können: denn Worte lassen keine Züge nach sich, sondern verfliegen in die Lufft, und man kann ih- nen nachher eine weitläuftige Deutung geben. Was aber geschrieben ist, das bleibt geschrieben.
Jch kenne Jhr sittsames Hertz, Jhren liebens- würdigen Hochmuth, und Jhre Begriffe von der Würde unsers Geschlechts. Allein dieses alles kommt jetzt nicht in Betrachtung. Um Jhrer eigenen Ehre willen ist es nöthig, daß Sie jetzt weniger an die- se Würde und an das, was sich für ein Frauenzim- mer schickt, gedencken.
Wenn ich an Jhrer Stelle wäre, so wollte ich zwar den albernen Menschen in meinem Hertzen has- sen, weil er so niederträchtig hochmüthig ist, und sei- ne künftige Frau zwingen will um ihn anzuhalten. Allein ich wollte ihn dennoch anreden, und sagen: "Herr Lovelace, ihnen habe ich es zu dancken, "daß ich von allen Freunden in der Welt verlas- "sen bin. Wie soll ich sie ansehen? Jch habe "alles wohl überleget: sie haben mich gegen eini- "ge Leute wider meinen Willen für verheyrathet "ausgegeben: hingegen wissen andere, daß ich noch "unverheyrathet bin, und ich verlange nicht, daß "jemand anders von mir dencken solle. Können "sie selbst glauben, daß es mir zur Ehre gereichet, "wenn wir in einem Hause beysammen sind? Sie "haben mit mir von dem Hause der Frau Fretchvil- "le geredet:" (dieses wird Gelegenheit geben, die vorigen Unterredungen hievon zu erneuren, wenn er nicht von freyen Stücken davon anfänget.) "Al- "lein was ist mir mit dem Hause gedient, wenn
"Frau
koͤnnen: denn Worte laſſen keine Zuͤge nach ſich, ſondern verfliegen in die Lufft, und man kann ih- nen nachher eine weitlaͤuftige Deutung geben. Was aber geſchrieben iſt, das bleibt geſchrieben.
Jch kenne Jhr ſittſames Hertz, Jhren liebens- wuͤrdigen Hochmuth, und Jhre Begriffe von der Wuͤrde unſers Geſchlechts. Allein dieſes alles kommt jetzt nicht in Betrachtung. Um Jhrer eigenen Ehre willen iſt es noͤthig, daß Sie jetzt weniger an die- ſe Wuͤrde und an das, was ſich fuͤr ein Frauenzim- mer ſchickt, gedencken.
Wenn ich an Jhrer Stelle waͤre, ſo wollte ich zwar den albernen Menſchen in meinem Hertzen haſ- ſen, weil er ſo niedertraͤchtig hochmuͤthig iſt, und ſei- ne kuͤnftige Frau zwingen will um ihn anzuhalten. Allein ich wollte ihn dennoch anreden, und ſagen: „Herr Lovelace, ihnen habe ich es zu dancken, „daß ich von allen Freunden in der Welt verlaſ- „ſen bin. Wie ſoll ich ſie anſehen? Jch habe „alles wohl uͤberleget: ſie haben mich gegen eini- „ge Leute wider meinen Willen fuͤr verheyrathet „ausgegeben: hingegen wiſſen andere, daß ich noch „unverheyrathet bin, und ich verlange nicht, daß „jemand anders von mir dencken ſolle. Koͤnnen „ſie ſelbſt glauben, daß es mir zur Ehre gereichet, „wenn wir in einem Hauſe beyſammen ſind? Sie „haben mit mir von dem Hauſe der Frau Fretchvil- „le geredet:„ (dieſes wird Gelegenheit geben, die vorigen Unterredungen hievon zu erneuren, wenn er nicht von freyen Stuͤcken davon anfaͤnget.) „Al- „lein was iſt mir mit dem Hauſe gedient, wenn
„Frau
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0068"n="62"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
koͤnnen: denn Worte laſſen keine Zuͤge nach ſich,<lb/>ſondern verfliegen in die Lufft, und man kann ih-<lb/>
nen nachher eine weitlaͤuftige Deutung geben. Was<lb/>
aber geſchrieben iſt, das bleibt geſchrieben.</p><lb/><p>Jch kenne Jhr ſittſames Hertz, Jhren liebens-<lb/>
wuͤrdigen Hochmuth, und Jhre Begriffe von der<lb/>
Wuͤrde unſers Geſchlechts. Allein dieſes alles kommt<lb/>
jetzt nicht in Betrachtung. Um Jhrer eigenen Ehre<lb/>
willen iſt es noͤthig, daß Sie jetzt weniger an die-<lb/>ſe Wuͤrde und an das, was ſich fuͤr ein Frauenzim-<lb/>
mer ſchickt, gedencken.</p><lb/><p>Wenn ich an Jhrer Stelle waͤre, ſo wollte ich<lb/>
zwar den albernen Menſchen in meinem Hertzen haſ-<lb/>ſen, weil er ſo niedertraͤchtig hochmuͤthig iſt, und ſei-<lb/>
ne kuͤnftige Frau zwingen will um ihn anzuhalten.<lb/>
Allein ich wollte ihn dennoch anreden, und ſagen:<lb/>„Herr <hirendition="#fr">Lovelace,</hi> ihnen habe ich es zu dancken,<lb/>„daß ich von allen Freunden in der Welt verlaſ-<lb/>„ſen bin. Wie ſoll ich <hirendition="#fr">ſie</hi> anſehen? Jch habe<lb/>„alles wohl uͤberleget: ſie haben mich gegen eini-<lb/>„ge Leute wider meinen Willen fuͤr verheyrathet<lb/>„ausgegeben: hingegen wiſſen andere, daß ich noch<lb/>„unverheyrathet bin, und ich verlange nicht, daß<lb/>„jemand anders von mir dencken ſolle. Koͤnnen<lb/>„ſie ſelbſt glauben, daß es mir zur Ehre gereichet,<lb/>„wenn wir in <hirendition="#fr">einem</hi> Hauſe beyſammen ſind? Sie<lb/>„haben mit mir von dem Hauſe der Frau <hirendition="#fr">Fretchvil-<lb/>„le</hi> geredet:„ (dieſes wird Gelegenheit geben, die<lb/>
vorigen Unterredungen hievon zu erneuren, wenn<lb/>
er nicht von freyen Stuͤcken davon anfaͤnget.) „Al-<lb/>„lein was iſt mir mit dem Hauſe gedient, wenn<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„Frau</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[62/0068]
koͤnnen: denn Worte laſſen keine Zuͤge nach ſich,
ſondern verfliegen in die Lufft, und man kann ih-
nen nachher eine weitlaͤuftige Deutung geben. Was
aber geſchrieben iſt, das bleibt geſchrieben.
Jch kenne Jhr ſittſames Hertz, Jhren liebens-
wuͤrdigen Hochmuth, und Jhre Begriffe von der
Wuͤrde unſers Geſchlechts. Allein dieſes alles kommt
jetzt nicht in Betrachtung. Um Jhrer eigenen Ehre
willen iſt es noͤthig, daß Sie jetzt weniger an die-
ſe Wuͤrde und an das, was ſich fuͤr ein Frauenzim-
mer ſchickt, gedencken.
Wenn ich an Jhrer Stelle waͤre, ſo wollte ich
zwar den albernen Menſchen in meinem Hertzen haſ-
ſen, weil er ſo niedertraͤchtig hochmuͤthig iſt, und ſei-
ne kuͤnftige Frau zwingen will um ihn anzuhalten.
Allein ich wollte ihn dennoch anreden, und ſagen:
„Herr Lovelace, ihnen habe ich es zu dancken,
„daß ich von allen Freunden in der Welt verlaſ-
„ſen bin. Wie ſoll ich ſie anſehen? Jch habe
„alles wohl uͤberleget: ſie haben mich gegen eini-
„ge Leute wider meinen Willen fuͤr verheyrathet
„ausgegeben: hingegen wiſſen andere, daß ich noch
„unverheyrathet bin, und ich verlange nicht, daß
„jemand anders von mir dencken ſolle. Koͤnnen
„ſie ſelbſt glauben, daß es mir zur Ehre gereichet,
„wenn wir in einem Hauſe beyſammen ſind? Sie
„haben mit mir von dem Hauſe der Frau Fretchvil-
„le geredet:„ (dieſes wird Gelegenheit geben, die
vorigen Unterredungen hievon zu erneuren, wenn
er nicht von freyen Stuͤcken davon anfaͤnget.) „Al-
„lein was iſt mir mit dem Hauſe gedient, wenn
„Frau
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/68>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.