Doch wieder auf das vorige zu kommen. Wenn ich jetzt meine Aufführung nicht genug gerechtfer- tiget habe, so beziehe ich mich auf meinen Brief von dem dreyzehnten des vorigen Monaths. Jch hoffe, daß du meine Briefe mehr als einmahl le- sen wirst.
Es ist mir nicht zuwider, daß du dich so sehr vor meinem Zorn fürchtest, und so gleich unruhig wirst, wenn ich nur einen Tag nicht schreibe. Dein Gewissen muß dir doch sagen, daß du meine Un- gnade verdienet hast: und wenn es dich hievon über- zeuget hat, so bist du schon vor dem Rückfall in eben dieselbe Sünde verwahret. Laß dich warnen! Jch weiß nun, wie ich dich strafen kann: und es könnte mir leicht in den Sinn kommen, dich durch mein Stillschweigen zu strafen, ob ich gleich eben so gern von einer so angenehmen Materie schreibe, als du davon etwas liesest.
Als ich noch ein kleiner Junge war, so sahe ich mich gleich nach einem Stein oder Stock um, wenn ein Hund vor mir lief: und wenn ich keins von bey- den finden konnte, so warf ich meinen Hut hinter ihm her, damit er Ursache haben möchte, sich zu fürch- ten. Was nützt uns die Gewalt, wenn wir sie nicht gebrauchen?
Berichte meinem Onckle, daß du ein Blat an mich voll geschmiert hast, ohne ihm den Jnhalt zu melden: denn so schlecht deine Gründe sind, so wür- den sie ihm doch wichtig vorkommen. Wenn man einmahl haben will, daß eine Sache wahr seyn soll, so läßt man sich auch durch schlechte Beweise über-
zeugen.
Doch wieder auf das vorige zu kommen. Wenn ich jetzt meine Auffuͤhrung nicht genug gerechtfer- tiget habe, ſo beziehe ich mich auf meinen Brief von dem dreyzehnten des vorigen Monaths. Jch hoffe, daß du meine Briefe mehr als einmahl le- ſen wirſt.
Es iſt mir nicht zuwider, daß du dich ſo ſehr vor meinem Zorn fuͤrchteſt, und ſo gleich unruhig wirſt, wenn ich nur einen Tag nicht ſchreibe. Dein Gewiſſen muß dir doch ſagen, daß du meine Un- gnade verdienet haſt: und wenn es dich hievon uͤber- zeuget hat, ſo biſt du ſchon vor dem Ruͤckfall in eben dieſelbe Suͤnde verwahret. Laß dich warnen! Jch weiß nun, wie ich dich ſtrafen kann: und es koͤnnte mir leicht in den Sinn kommen, dich durch mein Stillſchweigen zu ſtrafen, ob ich gleich eben ſo gern von einer ſo angenehmen Materie ſchreibe, als du davon etwas lieſeſt.
Als ich noch ein kleiner Junge war, ſo ſahe ich mich gleich nach einem Stein oder Stock um, wenn ein Hund vor mir lief: und wenn ich keins von bey- den finden konnte, ſo warf ich meinen Hut hinter ihm her, damit er Urſache haben moͤchte, ſich zu fuͤrch- ten. Was nuͤtzt uns die Gewalt, wenn wir ſie nicht gebrauchen?
Berichte meinem Onckle, daß du ein Blat an mich voll geſchmiert haſt, ohne ihm den Jnhalt zu melden: denn ſo ſchlecht deine Gruͤnde ſind, ſo wuͤr- den ſie ihm doch wichtig vorkommen. Wenn man einmahl haben will, daß eine Sache wahr ſeyn ſoll, ſo laͤßt man ſich auch durch ſchlechte Beweiſe uͤber-
zeugen.
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Doch wieder auf das vorige zu kommen. Wenn
ich jetzt meine Auffuͤhrung nicht genug gerechtfer-
tiget habe, ſo beziehe ich mich auf meinen Brief
von dem dreyzehnten des vorigen Monaths. Jch
hoffe, daß du meine Briefe mehr als einmahl le-
ſen wirſt.
Es iſt mir nicht zuwider, daß du dich ſo ſehr
vor meinem Zorn fuͤrchteſt, und ſo gleich unruhig
wirſt, wenn ich nur einen Tag nicht ſchreibe. Dein
Gewiſſen muß dir doch ſagen, daß du meine Un-
gnade verdienet haſt: und wenn es dich hievon uͤber-
zeuget hat, ſo biſt du ſchon vor dem Ruͤckfall in eben
dieſelbe Suͤnde verwahret. Laß dich warnen! Jch
weiß nun, wie ich dich ſtrafen kann: und es koͤnnte
mir leicht in den Sinn kommen, dich durch mein
Stillſchweigen zu ſtrafen, ob ich gleich eben ſo gern
von einer ſo angenehmen Materie ſchreibe, als du
davon etwas lieſeſt.
Als ich noch ein kleiner Junge war, ſo ſahe ich
mich gleich nach einem Stein oder Stock um, wenn
ein Hund vor mir lief: und wenn ich keins von bey-
den finden konnte, ſo warf ich meinen Hut hinter ihm
her, damit er Urſache haben moͤchte, ſich zu fuͤrch-
ten. Was nuͤtzt uns die Gewalt, wenn wir ſie
nicht gebrauchen?
Berichte meinem Onckle, daß du ein Blat an
mich voll geſchmiert haſt, ohne ihm den Jnhalt zu
melden: denn ſo ſchlecht deine Gruͤnde ſind, ſo wuͤr-
den ſie ihm doch wichtig vorkommen. Wenn man
einmahl haben will, daß eine Sache wahr ſeyn ſoll,
ſo laͤßt man ſich auch durch ſchlechte Beweiſe uͤber-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/130>, abgerufen am 21.11.2024.
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