Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


"Jch sagte: wenn sie seiner Fräulein Base
"wircklich übel begegneten, und sie sich in unglück-
"lichen Umständen befände, so würde sie bald noch
"einmahl schreiben: jetzt aber wäre mir es wahr-
"scheinlich, daß sie den Antrag ohne Hoffnung ei-
"nes glücklichen Erfolgs hätte thun lassen, um
"nur einen guten Vorwand zu haben, daß sie sich
"trauen ließe. Dieses würde mir noch wahr-
"scheinlicher, da ich von ihm vernähme, daß die
"Fräulein nicht selbst geschrieben hätte, sondern
"daß alles durch die Hand eines andern Frauen-
"zimmers gegangen wäre, welches mit der Fami-
"lie nicht am besten stünde. Diese Person wür-
"de nicht gebraucht seyn, wenn seine Fräulein
"Base wircklich etwas bey den ihrigen suchte."

Das war gut gedacht, Herr Capitain. Er-
zählen sie weiter.

"So blieb es, bis auf vorigen Sonntag A-
"bend, an welchem Herr Harlowe mit dem Pach-
"ter zu mir kam, der sie und ihre Gemahlin (wie
"ich hoffe) in der Comödie gesehen hätte. Weil
"nun jener Antrag, der sie als unverheyrathet
"vorstellete, noch gantz neu war, so war er für
"die Ehre seiner Base auf eine so unruhige Art
"besorgt, daß ich ihm anrieth, einen Menschen,
"auf den er sich verlassen könnte, nach London zu
"schicken, und sich genauer zu erkundigen."

Das war alles sehr gut. Folgete denn Herr
Harlowe ihrem Rath?

"Er schickte einen verständigen Mann nach
"London, auf den er sich verlassen konnte. Mich

"dünckt


„Jch ſagte: wenn ſie ſeiner Fraͤulein Baſe
„wircklich uͤbel begegneten, und ſie ſich in ungluͤck-
„lichen Umſtaͤnden befaͤnde, ſo wuͤrde ſie bald noch
„einmahl ſchreiben: jetzt aber waͤre mir es wahr-
„ſcheinlich, daß ſie den Antrag ohne Hoffnung ei-
„nes gluͤcklichen Erfolgs haͤtte thun laſſen, um
„nur einen guten Vorwand zu haben, daß ſie ſich
„trauen ließe. Dieſes wuͤrde mir noch wahr-
„ſcheinlicher, da ich von ihm vernaͤhme, daß die
„Fraͤulein nicht ſelbſt geſchrieben haͤtte, ſondern
„daß alles durch die Hand eines andern Frauen-
„zimmers gegangen waͤre, welches mit der Fami-
„lie nicht am beſten ſtuͤnde. Dieſe Perſon wuͤr-
„de nicht gebraucht ſeyn, wenn ſeine Fraͤulein
„Baſe wircklich etwas bey den ihrigen ſuchte.„

Das war gut gedacht, Herr Capitain. Er-
zaͤhlen ſie weiter.

„So blieb es, bis auf vorigen Sonntag A-
„bend, an welchem Herr Harlowe mit dem Pach-
„ter zu mir kam, der ſie und ihre Gemahlin (wie
„ich hoffe) in der Comoͤdie geſehen haͤtte. Weil
„nun jener Antrag, der ſie als unverheyrathet
„vorſtellete, noch gantz neu war, ſo war er fuͤr
„die Ehre ſeiner Baſe auf eine ſo unruhige Art
„beſorgt, daß ich ihm anrieth, einen Menſchen,
„auf den er ſich verlaſſen koͤnnte, nach London zu
„ſchicken, und ſich genauer zu erkundigen.„

Das war alles ſehr gut. Folgete denn Herr
Harlowe ihrem Rath?

„Er ſchickte einen verſtaͤndigen Mann nach
London, auf den er ſich verlaſſen konnte. Mich

„duͤnckt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0360" n="354"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>&#x201E;Jch &#x017F;agte: wenn &#x017F;ie &#x017F;einer Fra&#x0364;ulein Ba&#x017F;e<lb/>
&#x201E;wircklich u&#x0364;bel begegneten, und &#x017F;ie &#x017F;ich in unglu&#x0364;ck-<lb/>
&#x201E;lichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden befa&#x0364;nde, &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ie bald noch<lb/>
&#x201E;einmahl &#x017F;chreiben: jetzt aber wa&#x0364;re mir es wahr-<lb/>
&#x201E;&#x017F;cheinlich, daß &#x017F;ie den Antrag ohne Hoffnung ei-<lb/>
&#x201E;nes glu&#x0364;cklichen Erfolgs ha&#x0364;tte thun la&#x017F;&#x017F;en, um<lb/>
&#x201E;nur einen guten Vorwand zu haben, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;trauen ließe. Die&#x017F;es wu&#x0364;rde mir noch wahr-<lb/>
&#x201E;&#x017F;cheinlicher, da ich von ihm verna&#x0364;hme, daß die<lb/>
&#x201E;Fra&#x0364;ulein nicht &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;chrieben ha&#x0364;tte, &#x017F;ondern<lb/>
&#x201E;daß alles durch die Hand eines andern Frauen-<lb/>
&#x201E;zimmers gegangen wa&#x0364;re, welches mit der Fami-<lb/>
&#x201E;lie nicht am be&#x017F;ten &#x017F;tu&#x0364;nde. Die&#x017F;e Per&#x017F;on wu&#x0364;r-<lb/>
&#x201E;de nicht gebraucht &#x017F;eyn, wenn &#x017F;eine Fra&#x0364;ulein<lb/>
&#x201E;Ba&#x017F;e wircklich etwas bey den ihrigen &#x017F;uchte.&#x201E;</p><lb/>
          <p>Das war gut gedacht, Herr Capitain. Er-<lb/>
za&#x0364;hlen &#x017F;ie weiter.</p><lb/>
          <p>&#x201E;So blieb es, bis auf vorigen Sonntag A-<lb/>
&#x201E;bend, an welchem Herr <hi rendition="#fr">Harlowe</hi> mit dem Pach-<lb/>
&#x201E;ter zu mir kam, der &#x017F;ie und ihre Gemahlin (wie<lb/>
&#x201E;ich hoffe) in der Como&#x0364;die ge&#x017F;ehen ha&#x0364;tte. Weil<lb/>
&#x201E;nun jener Antrag, der &#x017F;ie als unverheyrathet<lb/>
&#x201E;vor&#x017F;tellete, noch gantz neu war, &#x017F;o war er fu&#x0364;r<lb/>
&#x201E;die Ehre &#x017F;einer Ba&#x017F;e auf eine &#x017F;o unruhige Art<lb/>
&#x201E;be&#x017F;orgt, daß ich ihm anrieth, einen Men&#x017F;chen,<lb/>
&#x201E;auf den er &#x017F;ich verla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnte, nach London zu<lb/>
&#x201E;&#x017F;chicken, und &#x017F;ich genauer zu erkundigen.&#x201E;</p><lb/>
          <p>Das war alles &#x017F;ehr gut. Folgete denn Herr<lb/><hi rendition="#fr">Harlowe</hi> ihrem Rath?</p><lb/>
          <p>&#x201E;Er &#x017F;chickte einen ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen Mann nach<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr">London,</hi> auf den er &#x017F;ich verla&#x017F;&#x017F;en konnte. Mich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;du&#x0364;nckt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[354/0360] „Jch ſagte: wenn ſie ſeiner Fraͤulein Baſe „wircklich uͤbel begegneten, und ſie ſich in ungluͤck- „lichen Umſtaͤnden befaͤnde, ſo wuͤrde ſie bald noch „einmahl ſchreiben: jetzt aber waͤre mir es wahr- „ſcheinlich, daß ſie den Antrag ohne Hoffnung ei- „nes gluͤcklichen Erfolgs haͤtte thun laſſen, um „nur einen guten Vorwand zu haben, daß ſie ſich „trauen ließe. Dieſes wuͤrde mir noch wahr- „ſcheinlicher, da ich von ihm vernaͤhme, daß die „Fraͤulein nicht ſelbſt geſchrieben haͤtte, ſondern „daß alles durch die Hand eines andern Frauen- „zimmers gegangen waͤre, welches mit der Fami- „lie nicht am beſten ſtuͤnde. Dieſe Perſon wuͤr- „de nicht gebraucht ſeyn, wenn ſeine Fraͤulein „Baſe wircklich etwas bey den ihrigen ſuchte.„ Das war gut gedacht, Herr Capitain. Er- zaͤhlen ſie weiter. „So blieb es, bis auf vorigen Sonntag A- „bend, an welchem Herr Harlowe mit dem Pach- „ter zu mir kam, der ſie und ihre Gemahlin (wie „ich hoffe) in der Comoͤdie geſehen haͤtte. Weil „nun jener Antrag, der ſie als unverheyrathet „vorſtellete, noch gantz neu war, ſo war er fuͤr „die Ehre ſeiner Baſe auf eine ſo unruhige Art „beſorgt, daß ich ihm anrieth, einen Menſchen, „auf den er ſich verlaſſen koͤnnte, nach London zu „ſchicken, und ſich genauer zu erkundigen.„ Das war alles ſehr gut. Folgete denn Herr Harlowe ihrem Rath? „Er ſchickte einen verſtaͤndigen Mann nach „London, auf den er ſich verlaſſen konnte. Mich „duͤnckt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/360
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/360>, abgerufen am 17.05.2024.