Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



die Catechismus-Lehre nimmt. Alle verlassen sich
darauf, daß ich viel vertragen kann.


Mein lieber Vetter,

Wir haben mit Schmertzen auf die Nachricht
gehoffet, daß das erwünschte Band geknü-
pfet wäre. Unser Onckel ist sehr unpaß gewesen:
er wüßte sich aber doch nicht zu beruhigen, wenn
er nicht selbst an Sie schreiben könnte. Er meinte,
dieses wäre die eintzige Gelegenheit die er vielleicht
in seinem Leben haben möchte, Jhnen eine gute
Ermahnung zu geben, die etwas fruchten würde.
Er hat sich alle Tage etliche Stunden hingesetzt,
zu schreiben, wenn das Podagra es ihm zuließ:
und er überlieset jetzt sein geschriebenes. Er
meint, es würde mehr bey Jhnen ausrichten, wenn
Sie sähen, daß alles mit seiner eigenen Hand ge-
schrieben wäre.

Gewiß, mein lieber Herr Vetter, das gantze
Hertz hängt ihm an Jhnen. Jch wollte, daß Sie
sich nur halb so lieb hätten, als er Sie hat. Jch
glaube aber, Sie würden sich selbst mehr lieben,
wenn Sie von Jhrer gantzen Familie etwas we-
niger geliebet würden.

Wenn unser Onckel nicht schreiben konnte, so
hat er den Pritchard zu sich kommen lassen, und
mit ihm von der Einträglichkeit der Güter gere-
det, die er Jhnen an dem erwünschten Tage zu
überlassen gedencket, damit er Jhren Brief desto

ange-



die Catechismus-Lehre nimmt. Alle verlaſſen ſich
darauf, daß ich viel vertragen kann.


Mein lieber Vetter,

Wir haben mit Schmertzen auf die Nachricht
gehoffet, daß das erwuͤnſchte Band geknuͤ-
pfet waͤre. Unſer Onckel iſt ſehr unpaß geweſen:
er wuͤßte ſich aber doch nicht zu beruhigen, wenn
er nicht ſelbſt an Sie ſchreiben koͤnnte. Er meinte,
dieſes waͤre die eintzige Gelegenheit die er vielleicht
in ſeinem Leben haben moͤchte, Jhnen eine gute
Ermahnung zu geben, die etwas fruchten wuͤrde.
Er hat ſich alle Tage etliche Stunden hingeſetzt,
zu ſchreiben, wenn das Podagra es ihm zuließ:
und er uͤberlieſet jetzt ſein geſchriebenes. Er
meint, es wuͤrde mehr bey Jhnen ausrichten, wenn
Sie ſaͤhen, daß alles mit ſeiner eigenen Hand ge-
ſchrieben waͤre.

Gewiß, mein lieber Herr Vetter, das gantze
Hertz haͤngt ihm an Jhnen. Jch wollte, daß Sie
ſich nur halb ſo lieb haͤtten, als er Sie hat. Jch
glaube aber, Sie wuͤrden ſich ſelbſt mehr lieben,
wenn Sie von Jhrer gantzen Familie etwas we-
niger geliebet wuͤrden.

Wenn unſer Onckel nicht ſchreiben konnte, ſo
hat er den Pritchard zu ſich kommen laſſen, und
mit ihm von der Eintraͤglichkeit der Guͤter gere-
det, die er Jhnen an dem erwuͤnſchten Tage zu
uͤberlaſſen gedencket, damit er Jhren Brief deſto

ange-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0282" n="276"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
die Catechismus-Lehre nimmt. Alle verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
darauf, daß ich viel vertragen kann.</p><lb/>
          <floatingText>
            <body>
              <dateline> <hi rendition="#et">M. &#x2012; &#x2012; Hall den 22&#x017F;ten May.</hi> </dateline><lb/>
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Mein lieber Vetter,</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p><hi rendition="#in">W</hi>ir haben mit Schmertzen auf die Nachricht<lb/>
gehoffet, daß das erwu&#x0364;n&#x017F;chte Band geknu&#x0364;-<lb/>
pfet wa&#x0364;re. Un&#x017F;er Onckel i&#x017F;t &#x017F;ehr unpaß gewe&#x017F;en:<lb/>
er wu&#x0364;ßte &#x017F;ich aber doch nicht zu beruhigen, wenn<lb/>
er nicht &#x017F;elb&#x017F;t an Sie &#x017F;chreiben ko&#x0364;nnte. Er meinte,<lb/>
die&#x017F;es wa&#x0364;re die eintzige Gelegenheit die er vielleicht<lb/>
in &#x017F;einem Leben haben mo&#x0364;chte, Jhnen eine gute<lb/>
Ermahnung zu geben, die etwas fruchten wu&#x0364;rde.<lb/>
Er hat &#x017F;ich alle Tage etliche Stunden hinge&#x017F;etzt,<lb/>
zu &#x017F;chreiben, wenn das Podagra es ihm zuließ:<lb/>
und er u&#x0364;berlie&#x017F;et jetzt &#x017F;ein ge&#x017F;chriebenes. Er<lb/>
meint, es wu&#x0364;rde mehr bey Jhnen ausrichten, wenn<lb/>
Sie &#x017F;a&#x0364;hen, daß alles mit &#x017F;einer eigenen Hand ge-<lb/>
&#x017F;chrieben wa&#x0364;re.</p><lb/>
              <p>Gewiß, mein lieber Herr Vetter, das gantze<lb/>
Hertz ha&#x0364;ngt ihm an Jhnen. Jch wollte, daß Sie<lb/>
&#x017F;ich nur halb &#x017F;o lieb ha&#x0364;tten, als er Sie hat. Jch<lb/>
glaube aber, Sie wu&#x0364;rden &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t mehr lieben,<lb/>
wenn Sie von Jhrer gantzen Familie etwas we-<lb/>
niger geliebet wu&#x0364;rden.</p><lb/>
              <p>Wenn un&#x017F;er Onckel nicht &#x017F;chreiben konnte, &#x017F;o<lb/>
hat er den <hi rendition="#fr">Pritchard</hi> zu &#x017F;ich kommen la&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
mit ihm von der Eintra&#x0364;glichkeit der Gu&#x0364;ter gere-<lb/>
det, die er Jhnen an dem erwu&#x0364;n&#x017F;chten Tage zu<lb/>
u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en gedencket, damit er Jhren Brief de&#x017F;to<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ange-</fw><lb/></p>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0282] die Catechismus-Lehre nimmt. Alle verlaſſen ſich darauf, daß ich viel vertragen kann. M. ‒ ‒ Hall den 22ſten May. Mein lieber Vetter, Wir haben mit Schmertzen auf die Nachricht gehoffet, daß das erwuͤnſchte Band geknuͤ- pfet waͤre. Unſer Onckel iſt ſehr unpaß geweſen: er wuͤßte ſich aber doch nicht zu beruhigen, wenn er nicht ſelbſt an Sie ſchreiben koͤnnte. Er meinte, dieſes waͤre die eintzige Gelegenheit die er vielleicht in ſeinem Leben haben moͤchte, Jhnen eine gute Ermahnung zu geben, die etwas fruchten wuͤrde. Er hat ſich alle Tage etliche Stunden hingeſetzt, zu ſchreiben, wenn das Podagra es ihm zuließ: und er uͤberlieſet jetzt ſein geſchriebenes. Er meint, es wuͤrde mehr bey Jhnen ausrichten, wenn Sie ſaͤhen, daß alles mit ſeiner eigenen Hand ge- ſchrieben waͤre. Gewiß, mein lieber Herr Vetter, das gantze Hertz haͤngt ihm an Jhnen. Jch wollte, daß Sie ſich nur halb ſo lieb haͤtten, als er Sie hat. Jch glaube aber, Sie wuͤrden ſich ſelbſt mehr lieben, wenn Sie von Jhrer gantzen Familie etwas we- niger geliebet wuͤrden. Wenn unſer Onckel nicht ſchreiben konnte, ſo hat er den Pritchard zu ſich kommen laſſen, und mit ihm von der Eintraͤglichkeit der Guͤter gere- det, die er Jhnen an dem erwuͤnſchten Tage zu uͤberlaſſen gedencket, damit er Jhren Brief deſto ange-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/282
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/282>, abgerufen am 17.05.2024.