Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



"Nein: sie könnte nicht essen. - - Sie hätten
"gute Zwieback. - Wie ihr beliebte. - Die
"Frau gieng hinaus, ein paar hereinzuhohlen,
"und da sie den Augenblick wiederkam, merkte
"sie, daß die flüchtig gewordene Schöne Mühe
"hatte, einem heftigen Ausbruche der Traurigkeit,
"welcher sie in der kleinen Zwischenzeit den freyen
"Lauf gelassen hatte, Einhalt zu thun.

"Jedoch als der Thee kam, bat sie die Wir-
"thinn, sich bey ihr zu setzen und that sehr viele
"Fragen in Ansehung der Dörfer und Schiffree-
"den in der Nachbarschaft.

"Die gute Frau gab ihr zu verstehen, daß
"sie innerlich betrübt schiene.

"Zarte Gemüther, antwortete sie, könnten
"sich nicht ohne Kummer von werthen Freun-
"den trennen. Sie meynte mich, sonder
"Zweifel.

"Sie erkundigte sich gar nicht nach einem
"Wohnzimmer: ob du gleich aus dem Erfolge
"sehen wirst, daß sie gesonnen schien, den Abend
"nicht weiter, als Hampstead, zu gehen. Nach-
"dem sie zwey Köpfchen getrunken und eine Zwie-
"back in ihre Tasche gesteckt hatte; vielleicht ihr
"statt der Abendmahlzeit zu dienen, - das liebe
"Kind -: so legte sie eine halbe Krone hin, und
"wollte nichts wieder heraus haben. Sie seuf-
"zete, nahm Abschied, und sagte, sie wollte nach
"Hendon zu gehen. Wie weit es bis dahin wä-
"re, war schon vorher eine von ihren Fragen ge-
"wesen.

"Man



„Nein: ſie koͤnnte nicht eſſen. ‒ ‒ Sie haͤtten
„gute Zwieback. ‒ Wie ihr beliebte. ‒ Die
„Frau gieng hinaus, ein paar hereinzuhohlen,
„und da ſie den Augenblick wiederkam, merkte
„ſie, daß die fluͤchtig gewordene Schoͤne Muͤhe
„hatte, einem heftigen Ausbruche der Traurigkeit,
„welcher ſie in der kleinen Zwiſchenzeit den freyen
„Lauf gelaſſen hatte, Einhalt zu thun.

„Jedoch als der Thee kam, bat ſie die Wir-
„thinn, ſich bey ihr zu ſetzen und that ſehr viele
„Fragen in Anſehung der Doͤrfer und Schiffree-
„den in der Nachbarſchaft.

„Die gute Frau gab ihr zu verſtehen, daß
ſie innerlich betruͤbt ſchiene.

„Zarte Gemuͤther, antwortete ſie, koͤnnten
„ſich nicht ohne Kummer von werthen Freun-
„den trennen. Sie meynte mich, ſonder
„Zweifel.

„Sie erkundigte ſich gar nicht nach einem
„Wohnzimmer: ob du gleich aus dem Erfolge
„ſehen wirſt, daß ſie geſonnen ſchien, den Abend
„nicht weiter, als Hampſtead, zu gehen. Nach-
„dem ſie zwey Koͤpfchen getrunken und eine Zwie-
„back in ihre Taſche geſteckt hatte; vielleicht ihr
„ſtatt der Abendmahlzeit zu dienen, ‒ das liebe
„Kind ‒: ſo legte ſie eine halbe Krone hin, und
„wollte nichts wieder heraus haben. Sie ſeuf-
„zete, nahm Abſchied, und ſagte, ſie wollte nach
„Hendon zu gehen. Wie weit es bis dahin waͤ-
„re, war ſchon vorher eine von ihren Fragen ge-
„weſen.

„Man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0204" n="198"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201E;Nein: &#x017F;ie ko&#x0364;nnte nicht e&#x017F;&#x017F;en. &#x2012; &#x2012; Sie ha&#x0364;tten<lb/>
&#x201E;gute Zwieback. &#x2012; Wie ihr beliebte. &#x2012; Die<lb/>
&#x201E;Frau gieng hinaus, ein paar hereinzuhohlen,<lb/>
&#x201E;und da &#x017F;ie den Augenblick wiederkam, merkte<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie, daß die flu&#x0364;chtig gewordene Scho&#x0364;ne Mu&#x0364;he<lb/>
&#x201E;hatte, einem heftigen Ausbruche der Traurigkeit,<lb/>
&#x201E;welcher &#x017F;ie in der kleinen Zwi&#x017F;chenzeit den freyen<lb/>
&#x201E;Lauf gela&#x017F;&#x017F;en hatte, Einhalt zu thun.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jedoch als der Thee kam, bat &#x017F;ie die Wir-<lb/>
&#x201E;thinn, &#x017F;ich bey ihr zu &#x017F;etzen und that &#x017F;ehr viele<lb/>
&#x201E;Fragen in An&#x017F;ehung der Do&#x0364;rfer und Schiffree-<lb/>
&#x201E;den in der Nachbar&#x017F;chaft.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die gute Frau gab ihr zu ver&#x017F;tehen, daß<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr">&#x017F;ie innerlich betru&#x0364;bt &#x017F;chiene.</hi></p><lb/>
          <p>&#x201E;Zarte Gemu&#x0364;ther, antwortete &#x017F;ie, ko&#x0364;nnten<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich nicht ohne Kummer von <hi rendition="#fr">werthen</hi> Freun-<lb/>
&#x201E;den trennen. Sie meynte <hi rendition="#fr">mich,</hi> &#x017F;onder<lb/>
&#x201E;Zweifel.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sie erkundigte &#x017F;ich gar nicht nach einem<lb/>
&#x201E;Wohnzimmer: ob du gleich aus dem Erfolge<lb/>
&#x201E;&#x017F;ehen wir&#x017F;t, daß &#x017F;ie ge&#x017F;onnen &#x017F;chien, den Abend<lb/>
&#x201E;nicht weiter, als Hamp&#x017F;tead, zu gehen. Nach-<lb/>
&#x201E;dem &#x017F;ie zwey Ko&#x0364;pfchen getrunken und eine Zwie-<lb/>
&#x201E;back in ihre Ta&#x017F;che ge&#x017F;teckt hatte; vielleicht ihr<lb/>
&#x201E;&#x017F;tatt der Abendmahlzeit zu dienen, &#x2012; das liebe<lb/>
&#x201E;Kind &#x2012;: &#x017F;o legte &#x017F;ie eine halbe Krone hin, und<lb/>
&#x201E;wollte nichts wieder heraus haben. Sie &#x017F;euf-<lb/>
&#x201E;zete, nahm Ab&#x017F;chied, und &#x017F;agte, &#x017F;ie wollte nach<lb/>
&#x201E;Hendon zu gehen. Wie weit es bis dahin wa&#x0364;-<lb/>
&#x201E;re, war &#x017F;chon vorher eine von ihren Fragen ge-<lb/>
&#x201E;we&#x017F;en.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Man</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0204] „Nein: ſie koͤnnte nicht eſſen. ‒ ‒ Sie haͤtten „gute Zwieback. ‒ Wie ihr beliebte. ‒ Die „Frau gieng hinaus, ein paar hereinzuhohlen, „und da ſie den Augenblick wiederkam, merkte „ſie, daß die fluͤchtig gewordene Schoͤne Muͤhe „hatte, einem heftigen Ausbruche der Traurigkeit, „welcher ſie in der kleinen Zwiſchenzeit den freyen „Lauf gelaſſen hatte, Einhalt zu thun. „Jedoch als der Thee kam, bat ſie die Wir- „thinn, ſich bey ihr zu ſetzen und that ſehr viele „Fragen in Anſehung der Doͤrfer und Schiffree- „den in der Nachbarſchaft. „Die gute Frau gab ihr zu verſtehen, daß „ſie innerlich betruͤbt ſchiene. „Zarte Gemuͤther, antwortete ſie, koͤnnten „ſich nicht ohne Kummer von werthen Freun- „den trennen. Sie meynte mich, ſonder „Zweifel. „Sie erkundigte ſich gar nicht nach einem „Wohnzimmer: ob du gleich aus dem Erfolge „ſehen wirſt, daß ſie geſonnen ſchien, den Abend „nicht weiter, als Hampſtead, zu gehen. Nach- „dem ſie zwey Koͤpfchen getrunken und eine Zwie- „back in ihre Taſche geſteckt hatte; vielleicht ihr „ſtatt der Abendmahlzeit zu dienen, ‒ das liebe „Kind ‒: ſo legte ſie eine halbe Krone hin, und „wollte nichts wieder heraus haben. Sie ſeuf- „zete, nahm Abſchied, und ſagte, ſie wollte nach „Hendon zu gehen. Wie weit es bis dahin waͤ- „re, war ſchon vorher eine von ihren Fragen ge- „weſen. „Man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/204
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/204>, abgerufen am 17.05.2024.