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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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wenn ich Jhnen alles dieses schreiben wollte. Jch
sagte: ich würde durch sein ganzes Betragen frey-
lich allzu sehr von seinem Hochmuth, nicht aber von
seinen Vollkommenheiten überzeuget. Jch leug-
nete nicht, daß ich eben so hochmüthig sey, als er:
allein ich hoffete, daß mein Hochmuth von einer
andern Art wäre, als der Hochmuth, den er so
willig gestünde. Wenn er nur etwas von dem er-
habenen und großmüthigen Hochmuth hätte, der sich
vor sein Herkommen und Umstände schicke, so wür-
de er meinen Hochmuth nicht für etwas verdriesli-
ches ansehen, noch ihn zu demüthigen suchen; son-
dern er würde mich vielmehr noch hochmüthiger zu
machen suchen. Eben dieser lobenswürdige Hoch-
muth liesse mir nicht zu, daß ich die Ursachen leug-
nen sollte, um derentwillen ich ihn und den Herrn
Mennell in einigen Tagen nicht hätte sprechen wol-
len. Jch hätte befürchtet, daß ich auf gewisse
Dinge nicht würde haben antworten können, bis ich
hörte, was mein Onckle Harlowe sagte. Denn
ich hätte diesem durch einen guten Freund den Puls
fühlen lassen, ob ich auf sein Vorwort hoffen dürf-
te, wenn ich mich unter gewissen Bedingungen mit
den Meinigen aussöhnen wollte.

Er sagte: er wüßte nicht, was das für Bedin-
gungen wären, und dürfte sich auch wol nicht unterste-
hen, darnach zu fragen. Allein er könnte sie leicht erra-
then, und merckte allzu deutlich, daß er hätte sollen
das Opfer werden. Allein so sehr er überhaupt
mein erhabenes Gemüth und insonderheit meinen
lobenswürdigen Hochmuth bewunderte, so wünschte

er



wenn ich Jhnen alles dieſes ſchreiben wollte. Jch
ſagte: ich wuͤrde durch ſein ganzes Betragen frey-
lich allzu ſehr von ſeinem Hochmuth, nicht aber von
ſeinen Vollkommenheiten uͤberzeuget. Jch leug-
nete nicht, daß ich eben ſo hochmuͤthig ſey, als er:
allein ich hoffete, daß mein Hochmuth von einer
andern Art waͤre, als der Hochmuth, den er ſo
willig geſtuͤnde. Wenn er nur etwas von dem er-
habenen und großmuͤthigen Hochmuth haͤtte, der ſich
vor ſein Herkommen und Umſtaͤnde ſchicke, ſo wuͤr-
de er meinen Hochmuth nicht fuͤr etwas verdriesli-
ches anſehen, noch ihn zu demuͤthigen ſuchen; ſon-
dern er wuͤrde mich vielmehr noch hochmuͤthiger zu
machen ſuchen. Eben dieſer lobenswuͤrdige Hoch-
muth lieſſe mir nicht zu, daß ich die Urſachen leug-
nen ſollte, um derentwillen ich ihn und den Herrn
Mennell in einigen Tagen nicht haͤtte ſprechen wol-
len. Jch haͤtte befuͤrchtet, daß ich auf gewiſſe
Dinge nicht wuͤrde haben antworten koͤnnen, bis ich
hoͤrte, was mein Onckle Harlowe ſagte. Denn
ich haͤtte dieſem durch einen guten Freund den Puls
fuͤhlen laſſen, ob ich auf ſein Vorwort hoffen duͤrf-
te, wenn ich mich unter gewiſſen Bedingungen mit
den Meinigen ausſoͤhnen wollte.

Er ſagte: er wuͤßte nicht, was das fuͤr Bedin-
gungen waͤren, und duͤrfte ſich auch wol nicht unterſte-
hen, darnach zu fragen. Allein er koͤnnte ſie leicht erra-
then, und merckte allzu deutlich, daß er haͤtte ſollen
das Opfer werden. Allein ſo ſehr er uͤberhaupt
mein erhabenes Gemuͤth und inſonderheit meinen
lobenswuͤrdigen Hochmuth bewunderte, ſo wuͤnſchte

er
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[74/0080] wenn ich Jhnen alles dieſes ſchreiben wollte. Jch ſagte: ich wuͤrde durch ſein ganzes Betragen frey- lich allzu ſehr von ſeinem Hochmuth, nicht aber von ſeinen Vollkommenheiten uͤberzeuget. Jch leug- nete nicht, daß ich eben ſo hochmuͤthig ſey, als er: allein ich hoffete, daß mein Hochmuth von einer andern Art waͤre, als der Hochmuth, den er ſo willig geſtuͤnde. Wenn er nur etwas von dem er- habenen und großmuͤthigen Hochmuth haͤtte, der ſich vor ſein Herkommen und Umſtaͤnde ſchicke, ſo wuͤr- de er meinen Hochmuth nicht fuͤr etwas verdriesli- ches anſehen, noch ihn zu demuͤthigen ſuchen; ſon- dern er wuͤrde mich vielmehr noch hochmuͤthiger zu machen ſuchen. Eben dieſer lobenswuͤrdige Hoch- muth lieſſe mir nicht zu, daß ich die Urſachen leug- nen ſollte, um derentwillen ich ihn und den Herrn Mennell in einigen Tagen nicht haͤtte ſprechen wol- len. Jch haͤtte befuͤrchtet, daß ich auf gewiſſe Dinge nicht wuͤrde haben antworten koͤnnen, bis ich hoͤrte, was mein Onckle Harlowe ſagte. Denn ich haͤtte dieſem durch einen guten Freund den Puls fuͤhlen laſſen, ob ich auf ſein Vorwort hoffen duͤrf- te, wenn ich mich unter gewiſſen Bedingungen mit den Meinigen ausſoͤhnen wollte. Er ſagte: er wuͤßte nicht, was das fuͤr Bedin- gungen waͤren, und duͤrfte ſich auch wol nicht unterſte- hen, darnach zu fragen. Allein er koͤnnte ſie leicht erra- then, und merckte allzu deutlich, daß er haͤtte ſollen das Opfer werden. Allein ſo ſehr er uͤberhaupt mein erhabenes Gemuͤth und inſonderheit meinen lobenswuͤrdigen Hochmuth bewunderte, ſo wuͤnſchte er

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/80>, abgerufen am 04.05.2024.