O Teufel der Liebe! Nicht mehr Gott der Liebe! - Wie habe ich das an dir verschuldet! Jch, der ich vorher niemals ein Freund von fro- stiger Tugend gewesen bin! - Ohnmächtiger Teufel! denn ohnmächtig mußt du seyn, wo du nicht etwa dächtest mich zum Raube zu haben; wer wird künftig vor deinen Altären knien! - - O daß dich alle brave Herzen verabscheuen, ver- achten, verfluchen und dir entsagen, wie ich thue. - - Aber was hilft nun das Fluchen!
Nichts befremdet mich mehr, als wie sie die- se ihre gottlose Flucht ins Werk zu richten ver- mögend gewesen ist; da die ganze Bande von Weibern im Hause auf sie Achtung zu geben ge- habt hat: denn bisher habe ich noch nicht Ge- duld genug gehabt, mich nach den besondern Um- ständen zu erkundigen, oder eine Seele von ihnen zu mir kommen zu lassen.
So viel weiß ich gewiß, sonst hätte ich sie nicht hierher gebracht, daß nicht eine lebendi- ge Seele, die zu diesem Hause gehört, durch Tu- gend oder Gewissen zu gewinnen stehet. Die größte Freude, welche die höllischen Nymphen dieser ärger als höllischen Wohnung, alle mit ein- ander, haben könnten, würde die gewesen seyn, diese stolze Schöne in ihrer Reihe und ihnen gleich gemacht zu sehen. - - Und was meinen Buben betrifft, der auch auf sie Acht geben muß- te, so ist der ein so abgerichteter Kerl, daß er am
Un-
Fünfter Theil. H
O Teufel der Liebe! Nicht mehr Gott der Liebe! ‒ Wie habe ich das an dir verſchuldet! Jch, der ich vorher niemals ein Freund von fro- ſtiger Tugend geweſen bin! ‒ Ohnmaͤchtiger Teufel! denn ohnmaͤchtig mußt du ſeyn, wo du nicht etwa daͤchteſt mich zum Raube zu haben; wer wird kuͤnftig vor deinen Altaͤren knien! ‒ ‒ O daß dich alle brave Herzen verabſcheuen, ver- achten, verfluchen und dir entſagen, wie ich thue. ‒ ‒ Aber was hilft nun das Fluchen!
Nichts befremdet mich mehr, als wie ſie die- ſe ihre gottloſe Flucht ins Werk zu richten ver- moͤgend geweſen iſt; da die ganze Bande von Weibern im Hauſe auf ſie Achtung zu geben ge- habt hat: denn bisher habe ich noch nicht Ge- duld genug gehabt, mich nach den beſondern Um- ſtaͤnden zu erkundigen, oder eine Seele von ihnen zu mir kommen zu laſſen.
So viel weiß ich gewiß, ſonſt haͤtte ich ſie nicht hierher gebracht, daß nicht eine lebendi- ge Seele, die zu dieſem Hauſe gehoͤrt, durch Tu- gend oder Gewiſſen zu gewinnen ſtehet. Die groͤßte Freude, welche die hoͤlliſchen Nymphen dieſer aͤrger als hoͤlliſchen Wohnung, alle mit ein- ander, haben koͤnnten, wuͤrde die geweſen ſeyn, dieſe ſtolze Schoͤne in ihrer Reihe und ihnen gleich gemacht zu ſehen. ‒ ‒ Und was meinen Buben betrifft, der auch auf ſie Acht geben muß- te, ſo iſt der ein ſo abgerichteter Kerl, daß er am
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Fuͤnfter Theil. H
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O Teufel der Liebe! Nicht mehr Gott der
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Jch, der ich vorher niemals ein Freund von fro-
ſtiger Tugend geweſen bin! ‒ Ohnmaͤchtiger
Teufel! denn ohnmaͤchtig mußt du ſeyn, wo du
nicht etwa daͤchteſt mich zum Raube zu haben;
wer wird kuͤnftig vor deinen Altaͤren knien! ‒ ‒
O daß dich alle brave Herzen verabſcheuen, ver-
achten, verfluchen und dir entſagen, wie ich thue.
‒ ‒ Aber was hilft nun das Fluchen!
Nichts befremdet mich mehr, als wie ſie die-
ſe ihre gottloſe Flucht ins Werk zu richten ver-
moͤgend geweſen iſt; da die ganze Bande von
Weibern im Hauſe auf ſie Achtung zu geben ge-
habt hat: denn bisher habe ich noch nicht Ge-
duld genug gehabt, mich nach den beſondern Um-
ſtaͤnden zu erkundigen, oder eine Seele von ihnen
zu mir kommen zu laſſen.
So viel weiß ich gewiß, ſonſt haͤtte ich ſie
nicht hierher gebracht, daß nicht eine lebendi-
ge Seele, die zu dieſem Hauſe gehoͤrt, durch Tu-
gend oder Gewiſſen zu gewinnen ſtehet. Die
groͤßte Freude, welche die hoͤlliſchen Nymphen
dieſer aͤrger als hoͤlliſchen Wohnung, alle mit ein-
ander, haben koͤnnten, wuͤrde die geweſen ſeyn,
dieſe ſtolze Schoͤne in ihrer Reihe und ihnen
gleich gemacht zu ſehen. ‒ ‒ Und was meinen
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/119>, abgerufen am 22.11.2024.
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