die Manns-Personen, oder sie zum wenigsten, genug kennen lernen. Jch verlange weiter nichts, als mein Leben für mich in der Stille zuzubringen: und lasse sie dabey in völliger Freyheit, zu wählen was sie wollen.
Gleichgültig! mehr als gleichgültig! stieß er mit Unwillen heraus.
Jch fiel ihm in die Rede: halten sie mich immer- hin für gleichgültig. Jch glaube zum wenigsten nicht, daß sie etwas besseres um mich verdienet ha- ben. Wenn sie hierin anderer Meynung sind, so haben sie, oder so hat ihr Hochmuth Ursache, mich wegen meines Jrrthums zu hassen.
Liebstes, liebstes Kind! sagte er, und ergriff meine Hand auf eine wilde Art) darf ich sie nicht bitten, sich selbst immer gleich, und auch gegen mich edelmüthig zu seyn? Achtung die der Wohlstand und die Höflichkeit mit sich bringet! Was sa- gen sie Fräulein? Höflichkeit! Wohlstand! können sie meiner Jnbrunst solche Grentzen setzen?
Eine solche Jnbrunst, wie die ihrige ist, Herr Lovelace, muß eingeschränckt werden. Es ist entweder die Eigenschaft, dafür sie sie nicht erken- nen, oder dafür ich sie nicht erkenne. Jch weiß nicht, ob ihr Gemüth der Einschränckungen so wohl als der Grösse fähig ist, die nach meinem Wunsche sind. Heben sie immer Hände und Augen vor Ver- wunderung gen Himmel so viel sie belieben: ich wer- de nur immer mehr davon überzeuget, daß wir nicht für einander gebohren sind.
Bey
die Manns-Perſonen, oder ſie zum wenigſten, genug kennen lernen. Jch verlange weiter nichts, als mein Leben fuͤr mich in der Stille zuzubringen: und laſſe ſie dabey in voͤlliger Freyheit, zu waͤhlen was ſie wollen.
Gleichguͤltig! mehr als gleichguͤltig! ſtieß er mit Unwillen heraus.
Jch fiel ihm in die Rede: halten ſie mich immer- hin fuͤr gleichguͤltig. Jch glaube zum wenigſten nicht, daß ſie etwas beſſeres um mich verdienet ha- ben. Wenn ſie hierin anderer Meynung ſind, ſo haben ſie, oder ſo hat ihr Hochmuth Urſache, mich wegen meines Jrrthums zu haſſen.
Liebſtes, liebſtes Kind! ſagte er, und ergriff meine Hand auf eine wilde Art) darf ich ſie nicht bitten, ſich ſelbſt immer gleich, und auch gegen mich edelmuͤthig zu ſeyn? Achtung die der Wohlſtand und die Hoͤflichkeit mit ſich bringet! Was ſa- gen ſie Fraͤulein? Hoͤflichkeit! Wohlſtand! koͤnnen ſie meiner Jnbrunſt ſolche Grentzen ſetzen?
Eine ſolche Jnbrunſt, wie die ihrige iſt, Herr Lovelace, muß eingeſchraͤnckt werden. Es iſt entweder die Eigenſchaft, dafuͤr ſie ſie nicht erken- nen, oder dafuͤr ich ſie nicht erkenne. Jch weiß nicht, ob ihr Gemuͤth der Einſchraͤnckungen ſo wohl als der Groͤſſe faͤhig iſt, die nach meinem Wunſche ſind. Heben ſie immer Haͤnde und Augen vor Ver- wunderung gen Himmel ſo viel ſie belieben: ich wer- de nur immer mehr davon uͤberzeuget, daß wir nicht fuͤr einander gebohren ſind.
Bey
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die Manns-Perſonen, oder ſie zum wenigſten,
genug kennen lernen. Jch verlange weiter nichts,
als mein Leben fuͤr mich in der Stille zuzubringen:
und laſſe ſie dabey in voͤlliger Freyheit, zu waͤhlen
was ſie wollen.
Gleichguͤltig! mehr als gleichguͤltig! ſtieß er mit
Unwillen heraus.
Jch fiel ihm in die Rede: halten ſie mich immer-
hin fuͤr gleichguͤltig. Jch glaube zum wenigſten
nicht, daß ſie etwas beſſeres um mich verdienet ha-
ben. Wenn ſie hierin anderer Meynung ſind, ſo
haben ſie, oder ſo hat ihr Hochmuth Urſache, mich
wegen meines Jrrthums zu haſſen.
Liebſtes, liebſtes Kind! ſagte er, und ergriff
meine Hand auf eine wilde Art) darf ich ſie nicht
bitten, ſich ſelbſt immer gleich, und auch gegen mich
edelmuͤthig zu ſeyn? Achtung die der Wohlſtand
und die Hoͤflichkeit mit ſich bringet! Was ſa-
gen ſie Fraͤulein? Hoͤflichkeit! Wohlſtand!
koͤnnen ſie meiner Jnbrunſt ſolche Grentzen ſetzen?
Eine ſolche Jnbrunſt, wie die ihrige iſt, Herr
Lovelace, muß eingeſchraͤnckt werden. Es iſt
entweder die Eigenſchaft, dafuͤr ſie ſie nicht erken-
nen, oder dafuͤr ich ſie nicht erkenne. Jch weiß
nicht, ob ihr Gemuͤth der Einſchraͤnckungen ſo wohl
als der Groͤſſe faͤhig iſt, die nach meinem Wunſche
ſind. Heben ſie immer Haͤnde und Augen vor Ver-
wunderung gen Himmel ſo viel ſie belieben: ich wer-
de nur immer mehr davon uͤberzeuget, daß wir nicht
fuͤr einander gebohren ſind.
Bey
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/83>, abgerufen am 16.02.2025.
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