Jch antwortete ihm: so viel könnte ich zuverläs- sig sagen, daß ich nichts mehr wünschete, als Frie- den und Aussöhnung mit den Meinigen. Was andere Dinge anbeträffe, so glaubte ich, daß er von selbst mehr thun würde, als ich verlangete. Wenn er also nur deswegen an den Lord M. zu schreiben gedächte, damit er erführe, was dieser für mich zu thun gedächte, so könnte er sich die Mühe ersparen. Denn meine Wünsche die mich selbst beträffen, wä- ren viel leichter erfüllet, als er es dencken möchte.
Er fragte mich: ob ihm es denn erlaubt wäre, in so fern seines glücklichen Tages zu gedencken, daß er seinen Onckle bäte, gegenwärtig zu seyn, und Vaters-Stelle zu vertreten?
Vater, antwortete ich, wäre ein Schall, der immer bey mir Ehrfurcht erweckete. Jch wollte wünschen, daß ich einen Vater hätte, der mich Tochter nennen wollte.
War das nicht deutlich geredet? Jch habe aber nachher erst bedacht, was ich gesagt habe, und hat- te damahls nicht im Sinne, so frey zu reden. Denn ich dachte eben mit einem tieffen Seufzer, der vom Hertzen ging, an meinen Vater, und bedaurte, daß ich von ihm und von meiner Mutter verstossen bin.
Herr Lovelace schien über meinen Ausdruck, und über den bekümmerten Gedancken, den ich verrieth, beweget zu werden.
Jch sagte mit nassen Augen: Jch bin noch ein sehr junges Kind, Herr Lovelace, ob sie gleich die Gütigkeit gehabt haben, aus Liebe zu mir mich
mit
Jch antwortete ihm: ſo viel koͤnnte ich zuverlaͤſ- ſig ſagen, daß ich nichts mehr wuͤnſchete, als Frie- den und Ausſoͤhnung mit den Meinigen. Was andere Dinge anbetraͤffe, ſo glaubte ich, daß er von ſelbſt mehr thun wuͤrde, als ich verlangete. Wenn er alſo nur deswegen an den Lord M. zu ſchreiben gedaͤchte, damit er erfuͤhre, was dieſer fuͤr mich zu thun gedaͤchte, ſo koͤnnte er ſich die Muͤhe erſparen. Denn meine Wuͤnſche die mich ſelbſt betraͤffen, waͤ- ren viel leichter erfuͤllet, als er es dencken moͤchte.
Er fragte mich: ob ihm es denn erlaubt waͤre, in ſo fern ſeines gluͤcklichen Tages zu gedencken, daß er ſeinen Onckle baͤte, gegenwaͤrtig zu ſeyn, und Vaters-Stelle zu vertreten?
Vater, antwortete ich, waͤre ein Schall, der immer bey mir Ehrfurcht erweckete. Jch wollte wuͤnſchen, daß ich einen Vater haͤtte, der mich Tochter nennen wollte.
War das nicht deutlich geredet? Jch habe aber nachher erſt bedacht, was ich geſagt habe, und hat- te damahls nicht im Sinne, ſo frey zu reden. Denn ich dachte eben mit einem tieffen Seufzer, der vom Hertzen ging, an meinen Vater, und bedaurte, daß ich von ihm und von meiner Mutter verſtoſſen bin.
Herr Lovelace ſchien uͤber meinen Ausdruck, und uͤber den bekuͤmmerten Gedancken, den ich verrieth, beweget zu werden.
Jch ſagte mit naſſen Augen: Jch bin noch ein ſehr junges Kind, Herr Lovelace, ob ſie gleich die Guͤtigkeit gehabt haben, aus Liebe zu mir mich
mit
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Jch antwortete ihm: ſo viel koͤnnte ich zuverlaͤſ-
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andere Dinge anbetraͤffe, ſo glaubte ich, daß er von
ſelbſt mehr thun wuͤrde, als ich verlangete. Wenn
er alſo nur deswegen an den Lord M. zu ſchreiben
gedaͤchte, damit er erfuͤhre, was dieſer fuͤr mich zu
thun gedaͤchte, ſo koͤnnte er ſich die Muͤhe erſparen.
Denn meine Wuͤnſche die mich ſelbſt betraͤffen, waͤ-
ren viel leichter erfuͤllet, als er es dencken moͤchte.
Er fragte mich: ob ihm es denn erlaubt waͤre,
in ſo fern ſeines gluͤcklichen Tages zu gedencken, daß
er ſeinen Onckle baͤte, gegenwaͤrtig zu ſeyn, und
Vaters-Stelle zu vertreten?
Vater, antwortete ich, waͤre ein Schall, der
immer bey mir Ehrfurcht erweckete. Jch wollte
wuͤnſchen, daß ich einen Vater haͤtte, der mich
Tochter nennen wollte.
War das nicht deutlich geredet? Jch habe aber
nachher erſt bedacht, was ich geſagt habe, und hat-
te damahls nicht im Sinne, ſo frey zu reden. Denn
ich dachte eben mit einem tieffen Seufzer, der vom
Hertzen ging, an meinen Vater, und bedaurte, daß ich
von ihm und von meiner Mutter verſtoſſen bin.
Herr Lovelace ſchien uͤber meinen Ausdruck, und
uͤber den bekuͤmmerten Gedancken, den ich verrieth,
beweget zu werden.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/100>, abgerufen am 21.11.2024.
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