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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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Aber was? Wollen sie immer mit mir umge-
hen, als wenn ich ein Kind wäre? Wollen sie sich
immer entschuldigen? immer etwas versprechen?
und was denn? daß sie einmal künftig der werden
wollen, der sie jetzt noch nicht sind. Ein Verspre-
chen, dessen sich ein jeder artiger Cavallier schämen
sollte! Der zu werden - -

O GOtt! (fiel er mir in die Rede: und hob die
Angen gen Himmel) wenn du so strenge wärest - -

Gantz gut! Herr Lovelace! Machen sie nur
aus unsern so verschiedenen Einsichten den Schluß,
daß unsere Hertzen nicht für einander gemacht sind.
Lassen sie uns also - -

Lassen sie uns was? Fräulein! Es empört sich
alles in mir. Was! was ist es das wir thun sol-
len? Er sahe hiebey so wild aus, daß ich mich recht
erschrack.

Wie? Herr Lovelace! Lassen sie uns den Ent-
schluß fassen, daß wir ferner gar nicht an einan-
der dencken wollen. (Fangen sie doch nicht gleich an,
Feuer und Flammen von sich zu geben! Jch bin
in einigen Stücken furchtsam. Allein, wenn ich
mir nicht selbst schmeichele, so habe ich Muth, und
unüberwindlichen Muth, so bald es auf das an-
kommt, was ich billig seyn soll, wenn ich des
lebens nicht unwerth seyn will.) Lassen sie uns weiter
keine Achtung für einander haben, als die die Höff-
lichkeit und der Wohlstand mit sich bringet. Sie
können sich indessen auf diese Zusage verlassen, wenn
ihr Hochmuth darin eine Nahrung findet: daß ich
nie einen andern heyrathen werde. Jch habe nun

die


Aber was? Wollen ſie immer mit mir umge-
hen, als wenn ich ein Kind waͤre? Wollen ſie ſich
immer entſchuldigen? immer etwas verſprechen?
und was denn? daß ſie einmal kuͤnftig der werden
wollen, der ſie jetzt noch nicht ſind. Ein Verſpre-
chen, deſſen ſich ein jeder artiger Cavallier ſchaͤmen
ſollte! Der zu werden ‒ ‒

O GOtt! (fiel er mir in die Rede: und hob die
Angen gen Himmel) wenn du ſo ſtrenge waͤreſt ‒ ‒

Gantz gut! Herr Lovelace! Machen ſie nur
aus unſern ſo verſchiedenen Einſichten den Schluß,
daß unſere Hertzen nicht fuͤr einander gemacht ſind.
Laſſen ſie uns alſo ‒ ‒

Laſſen ſie uns was? Fraͤulein! Es empoͤrt ſich
alles in mir. Was! was iſt es das wir thun ſol-
len? Er ſahe hiebey ſo wild aus, daß ich mich recht
erſchrack.

Wie? Herr Lovelace! Laſſen ſie uns den Ent-
ſchluß faſſen, daß wir ferner gar nicht an einan-
der dencken wollen. (Fangen ſie doch nicht gleich an,
Feuer und Flammen von ſich zu geben! Jch bin
in einigen Stuͤcken furchtſam. Allein, wenn ich
mir nicht ſelbſt ſchmeichele, ſo habe ich Muth, und
unuͤberwindlichen Muth, ſo bald es auf das an-
kommt, was ich billig ſeyn ſoll, wenn ich des
lebens nicht unwerth ſeyn will.) Laſſen ſie uns weiter
keine Achtung fuͤr einander haben, als die die Hoͤff-
lichkeit und der Wohlſtand mit ſich bringet. Sie
koͤnnen ſich indeſſen auf dieſe Zuſage verlaſſen, wenn
ihr Hochmuth darin eine Nahrung findet: daß ich
nie einen andern heyrathen werde. Jch habe nun

die
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[76/0082] Aber was? Wollen ſie immer mit mir umge- hen, als wenn ich ein Kind waͤre? Wollen ſie ſich immer entſchuldigen? immer etwas verſprechen? und was denn? daß ſie einmal kuͤnftig der werden wollen, der ſie jetzt noch nicht ſind. Ein Verſpre- chen, deſſen ſich ein jeder artiger Cavallier ſchaͤmen ſollte! Der zu werden ‒ ‒ O GOtt! (fiel er mir in die Rede: und hob die Angen gen Himmel) wenn du ſo ſtrenge waͤreſt ‒ ‒ Gantz gut! Herr Lovelace! Machen ſie nur aus unſern ſo verſchiedenen Einſichten den Schluß, daß unſere Hertzen nicht fuͤr einander gemacht ſind. Laſſen ſie uns alſo ‒ ‒ Laſſen ſie uns was? Fraͤulein! Es empoͤrt ſich alles in mir. Was! was iſt es das wir thun ſol- len? Er ſahe hiebey ſo wild aus, daß ich mich recht erſchrack. Wie? Herr Lovelace! Laſſen ſie uns den Ent- ſchluß faſſen, daß wir ferner gar nicht an einan- der dencken wollen. (Fangen ſie doch nicht gleich an, Feuer und Flammen von ſich zu geben! Jch bin in einigen Stuͤcken furchtſam. Allein, wenn ich mir nicht ſelbſt ſchmeichele, ſo habe ich Muth, und unuͤberwindlichen Muth, ſo bald es auf das an- kommt, was ich billig ſeyn ſoll, wenn ich des lebens nicht unwerth ſeyn will.) Laſſen ſie uns weiter keine Achtung fuͤr einander haben, als die die Hoͤff- lichkeit und der Wohlſtand mit ſich bringet. Sie koͤnnen ſich indeſſen auf dieſe Zuſage verlaſſen, wenn ihr Hochmuth darin eine Nahrung findet: daß ich nie einen andern heyrathen werde. Jch habe nun die

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/82>, abgerufen am 21.11.2024.