Jch bin ausnehmend unruhig, daß ich mich* wegen ihrer allzu großen Bedenklichkeit an der einen, und meiner Mutter strengen Befehl an der andern Seite, habe zufrieden sprechen lassen, ohne zu wissen, wie ich meine Briefe gerade an sie selbst zu ihrer Wohnung ablassen könnte. Jch denke so gar, daß der Vorschlag, mich zu einer Kundschaft durch die dritte Hand zu verweisen, oder vielmehr in eine Unwissenheit aus der er- sten Hand einzuhüllen, von ihm kam - - und sie ihn bloß, eben (*) wie ich, nur genehm hiel- ten, aus einem unnöthigen und geringen Beden- ken - - damit ich der Wahrheit gemäß sagen könnte, wenn man mich ausforschen wollte, daß ich nicht wüßte, wo man zu ihnen zu schicken hät- te - - Jch schäme mich vor mir selbst - - Wä- re dieß auch anfangs zu entschuldigen gewesen: so hat es doch nachher kein guter Grund seyn können, in der Thorheit fortzugehen; nachdem ihnen das Haus nicht gefiel, und er anfing, sie*
mit
(*) Siehe Th. III. S. 407 und 418, wo der Leser be- merken wird, daß der Vorschlag von ihr selbst kam, welches sie vermuchlich vergessen haben muß. Herr Lovelace gedachte desselben auch: wie man aus der Fräulein Harlowe Briefe S. 458 sehen kann. Clarissa hatte also einen gedoppelten Be- wegungsgrund, mit der vorgeschlagenen Art, den Briefwechsel zwischen Fräulein Howe und ihr durch Wilsons Hand und unter dem Namen Läti- tia Beaumont anzustellen, zufrieden zu seyn.
Jch bin ausnehmend unruhig, daß ich mich* wegen ihrer allzu großen Bedenklichkeit an der einen, und meiner Mutter ſtrengen Befehl an der andern Seite, habe zufrieden ſprechen laſſen, ohne zu wiſſen, wie ich meine Briefe gerade an ſie ſelbſt zu ihrer Wohnung ablaſſen koͤnnte. Jch denke ſo gar, daß der Vorſchlag, mich zu einer Kundſchaft durch die dritte Hand zu verweiſen, oder vielmehr in eine Unwiſſenheit aus der er- ſten Hand einzuhuͤllen, von ihm kam ‒ ‒ und ſie ihn bloß, eben (*) wie ich, nur genehm hiel- ten, aus einem unnoͤthigen und geringen Beden- ken ‒ ‒ damit ich der Wahrheit gemaͤß ſagen koͤnnte, wenn man mich ausforſchen wollte, daß ich nicht wuͤßte, wo man zu ihnen zu ſchicken haͤt- te ‒ ‒ Jch ſchaͤme mich vor mir ſelbſt ‒ ‒ Waͤ- re dieß auch anfangs zu entſchuldigen geweſen: ſo hat es doch nachher kein guter Grund ſeyn koͤnnen, in der Thorheit fortzugehen; nachdem ihnen das Haus nicht gefiel, und er anfing, ſie*
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(*) Siehe Th. III. S. 407 und 418, wo der Leſer be- merken wird, daß der Vorſchlag von ihr ſelbſt kam, welches ſie vermuchlich vergeſſen haben muß. Herr Lovelace gedachte deſſelben auch: wie man aus der Fraͤulein Harlowe Briefe S. 458 ſehen kann. Clariſſa hatte alſo einen gedoppelten Be- wegungsgrund, mit der vorgeſchlagenen Art, den Briefwechſel zwiſchen Fraͤulein Howe und ihr durch Wilſons Hand und unter dem Namen Laͤti- tia Beaumont anzuſtellen, zufrieden zu ſeyn.
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Jch bin ausnehmend unruhig, daß ich mich
wegen ihrer allzu großen Bedenklichkeit an der
einen, und meiner Mutter ſtrengen Befehl an
der andern Seite, habe zufrieden ſprechen laſſen,
ohne zu wiſſen, wie ich meine Briefe gerade an
ſie ſelbſt zu ihrer Wohnung ablaſſen koͤnnte. Jch
denke ſo gar, daß der Vorſchlag, mich zu einer
Kundſchaft durch die dritte Hand zu verweiſen,
oder vielmehr in eine Unwiſſenheit aus der er-
ſten Hand einzuhuͤllen, von ihm kam ‒ ‒ und
ſie ihn bloß, eben (*) wie ich, nur genehm hiel-
ten, aus einem unnoͤthigen und geringen Beden-
ken ‒ ‒ damit ich der Wahrheit gemaͤß ſagen
koͤnnte, wenn man mich ausforſchen wollte, daß
ich nicht wuͤßte, wo man zu ihnen zu ſchicken haͤt-
te ‒ ‒ Jch ſchaͤme mich vor mir ſelbſt ‒ ‒ Waͤ-
re dieß auch anfangs zu entſchuldigen geweſen:
ſo hat es doch nachher kein guter Grund ſeyn
koͤnnen, in der Thorheit fortzugehen; nachdem
ihnen das Haus nicht gefiel, und er anfing, ſie
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(*) Siehe Th. III. S. 407 und 418, wo der Leſer be-
merken wird, daß der Vorſchlag von ihr ſelbſt
kam, welches ſie vermuchlich vergeſſen haben muß.
Herr Lovelace gedachte deſſelben auch: wie man
aus der Fraͤulein Harlowe Briefe S. 458 ſehen
kann. Clariſſa hatte alſo einen gedoppelten Be-
wegungsgrund, mit der vorgeſchlagenen Art, den
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durch Wilſons Hand und unter dem Namen Laͤti-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/145>, abgerufen am 16.02.2025.
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