Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite




Was für ein hülfloser Zustand! wenn man
nichts mehr thun kann als sich und andere ver-
fluchen; wenn die Gelegenheit zum Unmuth fort-
dauret; wenn das Uebel bey genauerer Ueberle-
gung größer wird; wenn selbst die Zeit sich mit
dazu schickt, es ärger zu machen - - O wie fluch-
te ich auf sie!

Jch habe sie, wie mich deucht, noch eben vor
mir mit ihren aufgeblasenen Wangen - - Wie
verhaßt macht der Kummer ein garstiges Ge-
sicht! Deines, Bruder, und dieser alten Mutter
ihres, müssen in trauriger Stellung, statt Mit-
leiden zu erregen, den Haß immer mehr verstär-
ken: da hingegen Schönheit in Thränen erhö-
hete Schönheit ist, und das, was mein Herz alle-
zeit zu sehen Vergnügen gefunden hat. - -

Was für Entschuldigung! - Der Henker
hohle euch und eure verfluchten Töchter! Was
für Entschuldigung könnt ihr haben! Jst sie nicht
fort? Jst sie nicht entwischt? - - Aber ehe ich
ganz außer mir komme, ehe ich ein halb hundert
Mordthaten verübe, erzählt mir, wie es zugegan-
gen ist.



Jch habe ihre Historie gehört! - List! ver-
dammte, verzweifelte, gottlose, unverantwortliche
List! in einem Frauenzimmer von ihrer Art - -
Doch zeige mir nur eine Weibsperson: ich will
dir allemal einen Ränkeschmieder zeigen! - -

Dieß




Was fuͤr ein huͤlfloſer Zuſtand! wenn man
nichts mehr thun kann als ſich und andere ver-
fluchen; wenn die Gelegenheit zum Unmuth fort-
dauret; wenn das Uebel bey genauerer Ueberle-
gung groͤßer wird; wenn ſelbſt die Zeit ſich mit
dazu ſchickt, es aͤrger zu machen ‒ ‒ O wie fluch-
te ich auf ſie!

Jch habe ſie, wie mich deucht, noch eben vor
mir mit ihren aufgeblaſenen Wangen ‒ ‒ Wie
verhaßt macht der Kummer ein garſtiges Ge-
ſicht! Deines, Bruder, und dieſer alten Mutter
ihres, muͤſſen in trauriger Stellung, ſtatt Mit-
leiden zu erregen, den Haß immer mehr verſtaͤr-
ken: da hingegen Schoͤnheit in Thraͤnen erhoͤ-
hete Schoͤnheit iſt, und das, was mein Herz alle-
zeit zu ſehen Vergnuͤgen gefunden hat. ‒ ‒

Was fuͤr Entſchuldigung! ‒ Der Henker
hohle euch und eure verfluchten Toͤchter! Was
fuͤr Entſchuldigung koͤnnt ihr haben! Jſt ſie nicht
fort? Jſt ſie nicht entwiſcht? ‒ ‒ Aber ehe ich
ganz außer mir komme, ehe ich ein halb hundert
Mordthaten veruͤbe, erzaͤhlt mir, wie es zugegan-
gen iſt.



Jch habe ihre Hiſtorie gehoͤrt! ‒ Liſt! ver-
dammte, verzweifelte, gottloſe, unverantwortliche
Liſt! in einem Frauenzimmer von ihrer Art ‒ ‒
Doch zeige mir nur eine Weibsperſon: ich will
dir allemal einen Raͤnkeſchmieder zeigen! ‒ ‒

Dieß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0122" n="116"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Was fu&#x0364;r ein hu&#x0364;lflo&#x017F;er Zu&#x017F;tand! wenn man<lb/>
nichts mehr thun kann als &#x017F;ich und andere ver-<lb/>
fluchen; wenn die Gelegenheit zum Unmuth fort-<lb/>
dauret; wenn das Uebel bey genauerer Ueberle-<lb/>
gung gro&#x0364;ßer wird; wenn &#x017F;elb&#x017F;t die Zeit &#x017F;ich mit<lb/>
dazu &#x017F;chickt, es a&#x0364;rger zu machen &#x2012; &#x2012; O wie fluch-<lb/>
te ich auf &#x017F;ie!</p><lb/>
          <p>Jch habe &#x017F;ie, wie mich deucht, noch eben vor<lb/>
mir mit ihren aufgebla&#x017F;enen Wangen &#x2012; &#x2012; Wie<lb/>
verhaßt macht der Kummer ein gar&#x017F;tiges Ge-<lb/>
&#x017F;icht! Deines, Bruder, und die&#x017F;er alten Mutter<lb/>
ihres, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en in trauriger Stellung, &#x017F;tatt Mit-<lb/>
leiden zu erregen, den Haß immer mehr ver&#x017F;ta&#x0364;r-<lb/>
ken: da hingegen Scho&#x0364;nheit in Thra&#x0364;nen erho&#x0364;-<lb/>
hete Scho&#x0364;nheit i&#x017F;t, und das, was mein Herz alle-<lb/>
zeit zu &#x017F;ehen Vergnu&#x0364;gen gefunden hat. &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Was fu&#x0364;r Ent&#x017F;chuldigung! &#x2012; Der Henker<lb/>
hohle euch und eure verfluchten To&#x0364;chter! Was<lb/>
fu&#x0364;r Ent&#x017F;chuldigung ko&#x0364;nnt ihr haben! J&#x017F;t &#x017F;ie nicht<lb/>
fort? J&#x017F;t &#x017F;ie nicht entwi&#x017F;cht? &#x2012; &#x2012; Aber ehe ich<lb/>
ganz außer mir komme, ehe ich ein halb hundert<lb/>
Mordthaten veru&#x0364;be, erza&#x0364;hlt mir, wie es zugegan-<lb/>
gen i&#x017F;t.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jch habe ihre Hi&#x017F;torie geho&#x0364;rt! &#x2012; Li&#x017F;t! ver-<lb/>
dammte, verzweifelte, gottlo&#x017F;e, unverantwortliche<lb/>
Li&#x017F;t! in einem Frauenzimmer von ihrer Art &#x2012; &#x2012;<lb/>
Doch zeige mir nur eine Weibsper&#x017F;on: ich will<lb/>
dir allemal einen Ra&#x0364;nke&#x017F;chmieder zeigen! &#x2012; &#x2012;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Dieß</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0122] Was fuͤr ein huͤlfloſer Zuſtand! wenn man nichts mehr thun kann als ſich und andere ver- fluchen; wenn die Gelegenheit zum Unmuth fort- dauret; wenn das Uebel bey genauerer Ueberle- gung groͤßer wird; wenn ſelbſt die Zeit ſich mit dazu ſchickt, es aͤrger zu machen ‒ ‒ O wie fluch- te ich auf ſie! Jch habe ſie, wie mich deucht, noch eben vor mir mit ihren aufgeblaſenen Wangen ‒ ‒ Wie verhaßt macht der Kummer ein garſtiges Ge- ſicht! Deines, Bruder, und dieſer alten Mutter ihres, muͤſſen in trauriger Stellung, ſtatt Mit- leiden zu erregen, den Haß immer mehr verſtaͤr- ken: da hingegen Schoͤnheit in Thraͤnen erhoͤ- hete Schoͤnheit iſt, und das, was mein Herz alle- zeit zu ſehen Vergnuͤgen gefunden hat. ‒ ‒ Was fuͤr Entſchuldigung! ‒ Der Henker hohle euch und eure verfluchten Toͤchter! Was fuͤr Entſchuldigung koͤnnt ihr haben! Jſt ſie nicht fort? Jſt ſie nicht entwiſcht? ‒ ‒ Aber ehe ich ganz außer mir komme, ehe ich ein halb hundert Mordthaten veruͤbe, erzaͤhlt mir, wie es zugegan- gen iſt. Jch habe ihre Hiſtorie gehoͤrt! ‒ Liſt! ver- dammte, verzweifelte, gottloſe, unverantwortliche Liſt! in einem Frauenzimmer von ihrer Art ‒ ‒ Doch zeige mir nur eine Weibsperſon: ich will dir allemal einen Raͤnkeſchmieder zeigen! ‒ ‒ Dieß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/122
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/122>, abgerufen am 17.05.2024.