Was für ein hülfloser Zustand! wenn man nichts mehr thun kann als sich und andere ver- fluchen; wenn die Gelegenheit zum Unmuth fort- dauret; wenn das Uebel bey genauerer Ueberle- gung größer wird; wenn selbst die Zeit sich mit dazu schickt, es ärger zu machen - - O wie fluch- te ich auf sie!
Jch habe sie, wie mich deucht, noch eben vor mir mit ihren aufgeblasenen Wangen - - Wie verhaßt macht der Kummer ein garstiges Ge- sicht! Deines, Bruder, und dieser alten Mutter ihres, müssen in trauriger Stellung, statt Mit- leiden zu erregen, den Haß immer mehr verstär- ken: da hingegen Schönheit in Thränen erhö- hete Schönheit ist, und das, was mein Herz alle- zeit zu sehen Vergnügen gefunden hat. - -
Was für Entschuldigung! - Der Henker hohle euch und eure verfluchten Töchter! Was für Entschuldigung könnt ihr haben! Jst sie nicht fort? Jst sie nicht entwischt? - - Aber ehe ich ganz außer mir komme, ehe ich ein halb hundert Mordthaten verübe, erzählt mir, wie es zugegan- gen ist.
Jch habe ihre Historie gehört! - List! ver- dammte, verzweifelte, gottlose, unverantwortliche List! in einem Frauenzimmer von ihrer Art - - Doch zeige mir nur eine Weibsperson: ich will dir allemal einen Ränkeschmieder zeigen! - -
Dieß
Was fuͤr ein huͤlfloſer Zuſtand! wenn man nichts mehr thun kann als ſich und andere ver- fluchen; wenn die Gelegenheit zum Unmuth fort- dauret; wenn das Uebel bey genauerer Ueberle- gung groͤßer wird; wenn ſelbſt die Zeit ſich mit dazu ſchickt, es aͤrger zu machen ‒ ‒ O wie fluch- te ich auf ſie!
Jch habe ſie, wie mich deucht, noch eben vor mir mit ihren aufgeblaſenen Wangen ‒ ‒ Wie verhaßt macht der Kummer ein garſtiges Ge- ſicht! Deines, Bruder, und dieſer alten Mutter ihres, muͤſſen in trauriger Stellung, ſtatt Mit- leiden zu erregen, den Haß immer mehr verſtaͤr- ken: da hingegen Schoͤnheit in Thraͤnen erhoͤ- hete Schoͤnheit iſt, und das, was mein Herz alle- zeit zu ſehen Vergnuͤgen gefunden hat. ‒ ‒
Was fuͤr Entſchuldigung! ‒ Der Henker hohle euch und eure verfluchten Toͤchter! Was fuͤr Entſchuldigung koͤnnt ihr haben! Jſt ſie nicht fort? Jſt ſie nicht entwiſcht? ‒ ‒ Aber ehe ich ganz außer mir komme, ehe ich ein halb hundert Mordthaten veruͤbe, erzaͤhlt mir, wie es zugegan- gen iſt.
Jch habe ihre Hiſtorie gehoͤrt! ‒ Liſt! ver- dammte, verzweifelte, gottloſe, unverantwortliche Liſt! in einem Frauenzimmer von ihrer Art ‒ ‒ Doch zeige mir nur eine Weibsperſon: ich will dir allemal einen Raͤnkeſchmieder zeigen! ‒ ‒
Dieß
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Was fuͤr ein huͤlfloſer Zuſtand! wenn man
nichts mehr thun kann als ſich und andere ver-
fluchen; wenn die Gelegenheit zum Unmuth fort-
dauret; wenn das Uebel bey genauerer Ueberle-
gung groͤßer wird; wenn ſelbſt die Zeit ſich mit
dazu ſchickt, es aͤrger zu machen ‒ ‒ O wie fluch-
te ich auf ſie!
Jch habe ſie, wie mich deucht, noch eben vor
mir mit ihren aufgeblaſenen Wangen ‒ ‒ Wie
verhaßt macht der Kummer ein garſtiges Ge-
ſicht! Deines, Bruder, und dieſer alten Mutter
ihres, muͤſſen in trauriger Stellung, ſtatt Mit-
leiden zu erregen, den Haß immer mehr verſtaͤr-
ken: da hingegen Schoͤnheit in Thraͤnen erhoͤ-
hete Schoͤnheit iſt, und das, was mein Herz alle-
zeit zu ſehen Vergnuͤgen gefunden hat. ‒ ‒
Was fuͤr Entſchuldigung! ‒ Der Henker
hohle euch und eure verfluchten Toͤchter! Was
fuͤr Entſchuldigung koͤnnt ihr haben! Jſt ſie nicht
fort? Jſt ſie nicht entwiſcht? ‒ ‒ Aber ehe ich
ganz außer mir komme, ehe ich ein halb hundert
Mordthaten veruͤbe, erzaͤhlt mir, wie es zugegan-
gen iſt.
Jch habe ihre Hiſtorie gehoͤrt! ‒ Liſt! ver-
dammte, verzweifelte, gottloſe, unverantwortliche
Liſt! in einem Frauenzimmer von ihrer Art ‒ ‒
Doch zeige mir nur eine Weibsperſon: ich will
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/122>, abgerufen am 22.11.2024.
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