Jch vor mein Theil konnte mich eines Vergnü- gens nicht enthalten, das vielleicht allzu nahe mit dem Hochmuth verwant war, so oft ich als Mutter eines so liebenswürdigen Kindes angeredet ward. Mein Mann und ich bekamen einander desto lieber, weil wir ein gemeinschaftliches Antheil an dieser Toch- ter hatten.
Sie muß dem Ueberfluß eines mütterlichen Her- zens noch mehr dergleichen Lobes-Erhebungen, die vielleicht Thorheiten sind, zu gute halten. Jch woll- te gern beständig daran gedencken, was sie ehemahls war, wenn ich nur über dieser Erinnerung vergessen könnte, was sie jetzund ist.
So jung als sie war, so konnte ich ihr doch allen meinen Kummer anvertrauen. Jch war zum vor- aus versichert, daß ich von ihrer Klugheit Rath und Trost bekommen würde, und zwar dieses auf eine so bescheidene und demüthige Art, daß der Unter- scheid der Jahre, und das Verhältniß, darinnen ei- ne Tochter gegen eine Mutter stehet, im geringsten nicht dadurch verletzet ward. Ausser Hause gereichte sie uns zur Ehre, und in dem Hause zum Vergnü- gen. Jedermann war recht geitzig auf ihre Gesell- schast, und wir zanckten uns beynahe über sie mit mei- nes Mannes Brüdern, und mit meiner Schwester. Wir hatten keinen andern Streit, als wer das nächste mahl ihre Gesellschaft geniessen solte. Sie hat uns nie schelten hören, als wenn wir auf eine verliebte Wei- se deswegen scholten, weil sie sich so lange von uns
entfer-
noch Gange daruͤber eine Aenderung zu ſpuͤren war.
Jch vor mein Theil konnte mich eines Vergnuͤ- gens nicht enthalten, das vielleicht allzu nahe mit dem Hochmuth verwant war, ſo oft ich als Mutter eines ſo liebenswuͤrdigen Kindes angeredet ward. Mein Mann und ich bekamen einander deſto lieber, weil wir ein gemeinſchaftliches Antheil an dieſer Toch- ter hatten.
Sie muß dem Ueberfluß eines muͤtterlichen Her- zens noch mehr dergleichen Lobes-Erhebungen, die vielleicht Thorheiten ſind, zu gute halten. Jch woll- te gern beſtaͤndig daran gedencken, was ſie ehemahls war, wenn ich nur uͤber dieſer Erinnerung vergeſſen koͤnnte, was ſie jetzund iſt.
So jung als ſie war, ſo konnte ich ihr doch allen meinen Kummer anvertrauen. Jch war zum vor- aus verſichert, daß ich von ihrer Klugheit Rath und Troſt bekommen wuͤrde, und zwar dieſes auf eine ſo beſcheidene und demuͤthige Art, daß der Unter- ſcheid der Jahre, und das Verhaͤltniß, darinnen ei- ne Tochter gegen eine Mutter ſtehet, im geringſten nicht dadurch verletzet ward. Auſſer Hauſe gereichte ſie uns zur Ehre, und in dem Hauſe zum Vergnuͤ- gen. Jedermann war recht geitzig auf ihre Geſell- ſchaſt, und wir zanckten uns beynahe uͤber ſie mit mei- nes Mannes Bruͤdern, und mit meiner Schweſter. Wir hatten keinen andern Streit, als wer das naͤchſte mahl ihre Geſellſchaft genieſſen ſolte. Sie hat uns nie ſchelten hoͤren, als wenn wir auf eine verliebte Wei- ſe deswegen ſcholten, weil ſie ſich ſo lange von uns
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noch Gange daruͤber eine Aenderung zu ſpuͤren
war.
Jch vor mein Theil konnte mich eines Vergnuͤ-
gens nicht enthalten, das vielleicht allzu nahe mit
dem Hochmuth verwant war, ſo oft ich als Mutter
eines ſo liebenswuͤrdigen Kindes angeredet ward.
Mein Mann und ich bekamen einander deſto lieber,
weil wir ein gemeinſchaftliches Antheil an dieſer Toch-
ter hatten.
Sie muß dem Ueberfluß eines muͤtterlichen Her-
zens noch mehr dergleichen Lobes-Erhebungen, die
vielleicht Thorheiten ſind, zu gute halten. Jch woll-
te gern beſtaͤndig daran gedencken, was ſie ehemahls
war, wenn ich nur uͤber dieſer Erinnerung vergeſſen
koͤnnte, was ſie jetzund iſt.
So jung als ſie war, ſo konnte ich ihr doch allen
meinen Kummer anvertrauen. Jch war zum vor-
aus verſichert, daß ich von ihrer Klugheit Rath und
Troſt bekommen wuͤrde, und zwar dieſes auf eine
ſo beſcheidene und demuͤthige Art, daß der Unter-
ſcheid der Jahre, und das Verhaͤltniß, darinnen ei-
ne Tochter gegen eine Mutter ſtehet, im geringſten
nicht dadurch verletzet ward. Auſſer Hauſe gereichte
ſie uns zur Ehre, und in dem Hauſe zum Vergnuͤ-
gen. Jedermann war recht geitzig auf ihre Geſell-
ſchaſt, und wir zanckten uns beynahe uͤber ſie mit mei-
nes Mannes Bruͤdern, und mit meiner Schweſter.
Wir hatten keinen andern Streit, als wer das naͤchſte
mahl ihre Geſellſchaft genieſſen ſolte. Sie hat uns nie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/56>, abgerufen am 16.02.2025.
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