haͤtte, und ſetzten hinzu, ſie koͤnnte ſich „dadurch in große Gefahr ſtuͤrzen: denn es waͤ- „ren allenthalben liederliche Kerl; Lovelacen „an allen Ecken und Orten, Bruder! Und „ſelbſt um den Flecken herum gaͤbe es manche, „die alles verſuchen wuͤrden, damit ſie nur in ih- „re Geſellſchaft kaͤmen. Sollten ſie auch nichts „vermoͤgen: ſo koͤnnten ſie doch ihrem guten Na- „men ſchaden, und mit der Zeit die Liebe eines ſo „artigen Herrn von ihr abwendig machen.
Gute mitleidige Leute! Nicht wahr, Bruder?
Herr Wirth, nur ein Wort. Mein Bedien- ter, finde ich, hat ſchon die Urſache, warum ich hierher komme, zu verſtehen gegeben. Eine un- gluͤckliche Sache, Herr Wirth! Eine recht un- gluͤckliche Sache! Aber bey dem allen iſt niemals ein tugendhafteres Frauenzimmer geweſen.
Das
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[206/0212]
„ge bleiben wuͤrde. Darauf ſchrieb er ſeinen
„Brief an mich und uͤberſchickte ihn durch den gu-
„ten Peter Partrick: wie du ſchon gehoͤret haſt.
„Da meine Perſon und Kleidung bey mei-
„ner Ankunft mit Wilhelms Beſchreibung uͤber-
„eingekommen war: ſo haͤtten mich die Leute
„bald angebetet. Jch ſeufzete bisweilen: bis-
„weilen aber nahm ich ein heiteres Geſicht an;
„welches jedoch meiner Abſicht nach mehr von
„einer uͤbelverheelten Unruhe, als von einer wirk-
„lichen Zufriedenheit zeugen ſollte. Sie ſagten
„zu Wilhelm, es waͤre tauſend Schade, daß ein
„ſo ſchoͤnes Frauenzimmer ſolche wunderliche
„Einfaͤlle haͤtte, und ſetzten hinzu, ſie koͤnnte ſich
„dadurch in große Gefahr ſtuͤrzen: denn es waͤ-
„ren allenthalben liederliche Kerl; Lovelacen
„an allen Ecken und Orten, Bruder! Und
„ſelbſt um den Flecken herum gaͤbe es manche,
„die alles verſuchen wuͤrden, damit ſie nur in ih-
„re Geſellſchaft kaͤmen. Sollten ſie auch nichts
„vermoͤgen: ſo koͤnnten ſie doch ihrem guten Na-
„men ſchaden, und mit der Zeit die Liebe eines ſo
„artigen Herrn von ihr abwendig machen.
Gute mitleidige Leute! Nicht wahr, Bruder?
Herr Wirth, nur ein Wort. Mein Bedien-
ter, finde ich, hat ſchon die Urſache, warum ich
hierher komme, zu verſtehen gegeben. Eine un-
gluͤckliche Sache, Herr Wirth! Eine recht un-
gluͤckliche Sache! Aber bey dem allen iſt niemals
ein tugendhafteres Frauenzimmer geweſen.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/212>, abgerufen am 12.12.2024.
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