Kerl und die Frau. Wie sehr verdient Elisabeth eine Züchtigung für ihr Betragen gegen meine Göttin!
Jetzt eben gehet die Thür meiner Geliebten auf, und die rostrigen Thür-Angel ruffen mich durch ihr Knarren. Mein Hertz antwortet ihnen, und knar- ret und schläget ebenfalls. Ein alberner Einfall! Denn was für Gleichheit hat das Herz eines Ver- liebten mit ein Paar alten Thür-Angeln, die knarren, weil sie lange nicht geschmiert sind? Doch diese Thür-Angeln eröffnen und schliessen das Schlaaf-Ge- mach meines Kindes: ist das nicht genug?
Die Thür geht wieder zu. Jch hoffe, daß sie mich einiger Befehle würdigen wird. Warum ge- het sie so fremde mit mir um? Sie muß doch die Meinige werden, wenn ich mich noch so schwer an ihr versündige. Wenn ich einmahl Hertz bekom- me, oder zeige, daß ich Hertz habe, so wird alles in einer Stunde vorüber seyn. Denn wenn sie auch meint, daß sie aus diesem Hause entkommen könn- te, so weiß sie doch keinen Ort, dahin sie ihre Zuflucht nehmen darf. Jhre Eltern, ihre Onckels wollen sie nicht aufnehmen: ihre liebe Frau Norton muß sich nach jenen richten, und darf ihr keine Zuflucht in ihrem Hause verstatten: die Fräulein Howe wird es sich auch nicht unterstehen: in London hat sie keinen Freund ausser mir, ja sie ist gantz unbe- kannt in London. Warum soll sich denn das liebe Kind unterstehen, so strenge, so gebieterisch mit mir umzugehen? Wenn es die Ohnmöglichkeit mir zu entkommen einsähe, so würde es gegen mich
eben
Kerl und die Frau. Wie ſehr verdient Eliſabeth eine Zuͤchtigung fuͤr ihr Betragen gegen meine Goͤttin!
Jetzt eben gehet die Thuͤr meiner Geliebten auf, und die roſtrigen Thuͤr-Angel ruffen mich durch ihr Knarren. Mein Hertz antwortet ihnen, und knar- ret und ſchlaͤget ebenfalls. Ein alberner Einfall! Denn was fuͤr Gleichheit hat das Herz eines Ver- liebten mit ein Paar alten Thuͤr-Angeln, die knarren, weil ſie lange nicht geſchmiert ſind? Doch dieſe Thuͤr-Angeln eroͤffnen und ſchlieſſen das Schlaaf-Ge- mach meines Kindes: iſt das nicht genug?
Die Thuͤr geht wieder zu. Jch hoffe, daß ſie mich einiger Befehle wuͤrdigen wird. Warum ge- het ſie ſo fremde mit mir um? Sie muß doch die Meinige werden, wenn ich mich noch ſo ſchwer an ihr verſuͤndige. Wenn ich einmahl Hertz bekom- me, oder zeige, daß ich Hertz habe, ſo wird alles in einer Stunde voruͤber ſeyn. Denn wenn ſie auch meint, daß ſie aus dieſem Hauſe entkommen koͤnn- te, ſo weiß ſie doch keinen Ort, dahin ſie ihre Zuflucht nehmen darf. Jhre Eltern, ihre Onckels wollen ſie nicht aufnehmen: ihre liebe Frau Norton muß ſich nach jenen richten, und darf ihr keine Zuflucht in ihrem Hauſe verſtatten: die Fraͤulein Howe wird es ſich auch nicht unterſtehen: in London hat ſie keinen Freund auſſer mir, ja ſie iſt gantz unbe- kannt in London. Warum ſoll ſich denn das liebe Kind unterſtehen, ſo ſtrenge, ſo gebieteriſch mit mir umzugehen? Wenn es die Ohnmoͤglichkeit mir zu entkommen einſaͤhe, ſo wuͤrde es gegen mich
eben
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Kerl und die Frau. Wie ſehr verdient Eliſabeth
eine Zuͤchtigung fuͤr ihr Betragen gegen meine
Goͤttin!
Jetzt eben gehet die Thuͤr meiner Geliebten auf,
und die roſtrigen Thuͤr-Angel ruffen mich durch ihr
Knarren. Mein Hertz antwortet ihnen, und knar-
ret und ſchlaͤget ebenfalls. Ein alberner Einfall!
Denn was fuͤr Gleichheit hat das Herz eines Ver-
liebten mit ein Paar alten Thuͤr-Angeln, die knarren,
weil ſie lange nicht geſchmiert ſind? Doch dieſe
Thuͤr-Angeln eroͤffnen und ſchlieſſen das Schlaaf-Ge-
mach meines Kindes: iſt das nicht genug?
Die Thuͤr geht wieder zu. Jch hoffe, daß ſie
mich einiger Befehle wuͤrdigen wird. Warum ge-
het ſie ſo fremde mit mir um? Sie muß doch die
Meinige werden, wenn ich mich noch ſo ſchwer an
ihr verſuͤndige. Wenn ich einmahl Hertz bekom-
me, oder zeige, daß ich Hertz habe, ſo wird alles
in einer Stunde voruͤber ſeyn. Denn wenn ſie auch
meint, daß ſie aus dieſem Hauſe entkommen koͤnn-
te, ſo weiß ſie doch keinen Ort, dahin ſie ihre Zuflucht
nehmen darf. Jhre Eltern, ihre Onckels wollen
ſie nicht aufnehmen: ihre liebe Frau Norton muß
ſich nach jenen richten, und darf ihr keine Zuflucht
in ihrem Hauſe verſtatten: die Fraͤulein Howe
wird es ſich auch nicht unterſtehen: in London hat
ſie keinen Freund auſſer mir, ja ſie iſt gantz unbe-
kannt in London. Warum ſoll ſich denn das
liebe Kind unterſtehen, ſo ſtrenge, ſo gebieteriſch mit
mir umzugehen? Wenn es die Ohnmoͤglichkeit
mir zu entkommen einſaͤhe, ſo wuͤrde es gegen mich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/30>, abgerufen am 21.11.2024.
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