Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



ist dieses schlimmste, das mir ewig verborgen blei-
ben soll?

O Lovelace, wenn du doch eben jetzt kämest, da
ich mit diesen schwartzen Gedancken umgehe! Jetzt
könntest du in mein Hertz sehen, und über die Fol-
gen deiner Grausamkeit dein vergnügtes Hohn-Ge-
lächter anstellen.



Jch mußte vorhin die Feder niederlegen.

Sie haben einen Versuch gethan, was durch die
Frau Norton bey meiner Mutter auszurichten
stehe?

Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen wer-
den: allein ich wünschte, daß Sie in einer Sache,
die so wichtig ist und mich betrift, nichts ohne mei-
nen Rath gethan haben möchten. Vergeben Sie
mir: so sehr ich die erhabene und edle Freundschaft
bewundere, die Sie bey aller Gelegenheit auf eine
so brennende Art gegen mich bezeigen; so setzt mich
doch auch diese Freundschaft bisweilen in Furcht.

Doch ich will auf das dencken, was mir noch be-
vorstehet. Sie glauben, daß ich die Seinige noth-
wendig werden muß, und daß ich ihn ohne Verle-
tzung meiner Ehre weder mit noch wider seinen Wil-
len verlassen kann. Jch soll mich also in meine Um-
stände schicken, so gut es möglich ist.

Er ging diesen Morgen aus, und wollte nicht in
dem Hause speisen, es wäre denn (wie er mir sagen
lies) daß ich ihm erlaubte, in meiner Gesellschaft
zu speisen.

Jch
E 3



iſt dieſes ſchlimmſte, das mir ewig verborgen blei-
ben ſoll?

O Lovelace, wenn du doch eben jetzt kaͤmeſt, da
ich mit dieſen ſchwartzen Gedancken umgehe! Jetzt
koͤnnteſt du in mein Hertz ſehen, und uͤber die Fol-
gen deiner Grauſamkeit dein vergnuͤgtes Hohn-Ge-
laͤchter anſtellen.



Jch mußte vorhin die Feder niederlegen.

Sie haben einen Verſuch gethan, was durch die
Frau Norton bey meiner Mutter auszurichten
ſtehe?

Was geſchehen iſt, kann nicht ungeſchehen wer-
den: allein ich wuͤnſchte, daß Sie in einer Sache,
die ſo wichtig iſt und mich betrift, nichts ohne mei-
nen Rath gethan haben moͤchten. Vergeben Sie
mir: ſo ſehr ich die erhabene und edle Freundſchaft
bewundere, die Sie bey aller Gelegenheit auf eine
ſo brennende Art gegen mich bezeigen; ſo ſetzt mich
doch auch dieſe Freundſchaft bisweilen in Furcht.

Doch ich will auf das dencken, was mir noch be-
vorſtehet. Sie glauben, daß ich die Seinige noth-
wendig werden muß, und daß ich ihn ohne Verle-
tzung meiner Ehre weder mit noch wider ſeinen Wil-
len verlaſſen kann. Jch ſoll mich alſo in meine Um-
ſtaͤnde ſchicken, ſo gut es moͤglich iſt.

Er ging dieſen Morgen aus, und wollte nicht in
dem Hauſe ſpeiſen, es waͤre denn (wie er mir ſagen
lies) daß ich ihm erlaubte, in meiner Geſellſchaft
zu ſpeiſen.

Jch
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0075" n="69"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
i&#x017F;t die&#x017F;es &#x017F;chlimm&#x017F;te, das mir ewig verborgen blei-<lb/>
ben &#x017F;oll?</p><lb/>
          <p>O <hi rendition="#fr">Lovelace,</hi> wenn du doch eben jetzt ka&#x0364;me&#x017F;t, da<lb/>
ich mit die&#x017F;en &#x017F;chwartzen Gedancken umgehe! Jetzt<lb/>
ko&#x0364;nnte&#x017F;t du in mein Hertz &#x017F;ehen, und u&#x0364;ber die Fol-<lb/>
gen deiner Grau&#x017F;amkeit dein vergnu&#x0364;gtes Hohn-Ge-<lb/>
la&#x0364;chter an&#x017F;tellen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jch mußte vorhin die Feder niederlegen.</p><lb/>
          <p>Sie haben einen Ver&#x017F;uch gethan, was durch die<lb/>
Frau <hi rendition="#fr">Norton</hi> bey meiner Mutter auszurichten<lb/>
&#x017F;tehe?</p><lb/>
          <p>Was ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, kann nicht unge&#x017F;chehen wer-<lb/>
den: allein ich wu&#x0364;n&#x017F;chte, daß Sie in einer Sache,<lb/>
die &#x017F;o wichtig i&#x017F;t und mich betrift, nichts ohne mei-<lb/>
nen Rath gethan haben mo&#x0364;chten. Vergeben Sie<lb/>
mir: &#x017F;o &#x017F;ehr ich die erhabene und edle Freund&#x017F;chaft<lb/>
bewundere, die Sie bey aller Gelegenheit auf eine<lb/>
&#x017F;o brennende Art gegen mich bezeigen; &#x017F;o &#x017F;etzt mich<lb/>
doch auch die&#x017F;e Freund&#x017F;chaft bisweilen in Furcht.</p><lb/>
          <p>Doch ich will auf das dencken, was mir noch be-<lb/>
vor&#x017F;tehet. Sie glauben, daß ich die Seinige noth-<lb/>
wendig werden muß, und daß ich ihn ohne Verle-<lb/>
tzung meiner Ehre weder mit noch wider &#x017F;einen Wil-<lb/>
len verla&#x017F;&#x017F;en kann. Jch &#x017F;oll mich al&#x017F;o in meine Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;chicken, &#x017F;o gut es mo&#x0364;glich i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Er ging die&#x017F;en Morgen aus, und wollte nicht in<lb/>
dem Hau&#x017F;e &#x017F;pei&#x017F;en, es wa&#x0364;re denn (wie er mir &#x017F;agen<lb/>
lies) daß ich ihm erlaubte, in meiner Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
zu &#x017F;pei&#x017F;en.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">E 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0075] iſt dieſes ſchlimmſte, das mir ewig verborgen blei- ben ſoll? O Lovelace, wenn du doch eben jetzt kaͤmeſt, da ich mit dieſen ſchwartzen Gedancken umgehe! Jetzt koͤnnteſt du in mein Hertz ſehen, und uͤber die Fol- gen deiner Grauſamkeit dein vergnuͤgtes Hohn-Ge- laͤchter anſtellen. Jch mußte vorhin die Feder niederlegen. Sie haben einen Verſuch gethan, was durch die Frau Norton bey meiner Mutter auszurichten ſtehe? Was geſchehen iſt, kann nicht ungeſchehen wer- den: allein ich wuͤnſchte, daß Sie in einer Sache, die ſo wichtig iſt und mich betrift, nichts ohne mei- nen Rath gethan haben moͤchten. Vergeben Sie mir: ſo ſehr ich die erhabene und edle Freundſchaft bewundere, die Sie bey aller Gelegenheit auf eine ſo brennende Art gegen mich bezeigen; ſo ſetzt mich doch auch dieſe Freundſchaft bisweilen in Furcht. Doch ich will auf das dencken, was mir noch be- vorſtehet. Sie glauben, daß ich die Seinige noth- wendig werden muß, und daß ich ihn ohne Verle- tzung meiner Ehre weder mit noch wider ſeinen Wil- len verlaſſen kann. Jch ſoll mich alſo in meine Um- ſtaͤnde ſchicken, ſo gut es moͤglich iſt. Er ging dieſen Morgen aus, und wollte nicht in dem Hauſe ſpeiſen, es waͤre denn (wie er mir ſagen lies) daß ich ihm erlaubte, in meiner Geſellſchaft zu ſpeiſen. Jch E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/75
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/75>, abgerufen am 04.05.2024.