Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



völlig freye Person, die ihr Hertz verschencken
kann. Jch thuhe diese Bitte blos unter den Be-
dingungen, die ich schon eingegangen habe. Eben-
falls bitte ich auch demüthig (hiebey fiel der hoch-
müthige Mensch auf die Kniee) um Vergebung
daß ich ihnen so lange mit meinen Reden beschwer-
lich gefallen bin, und daß ich ihnen manches so
deutlich gesagt habe, als es mein allzu aufrichti-
ges Hertz heraus sagen mußte.

O Herr Lovelace, ich bitte sie, stehen sie auf.
Erlauben sie der Person zu knieen, der die Wohl-
that widerfahren ist. Allein fahren sie nicht fort,
in eben dem Ton zu reden; darum will ich gebe-
ten haben. Sie haben meinetwegen sehr viel Mü-
he gehabt: allein ich wollte sie eines großen Theils
dieser Mühe überhoben haben, wenn sie mir vor-
her gesagt hätten, daß sie eine Belohnung ihrer
Mühe als eine Schuldigkeit erwarteten. Es sey
weit von mir entfernet, so außerordentlich große
Verdienste, die sie um mich haben, herunter zu
setzen. Allein vergönnen sie mir zu sagen, daß
man mich weder eingesperret noch sonst so hart
gehalten haben würde, wann nicht der verbotene
Briefwechsel Anlaß dazu gegeben hätte, zu dem sie
mich gezwungen haben, und den ich gewiß nicht
würde fortgesetzt haben, (wie denn fast jeder Brief
der letzte seyn sollte) wenn ich nicht geglaubt hätte
daß ihnen von den Meinigen zu viel geschehen sey.
Meines Bruders niederträchtiger Bosheit würde
es an einen Vorwand gefehlt haben, wenn dieser
Briefwechsel nicht gewesen wäre.

Jch



voͤllig freye Perſon, die ihr Hertz verſchencken
kann. Jch thuhe dieſe Bitte blos unter den Be-
dingungen, die ich ſchon eingegangen habe. Eben-
falls bitte ich auch demuͤthig (hiebey fiel der hoch-
muͤthige Menſch auf die Kniee) um Vergebung
daß ich ihnen ſo lange mit meinen Reden beſchwer-
lich gefallen bin, und daß ich ihnen manches ſo
deutlich geſagt habe, als es mein allzu aufrichti-
ges Hertz heraus ſagen mußte.

O Herr Lovelace, ich bitte ſie, ſtehen ſie auf.
Erlauben ſie der Perſon zu knieen, der die Wohl-
that widerfahren iſt. Allein fahren ſie nicht fort,
in eben dem Ton zu reden; darum will ich gebe-
ten haben. Sie haben meinetwegen ſehr viel Muͤ-
he gehabt: allein ich wollte ſie eines großen Theils
dieſer Muͤhe uͤberhoben haben, wenn ſie mir vor-
her geſagt haͤtten, daß ſie eine Belohnung ihrer
Muͤhe als eine Schuldigkeit erwarteten. Es ſey
weit von mir entfernet, ſo außerordentlich große
Verdienſte, die ſie um mich haben, herunter zu
ſetzen. Allein vergoͤnnen ſie mir zu ſagen, daß
man mich weder eingeſperret noch ſonſt ſo hart
gehalten haben wuͤrde, wann nicht der verbotene
Briefwechſel Anlaß dazu gegeben haͤtte, zu dem ſie
mich gezwungen haben, und den ich gewiß nicht
wuͤrde fortgeſetzt haben, (wie denn faſt jeder Brief
der letzte ſeyn ſollte) wenn ich nicht geglaubt haͤtte
daß ihnen von den Meinigen zu viel geſchehen ſey.
Meines Bruders niedertraͤchtiger Bosheit wuͤrde
es an einen Vorwand gefehlt haben, wenn dieſer
Briefwechſel nicht geweſen waͤre.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0078" n="64"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
vo&#x0364;llig freye Per&#x017F;on, die ihr Hertz ver&#x017F;chencken<lb/>
kann. Jch thuhe die&#x017F;e Bitte blos unter den Be-<lb/>
dingungen, die ich &#x017F;chon eingegangen habe. Eben-<lb/>
falls bitte ich auch demu&#x0364;thig (hiebey fiel der hoch-<lb/>
mu&#x0364;thige Men&#x017F;ch auf die Kniee) um Vergebung<lb/>
daß ich ihnen &#x017F;o lange mit meinen Reden be&#x017F;chwer-<lb/>
lich gefallen bin, und daß ich ihnen manches &#x017F;o<lb/>
deutlich ge&#x017F;agt habe, als es mein allzu aufrichti-<lb/>
ges Hertz heraus &#x017F;agen mußte.</p><lb/>
          <p>O Herr <hi rendition="#fr">Lovelace,</hi> ich bitte &#x017F;ie, &#x017F;tehen &#x017F;ie auf.<lb/>
Erlauben &#x017F;ie der Per&#x017F;on zu knieen, der die Wohl-<lb/>
that widerfahren i&#x017F;t. Allein fahren &#x017F;ie nicht fort,<lb/>
in eben dem Ton zu reden; darum will ich gebe-<lb/>
ten haben. Sie haben meinetwegen &#x017F;ehr viel Mu&#x0364;-<lb/>
he gehabt: allein ich wollte &#x017F;ie eines großen Theils<lb/>
die&#x017F;er Mu&#x0364;he u&#x0364;berhoben haben, wenn &#x017F;ie mir vor-<lb/>
her ge&#x017F;agt ha&#x0364;tten, daß &#x017F;ie eine Belohnung ihrer<lb/>
Mu&#x0364;he als eine Schuldigkeit erwarteten. Es &#x017F;ey<lb/>
weit von mir entfernet, &#x017F;o außerordentlich große<lb/>
Verdien&#x017F;te, die &#x017F;ie um mich haben, herunter zu<lb/>
&#x017F;etzen. Allein vergo&#x0364;nnen &#x017F;ie mir zu &#x017F;agen, daß<lb/>
man mich weder einge&#x017F;perret noch &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o hart<lb/>
gehalten haben wu&#x0364;rde, wann nicht der verbotene<lb/>
Briefwech&#x017F;el Anlaß dazu gegeben ha&#x0364;tte, zu dem &#x017F;ie<lb/>
mich gezwungen haben, und den ich gewiß nicht<lb/>
wu&#x0364;rde fortge&#x017F;etzt haben, (wie denn fa&#x017F;t jeder Brief<lb/>
der letzte &#x017F;eyn &#x017F;ollte) wenn ich nicht geglaubt ha&#x0364;tte<lb/>
daß ihnen von den Meinigen zu viel ge&#x017F;chehen &#x017F;ey.<lb/>
Meines Bruders niedertra&#x0364;chtiger Bosheit wu&#x0364;rde<lb/>
es an einen Vorwand gefehlt haben, wenn die&#x017F;er<lb/>
Briefwech&#x017F;el nicht gewe&#x017F;en wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0078] voͤllig freye Perſon, die ihr Hertz verſchencken kann. Jch thuhe dieſe Bitte blos unter den Be- dingungen, die ich ſchon eingegangen habe. Eben- falls bitte ich auch demuͤthig (hiebey fiel der hoch- muͤthige Menſch auf die Kniee) um Vergebung daß ich ihnen ſo lange mit meinen Reden beſchwer- lich gefallen bin, und daß ich ihnen manches ſo deutlich geſagt habe, als es mein allzu aufrichti- ges Hertz heraus ſagen mußte. O Herr Lovelace, ich bitte ſie, ſtehen ſie auf. Erlauben ſie der Perſon zu knieen, der die Wohl- that widerfahren iſt. Allein fahren ſie nicht fort, in eben dem Ton zu reden; darum will ich gebe- ten haben. Sie haben meinetwegen ſehr viel Muͤ- he gehabt: allein ich wollte ſie eines großen Theils dieſer Muͤhe uͤberhoben haben, wenn ſie mir vor- her geſagt haͤtten, daß ſie eine Belohnung ihrer Muͤhe als eine Schuldigkeit erwarteten. Es ſey weit von mir entfernet, ſo außerordentlich große Verdienſte, die ſie um mich haben, herunter zu ſetzen. Allein vergoͤnnen ſie mir zu ſagen, daß man mich weder eingeſperret noch ſonſt ſo hart gehalten haben wuͤrde, wann nicht der verbotene Briefwechſel Anlaß dazu gegeben haͤtte, zu dem ſie mich gezwungen haben, und den ich gewiß nicht wuͤrde fortgeſetzt haben, (wie denn faſt jeder Brief der letzte ſeyn ſollte) wenn ich nicht geglaubt haͤtte daß ihnen von den Meinigen zu viel geſchehen ſey. Meines Bruders niedertraͤchtiger Bosheit wuͤrde es an einen Vorwand gefehlt haben, wenn dieſer Briefwechſel nicht geweſen waͤre. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/78
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/78>, abgerufen am 01.05.2024.