Allein was ist bey den Umständen zu thun? Sie müssen ihn verachten. Sie müssen ihn hassen, (wenn Sie können) Sie müssen von ihm lauffen. Aber wohin? Sonderlich nachdem Jhr Bruder durch alle seine einfältige List Sie in noch schlimmere Umstände setzet?
Wenn es Jhnen aber ohnmöglich ist, ihn zu ver- achten und zu hassen, wenn Sie nicht mit ihm bre- chen wollen: so müssen Sie weniger auf einige Klei- nigkeiten des willkührlichen Wohlstandes sehen. Bringet aber auch diese Uebersehung den bevorste- henden Tag nicht näher, so müssen Sie sich in den Schutz seiner Verwantinnen begeben. Diese schä- tzen Sie so hoch, daß sie nicht zulassen werden, daß er Sie betriege, wenn er auch Lust dazu hätte. Sie sollten ihn zum wenigsten an seinem Versprechen erinnern, daß die eine Fräulein Montague Sie zu London besuchen, und Jhnen Gesellschaft lei- sten werde, bis alles zu einem glücklichen Ende ge- kommen sey.
Sie werden sagen: dieses sey eben so viel, als ein deutliches Ja-Wort. Wohlan! es sey also! Sie können doch sich keinen andern Endzweck vor- setzen, als die Seinige zu werden. Ueberzeuget Sie nicht das Vorhaben Jhres Bruders hiervon? Lassen Sie alle die unwahrscheinlichen Gedancken von einer Aussöhnung fahren, die sie bisher unent- schlossen gemacht haben. Sie gestehen mir, daß er sich deutlich gegen Sie herausgelassen habe; ob Sie mir gleich die Worte selbst nicht gemeldet haben, deren er sich bedienete. Er führete Jhnen auch
Gründe
Allein was iſt bey den Umſtaͤnden zu thun? Sie muͤſſen ihn verachten. Sie muͤſſen ihn haſſen, (wenn Sie koͤnnen) Sie muͤſſen von ihm lauffen. Aber wohin? Sonderlich nachdem Jhr Bruder durch alle ſeine einfaͤltige Liſt Sie in noch ſchlimmere Umſtaͤnde ſetzet?
Wenn es Jhnen aber ohnmoͤglich iſt, ihn zu ver- achten und zu haſſen, wenn Sie nicht mit ihm bre- chen wollen: ſo muͤſſen Sie weniger auf einige Klei- nigkeiten des willkuͤhrlichen Wohlſtandes ſehen. Bringet aber auch dieſe Ueberſehung den bevorſte- henden Tag nicht naͤher, ſo muͤſſen Sie ſich in den Schutz ſeiner Verwantinnen begeben. Dieſe ſchaͤ- tzen Sie ſo hoch, daß ſie nicht zulaſſen werden, daß er Sie betriege, wenn er auch Luſt dazu haͤtte. Sie ſollten ihn zum wenigſten an ſeinem Verſprechen erinnern, daß die eine Fraͤulein Montague Sie zu London beſuchen, und Jhnen Geſellſchaft lei- ſten werde, bis alles zu einem gluͤcklichen Ende ge- kommen ſey.
Sie werden ſagen: dieſes ſey eben ſo viel, als ein deutliches Ja-Wort. Wohlan! es ſey alſo! Sie koͤnnen doch ſich keinen andern Endzweck vor- ſetzen, als die Seinige zu werden. Ueberzeuget Sie nicht das Vorhaben Jhres Bruders hiervon? Laſſen Sie alle die unwahrſcheinlichen Gedancken von einer Ausſoͤhnung fahren, die ſie bisher unent- ſchloſſen gemacht haben. Sie geſtehen mir, daß er ſich deutlich gegen Sie herausgelaſſen habe; ob Sie mir gleich die Worte ſelbſt nicht gemeldet haben, deren er ſich bedienete. Er fuͤhrete Jhnen auch
Gruͤnde
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Allein was iſt bey den Umſtaͤnden zu thun? Sie
muͤſſen ihn verachten. Sie muͤſſen ihn haſſen,
(wenn Sie koͤnnen) Sie muͤſſen von ihm lauffen.
Aber wohin? Sonderlich nachdem Jhr Bruder
durch alle ſeine einfaͤltige Liſt Sie in noch ſchlimmere
Umſtaͤnde ſetzet?
Wenn es Jhnen aber ohnmoͤglich iſt, ihn zu ver-
achten und zu haſſen, wenn Sie nicht mit ihm bre-
chen wollen: ſo muͤſſen Sie weniger auf einige Klei-
nigkeiten des willkuͤhrlichen Wohlſtandes ſehen.
Bringet aber auch dieſe Ueberſehung den bevorſte-
henden Tag nicht naͤher, ſo muͤſſen Sie ſich in den
Schutz ſeiner Verwantinnen begeben. Dieſe ſchaͤ-
tzen Sie ſo hoch, daß ſie nicht zulaſſen werden, daß
er Sie betriege, wenn er auch Luſt dazu haͤtte. Sie
ſollten ihn zum wenigſten an ſeinem Verſprechen
erinnern, daß die eine Fraͤulein Montague Sie
zu London beſuchen, und Jhnen Geſellſchaft lei-
ſten werde, bis alles zu einem gluͤcklichen Ende ge-
kommen ſey.
Sie werden ſagen: dieſes ſey eben ſo viel, als
ein deutliches Ja-Wort. Wohlan! es ſey alſo!
Sie koͤnnen doch ſich keinen andern Endzweck vor-
ſetzen, als die Seinige zu werden. Ueberzeuget
Sie nicht das Vorhaben Jhres Bruders hiervon?
Laſſen Sie alle die unwahrſcheinlichen Gedancken
von einer Ausſoͤhnung fahren, die ſie bisher unent-
ſchloſſen gemacht haben. Sie geſtehen mir, daß er
ſich deutlich gegen Sie herausgelaſſen habe; ob Sie
mir gleich die Worte ſelbſt nicht gemeldet haben,
deren er ſich bedienete. Er fuͤhrete Jhnen auch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/384>, abgerufen am 23.12.2024.
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