die Fräulein sehr wachsam und argwöhnisch auf- gesühret. Wir hätten uns nicht einmahl die er- laubten Freyheiten vergönnet, die unter Verlobten gewöhnlich sind.
Jch zeigete ihm hierauf eine Abschrift mei- nes Entwurß der Ehestiftung; den Haupt- Jnhalt ihrer schriftlichen Antworten; mein Ein- ladungs. Schreiben an meinen Onckle, und des- sen großmüthige Antwort. Jch sagte aber dabey: weil ich befürchtet hätte, daß seine Unpäßlichkeit ei- nen neuen Ausschub verursachen könnte, und weil meine Geliebte blos aus Gehorsam und Liebe ge- gen die Jhrigen verlangte, daß die Hochzeit in der größesten Stille vor sich gehen sollte: so hätte ich nochmahls an meinen Onckle geschrieben und ihm seines Versprechens zu unserer Hochzeit zu kom- men erlassen. Jch erwartete alle Stunden eine Antwort auf dieses Schreiben.
Jch sagte ihm: die Ehestiftung würde jetzt eben von dem Advocaten Williams, von dessen Geschicklichkeit er ohne Zweifel gehöret haben wür- de, in bester Form Rechtens aufgesetzet. Da er jetzt in Londen wäre, so könnte er sich selbst nach diesem Umstande erkundigen. (Herr Williams war ihm bekannt.)
Jch sagte: wenn die Ehestiftung im Vollen aufgesetzt und in das reine geschrieben wäre, so fehlte weiter nichts als die Unterschrift, und die Bestimmung des erwünschten Tages. Jch such- te meine Ehre darin, daß ich mit einer Person, die ich so sehr liebte, auf das billigste verführe, und
selbst
die Fraͤulein ſehr wachſam und argwoͤhniſch auf- geſuͤhret. Wir haͤtten uns nicht einmahl die er- laubten Freyheiten vergoͤnnet, die unter Verlobten gewoͤhnlich ſind.
Jch zeigete ihm hierauf eine Abſchrift mei- nes Entwurß der Eheſtiftung; den Haupt- Jnhalt ihrer ſchriftlichen Antworten; mein Ein- ladungs. Schreiben an meinen Onckle, und deſ- ſen großmuͤthige Antwort. Jch ſagte aber dabey: weil ich befuͤrchtet haͤtte, daß ſeine Unpaͤßlichkeit ei- nen neuen Auſſchub verurſachen koͤnnte, und weil meine Geliebte blos aus Gehorſam und Liebe ge- gen die Jhrigen verlangte, daß die Hochzeit in der groͤßeſten Stille vor ſich gehen ſollte: ſo haͤtte ich nochmahls an meinen Onckle geſchrieben und ihm ſeines Verſprechens zu unſerer Hochzeit zu kom- men erlaſſen. Jch erwartete alle Stunden eine Antwort auf dieſes Schreiben.
Jch ſagte ihm: die Eheſtiftung wuͤrde jetzt eben von dem Advocaten Williams, von deſſen Geſchicklichkeit er ohne Zweifel gehoͤret haben wuͤr- de, in beſter Form Rechtens aufgeſetzet. Da er jetzt in Londen waͤre, ſo koͤnnte er ſich ſelbſt nach dieſem Umſtande erkundigen. (Herr Williams war ihm bekannt.)
Jch ſagte: wenn die Eheſtiftung im Vollen aufgeſetzt und in das reine geſchrieben waͤre, ſo fehlte weiter nichts als die Unterſchrift, und die Beſtimmung des erwuͤnſchten Tages. Jch ſuch- te meine Ehre darin, daß ich mit einer Perſon, die ich ſo ſehr liebte, auf das billigſte verfuͤhre, und
ſelbſt
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die Fraͤulein ſehr wachſam und argwoͤhniſch auf-
geſuͤhret. Wir haͤtten uns nicht einmahl die er-
laubten Freyheiten vergoͤnnet, die unter Verlobten
gewoͤhnlich ſind.
Jch zeigete ihm hierauf eine Abſchrift mei-
nes Entwurß der Eheſtiftung; den Haupt-
Jnhalt ihrer ſchriftlichen Antworten; mein Ein-
ladungs. Schreiben an meinen Onckle, und deſ-
ſen großmuͤthige Antwort. Jch ſagte aber dabey:
weil ich befuͤrchtet haͤtte, daß ſeine Unpaͤßlichkeit ei-
nen neuen Auſſchub verurſachen koͤnnte, und weil
meine Geliebte blos aus Gehorſam und Liebe ge-
gen die Jhrigen verlangte, daß die Hochzeit in der
groͤßeſten Stille vor ſich gehen ſollte: ſo haͤtte ich
nochmahls an meinen Onckle geſchrieben und ihm
ſeines Verſprechens zu unſerer Hochzeit zu kom-
men erlaſſen. Jch erwartete alle Stunden eine
Antwort auf dieſes Schreiben.
Jch ſagte ihm: die Eheſtiftung wuͤrde jetzt
eben von dem Advocaten Williams, von deſſen
Geſchicklichkeit er ohne Zweifel gehoͤret haben wuͤr-
de, in beſter Form Rechtens aufgeſetzet. Da er
jetzt in Londen waͤre, ſo koͤnnte er ſich ſelbſt nach
dieſem Umſtande erkundigen. (Herr Williams
war ihm bekannt.)
Jch ſagte: wenn die Eheſtiftung im Vollen
aufgeſetzt und in das reine geſchrieben waͤre, ſo
fehlte weiter nichts als die Unterſchrift, und die
Beſtimmung des erwuͤnſchten Tages. Jch ſuch-
te meine Ehre darin, daß ich mit einer Perſon, die
ich ſo ſehr liebte, auf das billigſte verfuͤhre, und
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/374>, abgerufen am 25.11.2024.
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