Jch schreibe vielleicht allzu heftig, um nicht* dunkel zu seyn. Aber ich kann mir nicht helfen. Jndessen lege ich doch alle zehn Minuten die Fe- der weg und nehme sie hernach wieder: weil ich gern etwas gelinder schreiben will - - Dazu läuft meine Mutter bey mir ein und aus - - Sie fragt mich, was ich nöthig habe, mich zu verschließen, wenn ich bloß die vordem gewechsel- ten Briefe lese? - - Denn das ist der Vorwand, den ich brauche, wenn sie hereinkommt und mit ihrem von einer mehr qäulenden als vergnügen- den Neubegierde scharfgeschliffenen Gesichte, wie ich sagen mag, alles durchsuchet. - - Gott ver- gebe es mir: aber ich glaube, ich werde sie das erste mal, das sie wieder kommt, hart anfahren.
Vergeben sie mir auch, meine Allerliebste. Meine Mutter muß es wohl thun, weil sie sagt, daß ich meines Vaters Tochter bin, und ich ge- wiß weiß, daß ich ihre bin. Jch weiß nicht, was* ich thun soll. Jch weiß nicht, was ich zuerst schreiben soll. Jch habe so viel zu schreiben und doch so wenig Geduld und so wenig Zeit und Ru- he dazu.
Aber ich will Jhnen schreiben, wie ich zu mei- ner Kundschaft gekommen bin.
Da dieß eine geschehene Begebenheit ist* und desto weniger Ausmerksamkeit erfordert: so
will
Jch ſchreibe vielleicht allzu heftig, um nicht* dunkel zu ſeyn. Aber ich kann mir nicht helfen. Jndeſſen lege ich doch alle zehn Minuten die Fe- der weg und nehme ſie hernach wieder: weil ich gern etwas gelinder ſchreiben will ‒ ‒ Dazu laͤuft meine Mutter bey mir ein und aus ‒ ‒ Sie fragt mich, was ich noͤthig habe, mich zu verſchließen, wenn ich bloß die vordem gewechſel- ten Briefe leſe? ‒ ‒ Denn das iſt der Vorwand, den ich brauche, wenn ſie hereinkommt und mit ihrem von einer mehr qaͤulenden als vergnuͤgen- den Neubegierde ſcharfgeſchliffenen Geſichte, wie ich ſagen mag, alles durchſuchet. ‒ ‒ Gott ver- gebe es mir: aber ich glaube, ich werde ſie das erſte mal, das ſie wieder kommt, hart anfahren.
Vergeben ſie mir auch, meine Allerliebſte. Meine Mutter muß es wohl thun, weil ſie ſagt, daß ich meines Vaters Tochter bin, und ich ge- wiß weiß, daß ich ihre bin. Jch weiß nicht, was* ich thun ſoll. Jch weiß nicht, was ich zuerſt ſchreiben ſoll. Jch habe ſo viel zu ſchreiben und doch ſo wenig Geduld und ſo wenig Zeit und Ru- he dazu.
Aber ich will Jhnen ſchreiben, wie ich zu mei- ner Kundſchaft gekommen bin.
Da dieß eine geſchehene Begebenheit iſt* und deſto weniger Auſmerkſamkeit erfordert: ſo
will
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Jch ſchreibe vielleicht allzu heftig, um nicht
dunkel zu ſeyn. Aber ich kann mir nicht helfen.
Jndeſſen lege ich doch alle zehn Minuten die Fe-
der weg und nehme ſie hernach wieder: weil ich
gern etwas gelinder ſchreiben will ‒ ‒ Dazu
laͤuft meine Mutter bey mir ein und aus ‒ ‒
Sie fragt mich, was ich noͤthig habe, mich zu
verſchließen, wenn ich bloß die vordem gewechſel-
ten Briefe leſe? ‒ ‒ Denn das iſt der Vorwand,
den ich brauche, wenn ſie hereinkommt und mit
ihrem von einer mehr qaͤulenden als vergnuͤgen-
den Neubegierde ſcharfgeſchliffenen Geſichte, wie
ich ſagen mag, alles durchſuchet. ‒ ‒ Gott ver-
gebe es mir: aber ich glaube, ich werde ſie das
erſte mal, das ſie wieder kommt, hart anfahren.
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Vergeben ſie mir auch, meine Allerliebſte.
Meine Mutter muß es wohl thun, weil ſie ſagt,
daß ich meines Vaters Tochter bin, und ich ge-
wiß weiß, daß ich ihre bin. Jch weiß nicht, was
ich thun ſoll. Jch weiß nicht, was ich zuerſt
ſchreiben ſoll. Jch habe ſo viel zu ſchreiben und
doch ſo wenig Geduld und ſo wenig Zeit und Ru-
he dazu.
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Aber ich will Jhnen ſchreiben, wie ich zu mei-
ner Kundſchaft gekommen bin.
Da dieß eine geſchehene Begebenheit iſt
und deſto weniger Auſmerkſamkeit erfordert: ſo
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/147>, abgerufen am 22.11.2024.
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