Jch wäre vielleicht noch bey dieser Entschlies- sung geblieben; da nach ihren Briefen alle An- zeigen immer mehr und mehr Hoffnung machten: wenn ich nicht in den beyden verwichnen Tagen eine Nachricht bekommen hätte, woran ihnen al- les gelegen ist.
Allein ich muß hier einhalten und ein wenig* herumgehen, zu versuchen, ob ich den gerechten Unwillen dämpfen kann, der mir die Feder füh- ren will, wenn ich im Begriffe bin, ihnen das zu erzählen, was ich ihnen nicht vorenthalten darf.
Jch habe nicht Gewalt genug über mich - Noch dazu stört mich meine Mutter - Sie geht beständig auf und nieder und bewacht mich, als wenn ich an einen liederlichen Kerl schriebe - - Jch will inzwischen versuchen, ob ich mich selbst* in leidlichen Schranken halten kann -
Die Weibsleute in dem Hause, wo sie sind - o meine Werthe - - die Weibsleute in dem Hause - - Jedoch sie haben niemals sonderlich von ihnen gedacht - - So darf die Verwunde- rung nicht so groß seyn - - Sie würden auch* wohl nicht so lange bey ihnen geblieben seyn: wenn nicht die Vorstellung, ein eignes Haus zu beziehen, gemacht hätte, daß sie weniger unruhig gewesen, und sich weniger um ihre Lebensart und Aufführung bekümmert haben. Dennoch möch-* te ich itzo wünschen, daß sie nicht so fremd mit
ihnen
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Jch waͤre vielleicht noch bey dieſer Entſchlieſ- ſung geblieben; da nach ihren Briefen alle An- zeigen immer mehr und mehr Hoffnung machten: wenn ich nicht in den beyden verwichnen Tagen eine Nachricht bekommen haͤtte, woran ihnen al- les gelegen iſt.
Allein ich muß hier einhalten und ein wenig* herumgehen, zu verſuchen, ob ich den gerechten Unwillen daͤmpfen kann, der mir die Feder fuͤh- ren will, wenn ich im Begriffe bin, ihnen das zu erzaͤhlen, was ich ihnen nicht vorenthalten darf.
Jch habe nicht Gewalt genug uͤber mich ‒ Noch dazu ſtoͤrt mich meine Mutter ‒ Sie geht beſtaͤndig auf und nieder und bewacht mich, als wenn ich an einen liederlichen Kerl ſchriebe ‒ ‒ Jch will inzwiſchen verſuchen, ob ich mich ſelbſt* in leidlichen Schranken halten kann ‒
Die Weibsleute in dem Hauſe, wo ſie ſind ‒ o meine Werthe ‒ ‒ die Weibsleute in dem Hauſe ‒ ‒ Jedoch ſie haben niemals ſonderlich von ihnen gedacht ‒ ‒ So darf die Verwunde- rung nicht ſo groß ſeyn ‒ ‒ Sie wuͤrden auch* wohl nicht ſo lange bey ihnen geblieben ſeyn: wenn nicht die Vorſtellung, ein eignes Haus zu beziehen, gemacht haͤtte, daß ſie weniger unruhig geweſen, und ſich weniger um ihre Lebensart und Auffuͤhrung bekuͤmmert haben. Dennoch moͤch-* te ich itzo wuͤnſchen, daß ſie nicht ſo fremd mit
ihnen
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Jch waͤre vielleicht noch bey dieſer Entſchlieſ-
ſung geblieben; da nach ihren Briefen alle An-
zeigen immer mehr und mehr Hoffnung machten:
wenn ich nicht in den beyden verwichnen Tagen
eine Nachricht bekommen haͤtte, woran ihnen al-
les gelegen iſt.
Allein ich muß hier einhalten und ein wenig
herumgehen, zu verſuchen, ob ich den gerechten
Unwillen daͤmpfen kann, der mir die Feder fuͤh-
ren will, wenn ich im Begriffe bin, ihnen das zu
erzaͤhlen, was ich ihnen nicht vorenthalten darf.
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Jch habe nicht Gewalt genug uͤber mich ‒
Noch dazu ſtoͤrt mich meine Mutter ‒ Sie geht
beſtaͤndig auf und nieder und bewacht mich, als
wenn ich an einen liederlichen Kerl ſchriebe ‒ ‒
Jch will inzwiſchen verſuchen, ob ich mich ſelbſt
in leidlichen Schranken halten kann ‒
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Die Weibsleute in dem Hauſe, wo ſie ſind ‒
o meine Werthe ‒ ‒ die Weibsleute in dem
Hauſe ‒ ‒ Jedoch ſie haben niemals ſonderlich
von ihnen gedacht ‒ ‒ So darf die Verwunde-
rung nicht ſo groß ſeyn ‒ ‒ Sie wuͤrden auch
wohl nicht ſo lange bey ihnen geblieben ſeyn:
wenn nicht die Vorſtellung, ein eignes Haus zu
beziehen, gemacht haͤtte, daß ſie weniger unruhig
geweſen, und ſich weniger um ihre Lebensart und
Auffuͤhrung bekuͤmmert haben. Dennoch moͤch-
te ich itzo wuͤnſchen, daß ſie nicht ſo fremd mit
ihnen
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/143>, abgerufen am 22.11.2024.
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