nem Onckle eine wissentliche Unwahrheit aufbin- de. Jch habe den Unwillen aller der Meinigen so lange erdulden müssen, und ich bin nicht gesin- net, ihn so theuer abzukaufen, daß ich darüber zur Lügnerin werde.
Aber bedencken sie, die Leute in dem Hau- se - - - -
Was frage ich nach denen? Jch verlange ihre Hochachtung und Freundschaft nicht. Brauchen sie alles zu wissen, was zwischen meinen Anver- wandten und mir vorgehet?
Jch frage auch nach den Leuten nichts. Aber nachdem ich uns gegen sie für Eheleute ausgege- ben habe, um Unglück zu vermeiden, so wollte ich nicht gern in ihren Augen so schwartz werden, als ein Lügner nach dem Urtheil meines lieben Kindes ist. Jch will lieber sterben, als mich so in das Angesicht Lügen ftrafen, nachdem ich von unserer Verehlichung alles so umständlich erzäh- let habe.
Die Leute im Hause mögen denn glauben, was sie wollen. Es ist ein Versehen von mir, daß ich sie in ihrem Jrrthum bestärcket habe. Sie ha- ben selbst so viele Umstände erdichten müssen, ei- ne eintzige Unwahrheit zu verkleistern; und das macht mich furchtsam, mich mit einer aberma- ligen Unwahrheit zu verwirren.
Sie sehen aber doch, daß ihr Onckle wün- schet, daß wir verheyrathet seyn möchten. Kön- nen wir uns nicht nachher in der Stille trauen las-
sen,
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nem Onckle eine wiſſentliche Unwahrheit aufbin- de. Jch habe den Unwillen aller der Meinigen ſo lange erdulden muͤſſen, und ich bin nicht geſin- net, ihn ſo theuer abzukaufen, daß ich daruͤber zur Luͤgnerin werde.
Aber bedencken ſie, die Leute in dem Hau- ſe ‒ ‒ ‒ ‒
Was frage ich nach denen? Jch verlange ihre Hochachtung und Freundſchaft nicht. Brauchen ſie alles zu wiſſen, was zwiſchen meinen Anver- wandten und mir vorgehet?
Jch frage auch nach den Leuten nichts. Aber nachdem ich uns gegen ſie fuͤr Eheleute ausgege- ben habe, um Ungluͤck zu vermeiden, ſo wollte ich nicht gern in ihren Augen ſo ſchwartz werden, als ein Luͤgner nach dem Urtheil meines lieben Kindes iſt. Jch will lieber ſterben, als mich ſo in das Angeſicht Luͤgen ftrafen, nachdem ich von unſerer Verehlichung alles ſo umſtaͤndlich erzaͤh- let habe.
Die Leute im Hauſe moͤgen denn glauben, was ſie wollen. Es iſt ein Verſehen von mir, daß ich ſie in ihrem Jrrthum beſtaͤrcket habe. Sie ha- ben ſelbſt ſo viele Umſtaͤnde erdichten muͤſſen, ei- ne eintzige Unwahrheit zu verkleiſtern; und das macht mich furchtſam, mich mit einer aberma- ligen Unwahrheit zu verwirren.
Sie ſehen aber doch, daß ihr Onckle wuͤn- ſchet, daß wir verheyrathet ſeyn moͤchten. Koͤn- nen wir uns nicht nachher in der Stille trauen laſ-
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nem Onckle eine wiſſentliche Unwahrheit aufbin-
de. Jch habe den Unwillen aller der Meinigen
ſo lange erdulden muͤſſen, und ich bin nicht geſin-
net, ihn ſo theuer abzukaufen, daß ich daruͤber
zur Luͤgnerin werde.
Aber bedencken ſie, die Leute in dem Hau-
ſe ‒ ‒ ‒ ‒
Was frage ich nach denen? Jch verlange ihre
Hochachtung und Freundſchaft nicht. Brauchen
ſie alles zu wiſſen, was zwiſchen meinen Anver-
wandten und mir vorgehet?
Jch frage auch nach den Leuten nichts. Aber
nachdem ich uns gegen ſie fuͤr Eheleute ausgege-
ben habe, um Ungluͤck zu vermeiden, ſo wollte
ich nicht gern in ihren Augen ſo ſchwartz werden,
als ein Luͤgner nach dem Urtheil meines lieben
Kindes iſt. Jch will lieber ſterben, als mich ſo
in das Angeſicht Luͤgen ftrafen, nachdem ich von
unſerer Verehlichung alles ſo umſtaͤndlich erzaͤh-
let habe.
Die Leute im Hauſe moͤgen denn glauben, was
ſie wollen. Es iſt ein Verſehen von mir, daß ich
ſie in ihrem Jrrthum beſtaͤrcket habe. Sie ha-
ben ſelbſt ſo viele Umſtaͤnde erdichten muͤſſen, ei-
ne eintzige Unwahrheit zu verkleiſtern; und das
macht mich furchtſam, mich mit einer aberma-
ligen Unwahrheit zu verwirren.
Sie ſehen aber doch, daß ihr Onckle wuͤn-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/367>, abgerufen am 22.07.2024.
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