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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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den Brief zu bemercken, der auf die Erde gefallen
war. O meine allerliebste Fräulein sagte ich, eben
ist Herr Mennell und ich auf einen glücklichen Ein-
fall gerathen. Damit ich die Frau Fretchville
bewegen möchte das Haus bald zu räumen, so habe
ich versprochen, wenn sie es anders gut finden, den
Koch, die Haus-Magd, und zwey Diener ihr ab-
zunehmen und sie selbst zu miethen, bis sie auf an-
dere Weise versorget sind. Denn sie war wegen
dieser Bedienten am meisten besorget. Damit kei-
ne Bequemlichkeit fehlen möge, so will ich alles Lin-
nen-Geräthe, das in die Haushaltung gehört, für
einen billigen Preiß übernehmen.

Jch soll so gleich fünf hundert Pfund erlegen, und
das übrige bezahlen so bald die Rechnung gefertiget
ist. Sie bekommen auf die Weise ein schönes Haus,
darin sie wohnen und meine Anverwandten empfan-
gen können. Diese werden bald bey ihnen seyn,
und werden nicht zugeben, daß sie meinen glücklichen
Tag allzu lange aufschieben, und damit in keinem
Stücke gegen den Wohlstand gesündiget werde, so
will ich nicht mit in das neue Haus ziehen, sondern
hier bey der Frau Sinclair bleiben und das übrige
alles ihrer Gütigkeit überlassen. O mein liebstes
Kind, ist ihnen dieser Vorschlag nicht gefällig? Jch
weiß gewiß, sie nehmen den Vorschlag an. Jch drück-
te sie hierauf näher an mich und gab ihr einen feuri-
geren Kuß, als ich mich jemahls unterstanden hatte:
ich lies mich aber dennoch nicht durch die Hitze über-
nehmen, denn ich setzte den Fuß auf den Brief, und
zog ihn vorwärts, damit ich ihn besser erreichen könnte.

Sie



den Brief zu bemercken, der auf die Erde gefallen
war. O meine allerliebſte Fraͤulein ſagte ich, eben
iſt Herr Mennell und ich auf einen gluͤcklichen Ein-
fall gerathen. Damit ich die Frau Fretchville
bewegen moͤchte das Haus bald zu raͤumen, ſo habe
ich verſprochen, wenn ſie es anders gut finden, den
Koch, die Haus-Magd, und zwey Diener ihr ab-
zunehmen und ſie ſelbſt zu miethen, bis ſie auf an-
dere Weiſe verſorget ſind. Denn ſie war wegen
dieſer Bedienten am meiſten beſorget. Damit kei-
ne Bequemlichkeit fehlen moͤge, ſo will ich alles Lin-
nen-Geraͤthe, das in die Haushaltung gehoͤrt, fuͤr
einen billigen Preiß uͤbernehmen.

Jch ſoll ſo gleich fuͤnf hundert Pfund erlegen, und
das uͤbrige bezahlen ſo bald die Rechnung gefertiget
iſt. Sie bekommen auf die Weiſe ein ſchoͤnes Haus,
darin ſie wohnen und meine Anverwandten empfan-
gen koͤnnen. Dieſe werden bald bey ihnen ſeyn,
und werden nicht zugeben, daß ſie meinen gluͤcklichen
Tag allzu lange aufſchieben, und damit in keinem
Stuͤcke gegen den Wohlſtand geſuͤndiget werde, ſo
will ich nicht mit in das neue Haus ziehen, ſondern
hier bey der Frau Sinclair bleiben und das uͤbrige
alles ihrer Guͤtigkeit uͤberlaſſen. O mein liebſtes
Kind, iſt ihnen dieſer Vorſchlag nicht gefaͤllig? Jch
weiß gewiß, ſie nehmen den Vorſchlag an. Jch druͤck-
te ſie hierauf naͤher an mich und gab ihr einen feuri-
geren Kuß, als ich mich jemahls unterſtanden hatte:
ich lies mich aber dennoch nicht durch die Hitze uͤber-
nehmen, denn ich ſetzte den Fuß auf den Brief, und
zog ihn vorwaͤrts, damit ich ihn beſſer erreichen koͤnnte.

Sie
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[16/0022] den Brief zu bemercken, der auf die Erde gefallen war. O meine allerliebſte Fraͤulein ſagte ich, eben iſt Herr Mennell und ich auf einen gluͤcklichen Ein- fall gerathen. Damit ich die Frau Fretchville bewegen moͤchte das Haus bald zu raͤumen, ſo habe ich verſprochen, wenn ſie es anders gut finden, den Koch, die Haus-Magd, und zwey Diener ihr ab- zunehmen und ſie ſelbſt zu miethen, bis ſie auf an- dere Weiſe verſorget ſind. Denn ſie war wegen dieſer Bedienten am meiſten beſorget. Damit kei- ne Bequemlichkeit fehlen moͤge, ſo will ich alles Lin- nen-Geraͤthe, das in die Haushaltung gehoͤrt, fuͤr einen billigen Preiß uͤbernehmen. Jch ſoll ſo gleich fuͤnf hundert Pfund erlegen, und das uͤbrige bezahlen ſo bald die Rechnung gefertiget iſt. Sie bekommen auf die Weiſe ein ſchoͤnes Haus, darin ſie wohnen und meine Anverwandten empfan- gen koͤnnen. Dieſe werden bald bey ihnen ſeyn, und werden nicht zugeben, daß ſie meinen gluͤcklichen Tag allzu lange aufſchieben, und damit in keinem Stuͤcke gegen den Wohlſtand geſuͤndiget werde, ſo will ich nicht mit in das neue Haus ziehen, ſondern hier bey der Frau Sinclair bleiben und das uͤbrige alles ihrer Guͤtigkeit uͤberlaſſen. O mein liebſtes Kind, iſt ihnen dieſer Vorſchlag nicht gefaͤllig? Jch weiß gewiß, ſie nehmen den Vorſchlag an. Jch druͤck- te ſie hierauf naͤher an mich und gab ihr einen feuri- geren Kuß, als ich mich jemahls unterſtanden hatte: ich lies mich aber dennoch nicht durch die Hitze uͤber- nehmen, denn ich ſetzte den Fuß auf den Brief, und zog ihn vorwaͤrts, damit ich ihn beſſer erreichen koͤnnte. Sie

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/22>, abgerufen am 29.03.2024.