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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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ich keine Geduld weder gegen sie noch gegen mich
behalte. Doch nicht mehr hievon. Sagen sie
mir nur, ich bitte sie demüthig (mein Unwille
machte, daß ich mich höhnisch bückte) ob sie so
gütig seyn wollen, mich allein zu lassen, oder ob ich
aus einem Gefängniß in ein anderes Gefängniß
geflüchtet bin. - -

Durch Künste hieher gebracht? Fräulein.
Jch soll ihnen sagen, ob sie aus einem Gefäng-
niß in ein anderes Gefängniß geflüchtet
sind?
Und das sagen sie mit den artigen liebens-
würdigen Gebeerden, die mir durch das Hertz
gehen müssen! das ist sonderbahr! unbegreiflich!
brauche ich darauf zu antworten? Sie sind gantz
frey, und können völlig befehlen, was geschehen
soll. Es würde ungereimt seyn, wenn sie nicht
frey wären. Jch will sie den Augenblick allein
lassen, wenn wir an einem sichern Orte sind.
Eine eintzige Bedingung will ich mir aber nur von
ihnen ausbitten; nehmlich diese: nachdem sie frey
sind, so erneuren sie das Versprechen, das sie vor-
hin freywillig gethan haben: freywillig, sage ich,
sonst würde ich mich nicht unterstehen, diese Bit-
te zu thun. So wenig ich aus einem jeden Daum-
Breit der mir zugestanden wird eine Hand-Breit
machen will, so unerträglich ist es mir, das zu
verlieren, was ich vorhin erlangt zu haben hoffen
durfte. Versprechen sie mir also: "sie mögen sich
"mit den Jhrigen vergleichen wie sie wollen, daß
"sie dennoch keinen andern als mich nehmen wol-
"len, so lange ich am Leben und unverheyrathet

bin,
E 2



ich keine Geduld weder gegen ſie noch gegen mich
behalte. Doch nicht mehr hievon. Sagen ſie
mir nur, ich bitte ſie demuͤthig (mein Unwille
machte, daß ich mich hoͤhniſch buͤckte) ob ſie ſo
guͤtig ſeyn wollen, mich allein zu laſſen, oder ob ich
aus einem Gefaͤngniß in ein anderes Gefaͤngniß
gefluͤchtet bin. ‒ ‒

Durch Kuͤnſte hieher gebracht? Fraͤulein.
Jch ſoll ihnen ſagen, ob ſie aus einem Gefaͤng-
niß in ein anderes Gefaͤngniß gefluͤchtet
ſind?
Und das ſagen ſie mit den artigen liebens-
wuͤrdigen Gebeerden, die mir durch das Hertz
gehen muͤſſen! das iſt ſonderbahr! unbegreiflich!
brauche ich darauf zu antworten? Sie ſind gantz
frey, und koͤnnen voͤllig befehlen, was geſchehen
ſoll. Es wuͤrde ungereimt ſeyn, wenn ſie nicht
frey waͤren. Jch will ſie den Augenblick allein
laſſen, wenn wir an einem ſichern Orte ſind.
Eine eintzige Bedingung will ich mir aber nur von
ihnen ausbitten; nehmlich dieſe: nachdem ſie frey
ſind, ſo erneuren ſie das Verſprechen, das ſie vor-
hin freywillig gethan haben: freywillig, ſage ich,
ſonſt wuͤrde ich mich nicht unterſtehen, dieſe Bit-
te zu thun. So wenig ich aus einem jeden Daum-
Breit der mir zugeſtanden wird eine Hand-Breit
machen will, ſo unertraͤglich iſt es mir, das zu
verlieren, was ich vorhin erlangt zu haben hoffen
durfte. Verſprechen ſie mir alſo: „ſie moͤgen ſich
„mit den Jhrigen vergleichen wie ſie wollen, daß
„ſie dennoch keinen andern als mich nehmen wol-
„len, ſo lange ich am Leben und unverheyrathet

bin,
E 2
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[67/0081] ich keine Geduld weder gegen ſie noch gegen mich behalte. Doch nicht mehr hievon. Sagen ſie mir nur, ich bitte ſie demuͤthig (mein Unwille machte, daß ich mich hoͤhniſch buͤckte) ob ſie ſo guͤtig ſeyn wollen, mich allein zu laſſen, oder ob ich aus einem Gefaͤngniß in ein anderes Gefaͤngniß gefluͤchtet bin. ‒ ‒ Durch Kuͤnſte hieher gebracht? Fraͤulein. Jch ſoll ihnen ſagen, ob ſie aus einem Gefaͤng- niß in ein anderes Gefaͤngniß gefluͤchtet ſind? Und das ſagen ſie mit den artigen liebens- wuͤrdigen Gebeerden, die mir durch das Hertz gehen muͤſſen! das iſt ſonderbahr! unbegreiflich! brauche ich darauf zu antworten? Sie ſind gantz frey, und koͤnnen voͤllig befehlen, was geſchehen ſoll. Es wuͤrde ungereimt ſeyn, wenn ſie nicht frey waͤren. Jch will ſie den Augenblick allein laſſen, wenn wir an einem ſichern Orte ſind. Eine eintzige Bedingung will ich mir aber nur von ihnen ausbitten; nehmlich dieſe: nachdem ſie frey ſind, ſo erneuren ſie das Verſprechen, das ſie vor- hin freywillig gethan haben: freywillig, ſage ich, ſonſt wuͤrde ich mich nicht unterſtehen, dieſe Bit- te zu thun. So wenig ich aus einem jeden Daum- Breit der mir zugeſtanden wird eine Hand-Breit machen will, ſo unertraͤglich iſt es mir, das zu verlieren, was ich vorhin erlangt zu haben hoffen durfte. Verſprechen ſie mir alſo: „ſie moͤgen ſich „mit den Jhrigen vergleichen wie ſie wollen, daß „ſie dennoch keinen andern als mich nehmen wol- „len, ſo lange ich am Leben und unverheyrathet bin, E 2

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/81>, abgerufen am 26.11.2024.