winckte ihr: sie hustete, und machte ihre Gebär- den, damit ich mercken sollte, sie verstünde mich; zwang ein Paar Rettungs-Sylben zum Munde heraus; und nachdem sie glücklich von der angefan- genen Rede abgekommen war, legte sie ihre bey- den Pferde-Lippen über einander, um stille zu schweigen.
Hier ist der Stoff zu meiner künftigen Arbeit, Belford. Kannst du dencken, daß ich alle die Mühe umsonst gehabt haben will, wenn du, oder der Lord M. schreiben und predigen? Nein ge- wiß nicht! wie mein Kind zu sagen pflegt, wenn es vornehm thut.
Was muß die Folge von dieser Unterredung seyn? Wird nicht mein Kind die Gefälligkeit selbst gegen mich seyn, wenn ich das nächstemahl vor dessen Angesicht gelassen werde?
Den Donnerstag waren wir sehr vergnügt. Der gantze Vormittag verstrich uns außerordent- lich frölich. Jch durfte ihre liebe Hand küssen. Jch darf dir diese Hand nicht beschreiben. Denn ich erinnere mich, daß deine Augen bey deinem Besuche beständig auf ihre Hand und Arm ge- richtet waren, wenn du einige Augenblicke von Bewunderung des Wunders der Schönheit, nehmlich ihres Gesichtes, stehlen konntest. Jch glaube, daß ich ihre Hand funfzigmahl geküsset habe. Einmahl traf mein Kuß ihre Wangen, ob ich ihn gleich den Lippen geweyhet hatte: allein
dieser
winckte ihr: ſie huſtete, und machte ihre Gebaͤr- den, damit ich mercken ſollte, ſie verſtuͤnde mich; zwang ein Paar Rettungs-Sylben zum Munde heraus; und nachdem ſie gluͤcklich von der angefan- genen Rede abgekommen war, legte ſie ihre bey- den Pferde-Lippen uͤber einander, um ſtille zu ſchweigen.
Hier iſt der Stoff zu meiner kuͤnftigen Arbeit, Belford. Kannſt du dencken, daß ich alle die Muͤhe umſonſt gehabt haben will, wenn du, oder der Lord M. ſchreiben und predigen? Nein ge- wiß nicht! wie mein Kind zu ſagen pflegt, wenn es vornehm thut.
Was muß die Folge von dieſer Unterredung ſeyn? Wird nicht mein Kind die Gefaͤlligkeit ſelbſt gegen mich ſeyn, wenn ich das naͤchſtemahl vor deſſen Angeſicht gelaſſen werde?
Den Donnerſtag waren wir ſehr vergnuͤgt. Der gantze Vormittag verſtrich uns außerordent- lich froͤlich. Jch durfte ihre liebe Hand kuͤſſen. Jch darf dir dieſe Hand nicht beſchreiben. Denn ich erinnere mich, daß deine Augen bey deinem Beſuche beſtaͤndig auf ihre Hand und Arm ge- richtet waren, wenn du einige Augenblicke von Bewunderung des Wunders der Schoͤnheit, nehmlich ihres Geſichtes, ſtehlen konnteſt. Jch glaube, daß ich ihre Hand funfzigmahl gekuͤſſet habe. Einmahl traf mein Kuß ihre Wangen, ob ich ihn gleich den Lippen geweyhet hatte: allein
dieſer
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winckte ihr: ſie huſtete, und machte ihre Gebaͤr-
den, damit ich mercken ſollte, ſie verſtuͤnde mich;
zwang ein Paar Rettungs-Sylben zum Munde
heraus; und nachdem ſie gluͤcklich von der angefan-
genen Rede abgekommen war, legte ſie ihre bey-
den Pferde-Lippen uͤber einander, um ſtille zu
ſchweigen.
Hier iſt der Stoff zu meiner kuͤnftigen Arbeit,
Belford. Kannſt du dencken, daß ich alle die
Muͤhe umſonſt gehabt haben will, wenn du, oder
der Lord M. ſchreiben und predigen? Nein ge-
wiß nicht! wie mein Kind zu ſagen pflegt, wenn
es vornehm thut.
Was muß die Folge von dieſer Unterredung
ſeyn? Wird nicht mein Kind die Gefaͤlligkeit ſelbſt
gegen mich ſeyn, wenn ich das naͤchſtemahl vor
deſſen Angeſicht gelaſſen werde?
Den Donnerſtag waren wir ſehr vergnuͤgt.
Der gantze Vormittag verſtrich uns außerordent-
lich froͤlich. Jch durfte ihre liebe Hand kuͤſſen.
Jch darf dir dieſe Hand nicht beſchreiben. Denn
ich erinnere mich, daß deine Augen bey deinem
Beſuche beſtaͤndig auf ihre Hand und Arm ge-
richtet waren, wenn du einige Augenblicke von
Bewunderung des Wunders der Schoͤnheit,
nehmlich ihres Geſichtes, ſtehlen konnteſt. Jch
glaube, daß ich ihre Hand funfzigmahl gekuͤſſet
habe. Einmahl traf mein Kuß ihre Wangen, ob
ich ihn gleich den Lippen geweyhet hatte: allein
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/158>, abgerufen am 23.07.2024.
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