Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



dadurch ein kluges Frauenzimmer, welches gefehlt
zu haben glaubt, seinen Fehler wieder gut zu machen
suchet, und ohne jemahls seine Pflicht aus den Augen
zu setzen, sich bemühet, den richtigen Weg wieder zu
finden, den es ohne sein Wissen verlohren hat.

Ueberlegen Sie dieses, meine allerliebste Freun-
din, und behalten Sie ohne zu verzagen den Vorsatz,
daß Sie Jhre vermeinten Fehler wieder gut machen
wollen. Vielleicht ist es dennoch am Ende kein
Unglück, daß Sie gefehlet haben, nachdem Jhr
Wille nicht den geringsten Antheil an dem Fehler
genommen hat.

Jch brauche die Ausbrücke, verführen und
fehlen, nicht als meine eigenen Ausdrücke, sondern
nur deswegen, weil Sie sich selbst anklagen, und
weil ich mich sonst gern nach Jhren Meinungen
und Einsichten richte. Denn in meinem Hertzen
glaube ich, daß ihre gantze Aufführung sich ent-
schuldigen läßt, und daß blos die Leute anzuklagen
sind, die sich dadurch zu entschuldigen suchen, daß
sie Jhnen alle Schuld beymessen.

Jch glaube aber dem ohngeachtet, daß alles Jhr
künftiges Vergnügen durch dergleichen niedergeschla-
gene Gedancken allzusehr gemäßiget werden wird,
wenn Sie den Herrn Lovelacen nehmen, und an
ihm dem besten Mann haben sollten. Ehe Sie ihn
kannten, waren Sie ungemein glücklich, und bey-
nahe glücklicher, als es Menschen in diesem Leben
erwarten sollen. Jedermann betete Sie an. Der
Neid selbst, der sich jetzt unterstehet, sein giftiges
Haupt zu erheben, ward durch Jhre allzu grossen

und
Vierter Theil. C



dadurch ein kluges Frauenzimmer, welches gefehlt
zu haben glaubt, ſeinen Fehler wieder gut zu machen
ſuchet, und ohne jemahls ſeine Pflicht aus den Augen
zu ſetzen, ſich bemuͤhet, den richtigen Weg wieder zu
finden, den es ohne ſein Wiſſen verlohren hat.

Ueberlegen Sie dieſes, meine allerliebſte Freun-
din, und behalten Sie ohne zu verzagen den Vorſatz,
daß Sie Jhre vermeinten Fehler wieder gut machen
wollen. Vielleicht iſt es dennoch am Ende kein
Ungluͤck, daß Sie gefehlet haben, nachdem Jhr
Wille nicht den geringſten Antheil an dem Fehler
genommen hat.

Jch brauche die Ausbruͤcke, verfuͤhren und
fehlen, nicht als meine eigenen Ausdruͤcke, ſondern
nur deswegen, weil Sie ſich ſelbſt anklagen, und
weil ich mich ſonſt gern nach Jhren Meinungen
und Einſichten richte. Denn in meinem Hertzen
glaube ich, daß ihre gantze Auffuͤhrung ſich ent-
ſchuldigen laͤßt, und daß blos die Leute anzuklagen
ſind, die ſich dadurch zu entſchuldigen ſuchen, daß
ſie Jhnen alle Schuld beymeſſen.

Jch glaube aber dem ohngeachtet, daß alles Jhr
kuͤnftiges Vergnuͤgen durch dergleichen niedergeſchla-
gene Gedancken allzuſehr gemaͤßiget werden wird,
wenn Sie den Herrn Lovelacen nehmen, und an
ihm dem beſten Mann haben ſollten. Ehe Sie ihn
kannten, waren Sie ungemein gluͤcklich, und bey-
nahe gluͤcklicher, als es Menſchen in dieſem Leben
erwarten ſollen. Jedermann betete Sie an. Der
Neid ſelbſt, der ſich jetzt unterſtehet, ſein giftiges
Haupt zu erheben, ward durch Jhre allzu groſſen

und
Vierter Theil. C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0039" n="33"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
dadurch ein kluges Frauenzimmer, welches gefehlt<lb/>
zu haben glaubt, &#x017F;einen Fehler wieder gut zu machen<lb/>
&#x017F;uchet, und ohne jemahls &#x017F;eine Pflicht aus den Augen<lb/>
zu &#x017F;etzen, &#x017F;ich bemu&#x0364;het, den richtigen Weg wieder zu<lb/>
finden, den es ohne &#x017F;ein Wi&#x017F;&#x017F;en verlohren hat.</p><lb/>
          <p>Ueberlegen Sie die&#x017F;es, meine allerlieb&#x017F;te Freun-<lb/>
din, und behalten Sie ohne zu verzagen den Vor&#x017F;atz,<lb/>
daß Sie Jhre vermeinten Fehler wieder gut machen<lb/>
wollen. Vielleicht i&#x017F;t es dennoch am Ende kein<lb/>
Unglu&#x0364;ck, daß Sie gefehlet haben, nachdem Jhr<lb/>
Wille nicht den gering&#x017F;ten Antheil an dem Fehler<lb/>
genommen hat.</p><lb/>
          <p>Jch brauche die Ausbru&#x0364;cke, <hi rendition="#fr">verfu&#x0364;hren</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">fehlen,</hi> nicht als meine eigenen Ausdru&#x0364;cke, &#x017F;ondern<lb/>
nur deswegen, weil Sie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t anklagen, und<lb/>
weil ich mich &#x017F;on&#x017F;t gern nach Jhren Meinungen<lb/>
und Ein&#x017F;ichten richte. Denn in meinem Hertzen<lb/>
glaube ich, daß ihre gantze Auffu&#x0364;hrung &#x017F;ich ent-<lb/>
&#x017F;chuldigen la&#x0364;ßt, und daß blos die Leute anzuklagen<lb/>
&#x017F;ind, die &#x017F;ich dadurch zu ent&#x017F;chuldigen &#x017F;uchen, daß<lb/>
&#x017F;ie Jhnen alle Schuld beyme&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Jch glaube aber dem ohngeachtet, daß alles Jhr<lb/>
ku&#x0364;nftiges Vergnu&#x0364;gen durch dergleichen niederge&#x017F;chla-<lb/>
gene Gedancken allzu&#x017F;ehr gema&#x0364;ßiget werden wird,<lb/>
wenn Sie den Herrn <hi rendition="#fr">Lovelacen</hi> nehmen, und an<lb/>
ihm dem be&#x017F;ten Mann haben &#x017F;ollten. Ehe Sie ihn<lb/>
kannten, waren Sie ungemein glu&#x0364;cklich, und bey-<lb/>
nahe glu&#x0364;cklicher, als es Men&#x017F;chen in die&#x017F;em Leben<lb/>
erwarten &#x017F;ollen. Jedermann betete Sie an. Der<lb/>
Neid &#x017F;elb&#x017F;t, der &#x017F;ich jetzt unter&#x017F;tehet, &#x017F;ein giftiges<lb/>
Haupt zu erheben, ward durch Jhre allzu gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Vierter Theil.</hi> C</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0039] dadurch ein kluges Frauenzimmer, welches gefehlt zu haben glaubt, ſeinen Fehler wieder gut zu machen ſuchet, und ohne jemahls ſeine Pflicht aus den Augen zu ſetzen, ſich bemuͤhet, den richtigen Weg wieder zu finden, den es ohne ſein Wiſſen verlohren hat. Ueberlegen Sie dieſes, meine allerliebſte Freun- din, und behalten Sie ohne zu verzagen den Vorſatz, daß Sie Jhre vermeinten Fehler wieder gut machen wollen. Vielleicht iſt es dennoch am Ende kein Ungluͤck, daß Sie gefehlet haben, nachdem Jhr Wille nicht den geringſten Antheil an dem Fehler genommen hat. Jch brauche die Ausbruͤcke, verfuͤhren und fehlen, nicht als meine eigenen Ausdruͤcke, ſondern nur deswegen, weil Sie ſich ſelbſt anklagen, und weil ich mich ſonſt gern nach Jhren Meinungen und Einſichten richte. Denn in meinem Hertzen glaube ich, daß ihre gantze Auffuͤhrung ſich ent- ſchuldigen laͤßt, und daß blos die Leute anzuklagen ſind, die ſich dadurch zu entſchuldigen ſuchen, daß ſie Jhnen alle Schuld beymeſſen. Jch glaube aber dem ohngeachtet, daß alles Jhr kuͤnftiges Vergnuͤgen durch dergleichen niedergeſchla- gene Gedancken allzuſehr gemaͤßiget werden wird, wenn Sie den Herrn Lovelacen nehmen, und an ihm dem beſten Mann haben ſollten. Ehe Sie ihn kannten, waren Sie ungemein gluͤcklich, und bey- nahe gluͤcklicher, als es Menſchen in dieſem Leben erwarten ſollen. Jedermann betete Sie an. Der Neid ſelbſt, der ſich jetzt unterſtehet, ſein giftiges Haupt zu erheben, ward durch Jhre allzu groſſen und Vierter Theil. C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/39
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/39>, abgerufen am 18.04.2024.