Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Allein was ist bey den Umständen zu thun? Sie
müssen ihn verachten. Sie müssen ihn hassen,
(wenn Sie können) Sie müssen von ihm lauffen.
Aber wohin? Sonderlich nachdem Jhr Bruder
durch alle seine einfältige List Sie in noch schlimmere
Umstände setzet?

Wenn es Jhnen aber ohnmöglich ist, ihn zu ver-
achten und zu hassen, wenn Sie nicht mit ihm bre-
chen wollen: so müssen Sie weniger auf einige Klei-
nigkeiten des willkührlichen Wohlstandes sehen.
Bringet aber auch diese Uebersehung den bevorste-
henden Tag nicht näher, so müssen Sie sich in den
Schutz seiner Verwantinnen begeben. Diese schä-
tzen Sie so hoch, daß sie nicht zulassen werden, daß
er Sie betriege, wenn er auch Lust dazu hätte. Sie
sollten ihn zum wenigsten an seinem Versprechen
erinnern, daß die eine Fräulein Montague Sie
zu London besuchen, und Jhnen Gesellschaft lei-
sten werde, bis alles zu einem glücklichen Ende ge-
kommen sey.

Sie werden sagen: dieses sey eben so viel, als
ein deutliches Ja-Wort. Wohlan! es sey also!
Sie können doch sich keinen andern Endzweck vor-
setzen, als die Seinige zu werden. Ueberzeuget
Sie nicht das Vorhaben Jhres Bruders hiervon?
Lassen Sie alle die unwahrscheinlichen Gedancken
von einer Aussöhnung fahren, die sie bisher unent-
schlossen gemacht haben. Sie gestehen mir, daß er
sich deutlich gegen Sie herausgelassen habe; ob Sie
mir gleich die Worte selbst nicht gemeldet haben,
deren er sich bedienete. Er führete Jhnen auch

Gründe


Allein was iſt bey den Umſtaͤnden zu thun? Sie
muͤſſen ihn verachten. Sie muͤſſen ihn haſſen,
(wenn Sie koͤnnen) Sie muͤſſen von ihm lauffen.
Aber wohin? Sonderlich nachdem Jhr Bruder
durch alle ſeine einfaͤltige Liſt Sie in noch ſchlimmere
Umſtaͤnde ſetzet?

Wenn es Jhnen aber ohnmoͤglich iſt, ihn zu ver-
achten und zu haſſen, wenn Sie nicht mit ihm bre-
chen wollen: ſo muͤſſen Sie weniger auf einige Klei-
nigkeiten des willkuͤhrlichen Wohlſtandes ſehen.
Bringet aber auch dieſe Ueberſehung den bevorſte-
henden Tag nicht naͤher, ſo muͤſſen Sie ſich in den
Schutz ſeiner Verwantinnen begeben. Dieſe ſchaͤ-
tzen Sie ſo hoch, daß ſie nicht zulaſſen werden, daß
er Sie betriege, wenn er auch Luſt dazu haͤtte. Sie
ſollten ihn zum wenigſten an ſeinem Verſprechen
erinnern, daß die eine Fraͤulein Montague Sie
zu London beſuchen, und Jhnen Geſellſchaft lei-
ſten werde, bis alles zu einem gluͤcklichen Ende ge-
kommen ſey.

Sie werden ſagen: dieſes ſey eben ſo viel, als
ein deutliches Ja-Wort. Wohlan! es ſey alſo!
Sie koͤnnen doch ſich keinen andern Endzweck vor-
ſetzen, als die Seinige zu werden. Ueberzeuget
Sie nicht das Vorhaben Jhres Bruders hiervon?
Laſſen Sie alle die unwahrſcheinlichen Gedancken
von einer Ausſoͤhnung fahren, die ſie bisher unent-
ſchloſſen gemacht haben. Sie geſtehen mir, daß er
ſich deutlich gegen Sie herausgelaſſen habe; ob Sie
mir gleich die Worte ſelbſt nicht gemeldet haben,
deren er ſich bedienete. Er fuͤhrete Jhnen auch

Gruͤnde
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0384" n="370"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Allein was i&#x017F;t bey den Um&#x017F;ta&#x0364;nden zu thun? Sie<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ihn verachten. Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ihn ha&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
(wenn Sie ko&#x0364;nnen) Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en von ihm lauffen.<lb/>
Aber wohin? Sonderlich nachdem Jhr Bruder<lb/>
durch alle &#x017F;eine einfa&#x0364;ltige Li&#x017F;t Sie in noch &#x017F;chlimmere<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;etzet?</p><lb/>
          <p>Wenn es Jhnen aber ohnmo&#x0364;glich i&#x017F;t, ihn zu ver-<lb/>
achten und zu ha&#x017F;&#x017F;en, wenn Sie nicht mit ihm bre-<lb/>
chen wollen: &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Sie weniger auf einige Klei-<lb/>
nigkeiten des willku&#x0364;hrlichen Wohl&#x017F;tandes &#x017F;ehen.<lb/>
Bringet aber auch die&#x017F;e Ueber&#x017F;ehung den bevor&#x017F;te-<lb/>
henden Tag nicht na&#x0364;her, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;ich in den<lb/>
Schutz &#x017F;einer Verwantinnen begeben. Die&#x017F;e &#x017F;cha&#x0364;-<lb/>
tzen Sie &#x017F;o hoch, daß &#x017F;ie nicht zula&#x017F;&#x017F;en werden, daß<lb/>
er Sie betriege, wenn er auch Lu&#x017F;t dazu ha&#x0364;tte. Sie<lb/>
&#x017F;ollten ihn zum wenig&#x017F;ten an &#x017F;einem Ver&#x017F;prechen<lb/>
erinnern, daß die eine Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Montague</hi> Sie<lb/>
zu <hi rendition="#fr">London</hi> be&#x017F;uchen, und Jhnen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft lei-<lb/>
&#x017F;ten werde, bis alles zu einem glu&#x0364;cklichen Ende ge-<lb/>
kommen &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>Sie werden &#x017F;agen: die&#x017F;es &#x017F;ey eben &#x017F;o viel, als<lb/>
ein deutliches Ja-Wort. Wohlan! es &#x017F;ey al&#x017F;o!<lb/>
Sie ko&#x0364;nnen doch &#x017F;ich keinen andern Endzweck vor-<lb/>
&#x017F;etzen, als die Seinige zu werden. Ueberzeuget<lb/>
Sie nicht das Vorhaben Jhres Bruders hiervon?<lb/>
La&#x017F;&#x017F;en Sie alle die unwahr&#x017F;cheinlichen Gedancken<lb/>
von einer Aus&#x017F;o&#x0364;hnung fahren, die &#x017F;ie bisher unent-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en gemacht haben. Sie ge&#x017F;tehen mir, daß er<lb/>
&#x017F;ich deutlich gegen Sie herausgela&#x017F;&#x017F;en habe; ob Sie<lb/>
mir gleich die Worte &#x017F;elb&#x017F;t nicht gemeldet haben,<lb/>
deren er &#x017F;ich bedienete. Er fu&#x0364;hrete Jhnen auch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Gru&#x0364;nde</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[370/0384] Allein was iſt bey den Umſtaͤnden zu thun? Sie muͤſſen ihn verachten. Sie muͤſſen ihn haſſen, (wenn Sie koͤnnen) Sie muͤſſen von ihm lauffen. Aber wohin? Sonderlich nachdem Jhr Bruder durch alle ſeine einfaͤltige Liſt Sie in noch ſchlimmere Umſtaͤnde ſetzet? Wenn es Jhnen aber ohnmoͤglich iſt, ihn zu ver- achten und zu haſſen, wenn Sie nicht mit ihm bre- chen wollen: ſo muͤſſen Sie weniger auf einige Klei- nigkeiten des willkuͤhrlichen Wohlſtandes ſehen. Bringet aber auch dieſe Ueberſehung den bevorſte- henden Tag nicht naͤher, ſo muͤſſen Sie ſich in den Schutz ſeiner Verwantinnen begeben. Dieſe ſchaͤ- tzen Sie ſo hoch, daß ſie nicht zulaſſen werden, daß er Sie betriege, wenn er auch Luſt dazu haͤtte. Sie ſollten ihn zum wenigſten an ſeinem Verſprechen erinnern, daß die eine Fraͤulein Montague Sie zu London beſuchen, und Jhnen Geſellſchaft lei- ſten werde, bis alles zu einem gluͤcklichen Ende ge- kommen ſey. Sie werden ſagen: dieſes ſey eben ſo viel, als ein deutliches Ja-Wort. Wohlan! es ſey alſo! Sie koͤnnen doch ſich keinen andern Endzweck vor- ſetzen, als die Seinige zu werden. Ueberzeuget Sie nicht das Vorhaben Jhres Bruders hiervon? Laſſen Sie alle die unwahrſcheinlichen Gedancken von einer Ausſoͤhnung fahren, die ſie bisher unent- ſchloſſen gemacht haben. Sie geſtehen mir, daß er ſich deutlich gegen Sie herausgelaſſen habe; ob Sie mir gleich die Worte ſelbſt nicht gemeldet haben, deren er ſich bedienete. Er fuͤhrete Jhnen auch Gruͤnde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/384
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/384>, abgerufen am 23.12.2024.