Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



"auf zog sie die beyden Fenster in die Höhe, und
"er verlohr die Kutsche in einer Minute aus dem
"Gesichte.

"So bald Wilhelm diese Nachricht hatte,
"eilte er fort, in Hoffnung sie auszuspüren, und
"erklärte sich, daß er niemals denken wollte mir
"vor Augen zu kommen, bis er einige Zeitung
"von seiner Fräulein gehöret hätte."

Nun, Bruder, beruhet alle meine Hoffnung
darauf, daß dieser listige Kerl, der auf unserer
Spatzierfarth nach Hampstead, Highgate, Muz-
zlehill, Kentsch-Town, bey uns gewesen, an einem
oder dem andern von diesen Oertern Nachricht
von ihr einziehen wird. Jch baue hierauf um
so viel mehr, weil ich mich besinne, daß sie sich
einmal, nachdem wir wieder zurück gekommen
waren, sehr genau nach den Stationen und ih-
ren Preisen erkundigte, da sie die Bequemlichkeit
der Reisenden alle Stunden fortzukommen rüh-
mete, und dieß in Wilhelms Gegenwart, der da-
mals die Aufwartung hatte. Wehe dem Buben,
wo er sich daran nicht erinnert.



Jch bin in ihrem Zimmer herumgegangen.
Bald bin ich in Gedanken gewesen, bald habe ich
alles, was sie nur zu berühren oder zu gebrau-
chen pflegte, in die Hände genommen. Den
Spiegel, wovor sie sich anzukleiden gewohnt war,
hätte ich bald zerschmissen: weil er mir das Bild,
welches er zurückzuwerfen pflegte, das Bild von

der-



„auf zog ſie die beyden Fenſter in die Hoͤhe, und
„er verlohr die Kutſche in einer Minute aus dem
„Geſichte.

„So bald Wilhelm dieſe Nachricht hatte,
„eilte er fort, in Hoffnung ſie auszuſpuͤren, und
„erklaͤrte ſich, daß er niemals denken wollte mir
„vor Augen zu kommen, bis er einige Zeitung
„von ſeiner Fraͤulein gehoͤret haͤtte.“

Nun, Bruder, beruhet alle meine Hoffnung
darauf, daß dieſer liſtige Kerl, der auf unſerer
Spatzierfarth nach Hampſtead, Highgate, Muz-
zlehill, Kentſch-Town, bey uns geweſen, an einem
oder dem andern von dieſen Oertern Nachricht
von ihr einziehen wird. Jch baue hierauf um
ſo viel mehr, weil ich mich beſinne, daß ſie ſich
einmal, nachdem wir wieder zuruͤck gekommen
waren, ſehr genau nach den Stationen und ih-
ren Preiſen erkundigte, da ſie die Bequemlichkeit
der Reiſenden alle Stunden fortzukommen ruͤh-
mete, und dieß in Wilhelms Gegenwart, der da-
mals die Aufwartung hatte. Wehe dem Buben,
wo er ſich daran nicht erinnert.



Jch bin in ihrem Zimmer herumgegangen.
Bald bin ich in Gedanken geweſen, bald habe ich
alles, was ſie nur zu beruͤhren oder zu gebrau-
chen pflegte, in die Haͤnde genommen. Den
Spiegel, wovor ſie ſich anzukleiden gewohnt war,
haͤtte ich bald zerſchmiſſen: weil er mir das Bild,
welches er zuruͤckzuwerfen pflegte, das Bild von

der-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0132" n="126"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201E;auf zog &#x017F;ie die beyden Fen&#x017F;ter in die Ho&#x0364;he, und<lb/>
&#x201E;er verlohr die Kut&#x017F;che in einer Minute aus dem<lb/>
&#x201E;Ge&#x017F;ichte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;So bald Wilhelm die&#x017F;e Nachricht hatte,<lb/>
&#x201E;eilte er fort, in Hoffnung &#x017F;ie auszu&#x017F;pu&#x0364;ren, und<lb/>
&#x201E;erkla&#x0364;rte &#x017F;ich, daß er niemals denken wollte mir<lb/>
&#x201E;vor Augen zu kommen, bis er einige Zeitung<lb/>
&#x201E;von &#x017F;einer Fra&#x0364;ulein geho&#x0364;ret ha&#x0364;tte.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Nun, Bruder, beruhet alle meine Hoffnung<lb/>
darauf, daß die&#x017F;er li&#x017F;tige Kerl, der auf un&#x017F;erer<lb/>
Spatzierfarth nach Hamp&#x017F;tead, Highgate, Muz-<lb/>
zlehill, Kent&#x017F;ch-Town, bey uns gewe&#x017F;en, an einem<lb/>
oder dem andern von die&#x017F;en Oertern Nachricht<lb/>
von ihr einziehen wird. Jch baue hierauf um<lb/>
&#x017F;o viel mehr, weil ich mich be&#x017F;inne, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
einmal, nachdem wir wieder zuru&#x0364;ck gekommen<lb/>
waren, &#x017F;ehr genau nach den Stationen und ih-<lb/>
ren Prei&#x017F;en erkundigte, da &#x017F;ie die Bequemlichkeit<lb/>
der Rei&#x017F;enden alle Stunden fortzukommen ru&#x0364;h-<lb/>
mete, und dieß in Wilhelms Gegenwart, der da-<lb/>
mals die Aufwartung hatte. Wehe dem Buben,<lb/>
wo er &#x017F;ich daran nicht erinnert.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jch bin in ihrem Zimmer herumgegangen.<lb/>
Bald bin ich in Gedanken gewe&#x017F;en, bald habe ich<lb/>
alles, was &#x017F;ie nur zu beru&#x0364;hren oder zu gebrau-<lb/>
chen pflegte, in die Ha&#x0364;nde genommen. Den<lb/>
Spiegel, wovor &#x017F;ie &#x017F;ich anzukleiden gewohnt war,<lb/>
ha&#x0364;tte ich bald zer&#x017F;chmi&#x017F;&#x017F;en: weil er mir das Bild,<lb/>
welches er zuru&#x0364;ckzuwerfen pflegte, das Bild von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0132] „auf zog ſie die beyden Fenſter in die Hoͤhe, und „er verlohr die Kutſche in einer Minute aus dem „Geſichte. „So bald Wilhelm dieſe Nachricht hatte, „eilte er fort, in Hoffnung ſie auszuſpuͤren, und „erklaͤrte ſich, daß er niemals denken wollte mir „vor Augen zu kommen, bis er einige Zeitung „von ſeiner Fraͤulein gehoͤret haͤtte.“ Nun, Bruder, beruhet alle meine Hoffnung darauf, daß dieſer liſtige Kerl, der auf unſerer Spatzierfarth nach Hampſtead, Highgate, Muz- zlehill, Kentſch-Town, bey uns geweſen, an einem oder dem andern von dieſen Oertern Nachricht von ihr einziehen wird. Jch baue hierauf um ſo viel mehr, weil ich mich beſinne, daß ſie ſich einmal, nachdem wir wieder zuruͤck gekommen waren, ſehr genau nach den Stationen und ih- ren Preiſen erkundigte, da ſie die Bequemlichkeit der Reiſenden alle Stunden fortzukommen ruͤh- mete, und dieß in Wilhelms Gegenwart, der da- mals die Aufwartung hatte. Wehe dem Buben, wo er ſich daran nicht erinnert. Jch bin in ihrem Zimmer herumgegangen. Bald bin ich in Gedanken geweſen, bald habe ich alles, was ſie nur zu beruͤhren oder zu gebrau- chen pflegte, in die Haͤnde genommen. Den Spiegel, wovor ſie ſich anzukleiden gewohnt war, haͤtte ich bald zerſchmiſſen: weil er mir das Bild, welches er zuruͤckzuwerfen pflegte, das Bild von der-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/132
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/132>, abgerufen am 17.05.2024.