Gründe an, und sein Wunsch schien zu seyn, daß diese Gründe etwas bey Jhnen gelten möchten. Wie selten thun das die Leute von seiner Art, von denen es heißt:
Ein jeder liebet sich in seinem lieben Kinde, So wie das liebe Kind sich in dem Spie- gel liebt.
Sie pflegen gemeiniglich keinen andern Grund an- zuführen, warum wir sie lieben sollen, als, weil sie die Gnade haben uns zu lieben.
Wenn ich an Jhrer Stelle und eben so von den Kleinigkeiten des Wohlstandes eingenommen wäre; so möchte ich mich vielleicht eben so ver- halten, als Sie. Jch würde erwarten, daß die Manns-Person mit höflichen aber ernstlichen Bit- ten in mich drünge, daß sie hiemit fortführe, und daß alle ihre Worte und Handlungen auf diesen eintzigen Zweck gerichtet wären. Wenn ich aber bemerckte, daß mein Liebhaber an meiner Liebe zwei- felte und dieser Zweifel die Ursache seiner Künste und des Aufschubes wäre: so wollte ich ihm entwe- der die Zweifel benehmen, oder ihm auf ewig gute Nacht sagen.
Wenn Sie dieses letzte erwähleten, so wollte ich in der That zeigen, daß ich Jhre Anna Howe bin; ich wollte entweder suchen, Jhnen eine gehei- me Zuflucht zu verschaffen, oder ich wollte Glück und Unglück mit Jhnen theilen.
Jch ärgere mich über den Menschen, daß er den Aufschub seiner Bitte bis auf die Ankunft des Obri- sten Morden so leicht Platz finden ließ. Jch fürchte
aber
A a 2
Gruͤnde an, und ſein Wunſch ſchien zu ſeyn, daß dieſe Gruͤnde etwas bey Jhnen gelten moͤchten. Wie ſelten thun das die Leute von ſeiner Art, von denen es heißt:
Ein jeder liebet ſich in ſeinem lieben Kinde, So wie das liebe Kind ſich in dem Spie- gel liebt.
Sie pflegen gemeiniglich keinen andern Grund an- zufuͤhren, warum wir ſie lieben ſollen, als, weil ſie die Gnade haben uns zu lieben.
Wenn ich an Jhrer Stelle und eben ſo von den Kleinigkeiten des Wohlſtandes eingenommen waͤre; ſo moͤchte ich mich vielleicht eben ſo ver- halten, als Sie. Jch wuͤrde erwarten, daß die Manns-Perſon mit hoͤflichen aber ernſtlichen Bit- ten in mich druͤnge, daß ſie hiemit fortfuͤhre, und daß alle ihre Worte und Handlungen auf dieſen eintzigen Zweck gerichtet waͤren. Wenn ich aber bemerckte, daß mein Liebhaber an meiner Liebe zwei- felte und dieſer Zweifel die Urſache ſeiner Kuͤnſte und des Aufſchubes waͤre: ſo wollte ich ihm entwe- der die Zweifel benehmen, oder ihm auf ewig gute Nacht ſagen.
Wenn Sie dieſes letzte erwaͤhleten, ſo wollte ich in der That zeigen, daß ich Jhre Anna Howe bin; ich wollte entweder ſuchen, Jhnen eine gehei- me Zuflucht zu verſchaffen, oder ich wollte Gluͤck und Ungluͤck mit Jhnen theilen.
Jch aͤrgere mich uͤber den Menſchen, daß er den Aufſchub ſeiner Bitte bis auf die Ankunft des Obri- ſten Morden ſo leicht Platz finden ließ. Jch fuͤrchte
aber
A a 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0385"n="371"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Gruͤnde an, und ſein Wunſch ſchien zu ſeyn, daß<lb/>
dieſe Gruͤnde etwas bey Jhnen gelten moͤchten.<lb/>
Wie ſelten thun das die Leute von ſeiner Art, von<lb/>
denen es heißt:</p><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#fr">Ein jeder liebet ſich in ſeinem lieben Kinde,</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">So wie das liebe Kind ſich in dem Spie-</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr"><hirendition="#et">gel liebt.</hi></hi></l></lg><lb/><p>Sie pflegen gemeiniglich keinen andern Grund an-<lb/>
zufuͤhren, warum wir ſie lieben ſollen, als, weil<lb/>ſie die Gnade haben uns zu lieben.</p><lb/><p>Wenn ich an Jhrer Stelle und eben ſo von<lb/>
den Kleinigkeiten des Wohlſtandes eingenommen<lb/>
waͤre; ſo moͤchte ich mich vielleicht eben ſo ver-<lb/>
halten, als Sie. Jch wuͤrde erwarten, daß die<lb/>
Manns-Perſon mit hoͤflichen aber ernſtlichen Bit-<lb/>
ten in mich druͤnge, daß ſie hiemit fortfuͤhre, und<lb/>
daß alle ihre Worte und Handlungen auf dieſen<lb/>
eintzigen Zweck gerichtet waͤren. Wenn ich aber<lb/>
bemerckte, daß mein Liebhaber an meiner Liebe zwei-<lb/>
felte und dieſer Zweifel die Urſache ſeiner Kuͤnſte<lb/>
und des Aufſchubes waͤre: ſo wollte ich ihm entwe-<lb/>
der die Zweifel benehmen, oder ihm auf ewig gute<lb/>
Nacht ſagen.</p><lb/><p>Wenn Sie dieſes letzte erwaͤhleten, ſo wollte ich<lb/>
in der That zeigen, daß ich Jhre <hirendition="#fr">Anna Howe</hi><lb/>
bin; ich wollte entweder ſuchen, Jhnen eine gehei-<lb/>
me Zuflucht zu verſchaffen, oder ich wollte Gluͤck<lb/>
und Ungluͤck mit Jhnen theilen.</p><lb/><p>Jch aͤrgere mich uͤber den Menſchen, daß er den<lb/>
Aufſchub ſeiner Bitte bis auf die Ankunft des Obri-<lb/>ſten <hirendition="#fr">Morden</hi>ſo leicht Platz finden ließ. Jch fuͤrchte<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A a 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">aber</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[371/0385]
Gruͤnde an, und ſein Wunſch ſchien zu ſeyn, daß
dieſe Gruͤnde etwas bey Jhnen gelten moͤchten.
Wie ſelten thun das die Leute von ſeiner Art, von
denen es heißt:
Ein jeder liebet ſich in ſeinem lieben Kinde,
So wie das liebe Kind ſich in dem Spie-
gel liebt.
Sie pflegen gemeiniglich keinen andern Grund an-
zufuͤhren, warum wir ſie lieben ſollen, als, weil
ſie die Gnade haben uns zu lieben.
Wenn ich an Jhrer Stelle und eben ſo von
den Kleinigkeiten des Wohlſtandes eingenommen
waͤre; ſo moͤchte ich mich vielleicht eben ſo ver-
halten, als Sie. Jch wuͤrde erwarten, daß die
Manns-Perſon mit hoͤflichen aber ernſtlichen Bit-
ten in mich druͤnge, daß ſie hiemit fortfuͤhre, und
daß alle ihre Worte und Handlungen auf dieſen
eintzigen Zweck gerichtet waͤren. Wenn ich aber
bemerckte, daß mein Liebhaber an meiner Liebe zwei-
felte und dieſer Zweifel die Urſache ſeiner Kuͤnſte
und des Aufſchubes waͤre: ſo wollte ich ihm entwe-
der die Zweifel benehmen, oder ihm auf ewig gute
Nacht ſagen.
Wenn Sie dieſes letzte erwaͤhleten, ſo wollte ich
in der That zeigen, daß ich Jhre Anna Howe
bin; ich wollte entweder ſuchen, Jhnen eine gehei-
me Zuflucht zu verſchaffen, oder ich wollte Gluͤck
und Ungluͤck mit Jhnen theilen.
Jch aͤrgere mich uͤber den Menſchen, daß er den
Aufſchub ſeiner Bitte bis auf die Ankunft des Obri-
ſten Morden ſo leicht Platz finden ließ. Jch fuͤrchte
aber
A a 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/385>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.