plagen kann, der sich willig von ihr plagen läßt. Jch könnte aber gewiß mit diesem Engel nicht so umgehen, wenn ich nicht glaubte, daß ich sie doch noch endlich nach überstandener Prüfung so beloh- nen werde, wie sie es wünschet, wenn ich sie nicht zu der Lebensart überreden kann, die mir so ange- nehm ist.
Der Sonnabend ist schon halb verstrichen, und für uns eben so heiter gewesen als die vorigen Tage. Wir sind in dem Begriff, wegzufahren, Marichen hat sich Erlaubniß ausgebeten, mitzu- fahren, und sie von meiner Geliebten bekommen. Jch habe sie unterrichtet, bey welcher Gelegenheit sie weinen soll, sowohl damit sie durch ihre Thrä- nen ein mitleidiges Hertz verrathen möge, als auch damit es ihr nicht an Vorwand fehlen möge, ihr Gesichte etwas zu verbergen, um nicht erkannt zu werden. Wiewohl Marichen kein Mädchen für alle und jede ist. Wir werden in dem grünen Stübchen sitzen.
Das Hertz meines Kindes muß nothwendig weicher werden, wenn es eine so lebhafte Vorstel- lung des Unglücks ansiehet, als in diesem Trauer- Spiel insonderheit bey der Belviedra vorkommt. Wenn ich ein Mädchen habe können in die Co- mödie bringen, so habe ich meine Beute schon für gewiß gehalten. Wenn das Hertz der Schönen erst durch etwas Rührendes und Angenehmes aus- ser sich gebracht ist, so vergißt es alles Geräusch der Sitten und Gewohnheiten, und wird gantz liebreich und gütig: sonderlich wenn die Music
nicht
plagen kann, der ſich willig von ihr plagen laͤßt. Jch koͤnnte aber gewiß mit dieſem Engel nicht ſo umgehen, wenn ich nicht glaubte, daß ich ſie doch noch endlich nach uͤberſtandener Pruͤfung ſo beloh- nen werde, wie ſie es wuͤnſchet, wenn ich ſie nicht zu der Lebensart uͤberreden kann, die mir ſo ange- nehm iſt.
Der Sonnabend iſt ſchon halb verſtrichen, und fuͤr uns eben ſo heiter geweſen als die vorigen Tage. Wir ſind in dem Begriff, wegzufahren, Marichen hat ſich Erlaubniß ausgebeten, mitzu- fahren, und ſie von meiner Geliebten bekommen. Jch habe ſie unterrichtet, bey welcher Gelegenheit ſie weinen ſoll, ſowohl damit ſie durch ihre Thraͤ- nen ein mitleidiges Hertz verrathen moͤge, als auch damit es ihr nicht an Vorwand fehlen moͤge, ihr Geſichte etwas zu verbergen, um nicht erkannt zu werden. Wiewohl Marichen kein Maͤdchen fuͤr alle und jede iſt. Wir werden in dem gruͤnen Stuͤbchen ſitzen.
Das Hertz meines Kindes muß nothwendig weicher werden, wenn es eine ſo lebhafte Vorſtel- lung des Ungluͤcks anſiehet, als in dieſem Trauer- Spiel inſonderheit bey der Belviedra vorkommt. Wenn ich ein Maͤdchen habe koͤnnen in die Co- moͤdie bringen, ſo habe ich meine Beute ſchon fuͤr gewiß gehalten. Wenn das Hertz der Schoͤnen erſt durch etwas Ruͤhrendes und Angenehmes auſ- ſer ſich gebracht iſt, ſo vergißt es alles Geraͤuſch der Sitten und Gewohnheiten, und wird gantz liebreich und guͤtig: ſonderlich wenn die Muſic
nicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0161"n="155"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
plagen kann, der ſich willig von ihr plagen laͤßt.<lb/>
Jch koͤnnte aber gewiß mit dieſem Engel nicht ſo<lb/>
umgehen, wenn ich nicht glaubte, daß ich ſie doch<lb/>
noch endlich nach uͤberſtandener Pruͤfung ſo beloh-<lb/>
nen werde, wie ſie es wuͤnſchet, wenn ich ſie nicht<lb/>
zu der Lebensart uͤberreden kann, die mir ſo ange-<lb/>
nehm iſt.</p><lb/><p>Der Sonnabend iſt ſchon halb verſtrichen,<lb/>
und fuͤr uns eben ſo heiter geweſen als die vorigen<lb/>
Tage. Wir ſind in dem Begriff, wegzufahren,<lb/><hirendition="#fr">Marichen</hi> hat ſich Erlaubniß ausgebeten, mitzu-<lb/>
fahren, und ſie von meiner Geliebten bekommen.<lb/>
Jch habe ſie unterrichtet, bey welcher Gelegenheit<lb/>ſie weinen ſoll, ſowohl damit ſie durch ihre Thraͤ-<lb/>
nen ein mitleidiges Hertz verrathen moͤge, als auch<lb/>
damit es ihr nicht an Vorwand fehlen moͤge, ihr<lb/>
Geſichte etwas zu verbergen, um nicht erkannt zu<lb/>
werden. Wiewohl <hirendition="#fr">Marichen</hi> kein Maͤdchen fuͤr<lb/>
alle und jede iſt. Wir werden in dem gruͤnen<lb/>
Stuͤbchen ſitzen.</p><lb/><p>Das Hertz meines Kindes muß nothwendig<lb/>
weicher werden, wenn es eine ſo lebhafte Vorſtel-<lb/>
lung des Ungluͤcks anſiehet, als in dieſem Trauer-<lb/>
Spiel inſonderheit bey der <hirendition="#fr">Belviedra</hi> vorkommt.<lb/>
Wenn ich ein Maͤdchen habe koͤnnen in die Co-<lb/>
moͤdie bringen, ſo habe ich meine Beute ſchon fuͤr<lb/>
gewiß gehalten. Wenn das Hertz der Schoͤnen<lb/>
erſt durch etwas Ruͤhrendes und Angenehmes auſ-<lb/>ſer ſich gebracht iſt, ſo vergißt es alles Geraͤuſch<lb/>
der Sitten und Gewohnheiten, und wird gantz<lb/>
liebreich und guͤtig: ſonderlich wenn die Muſic<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nicht</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[155/0161]
plagen kann, der ſich willig von ihr plagen laͤßt.
Jch koͤnnte aber gewiß mit dieſem Engel nicht ſo
umgehen, wenn ich nicht glaubte, daß ich ſie doch
noch endlich nach uͤberſtandener Pruͤfung ſo beloh-
nen werde, wie ſie es wuͤnſchet, wenn ich ſie nicht
zu der Lebensart uͤberreden kann, die mir ſo ange-
nehm iſt.
Der Sonnabend iſt ſchon halb verſtrichen,
und fuͤr uns eben ſo heiter geweſen als die vorigen
Tage. Wir ſind in dem Begriff, wegzufahren,
Marichen hat ſich Erlaubniß ausgebeten, mitzu-
fahren, und ſie von meiner Geliebten bekommen.
Jch habe ſie unterrichtet, bey welcher Gelegenheit
ſie weinen ſoll, ſowohl damit ſie durch ihre Thraͤ-
nen ein mitleidiges Hertz verrathen moͤge, als auch
damit es ihr nicht an Vorwand fehlen moͤge, ihr
Geſichte etwas zu verbergen, um nicht erkannt zu
werden. Wiewohl Marichen kein Maͤdchen fuͤr
alle und jede iſt. Wir werden in dem gruͤnen
Stuͤbchen ſitzen.
Das Hertz meines Kindes muß nothwendig
weicher werden, wenn es eine ſo lebhafte Vorſtel-
lung des Ungluͤcks anſiehet, als in dieſem Trauer-
Spiel inſonderheit bey der Belviedra vorkommt.
Wenn ich ein Maͤdchen habe koͤnnen in die Co-
moͤdie bringen, ſo habe ich meine Beute ſchon fuͤr
gewiß gehalten. Wenn das Hertz der Schoͤnen
erſt durch etwas Ruͤhrendes und Angenehmes auſ-
ſer ſich gebracht iſt, ſo vergißt es alles Geraͤuſch
der Sitten und Gewohnheiten, und wird gantz
liebreich und guͤtig: ſonderlich wenn die Muſic
nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/161>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.