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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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aber auch, daß Sie allzu viel Bedencklichkeit ge-
macht haben. Ward er nicht über diesen Aufschub
empfindlich?

Jch wünschte mir eine Nachricht von Jhrer Un-
terredung, die er selbst aufgesetzt hätte; ich glaube,
es würden Anklagen wider Jhre übertriebenen Be-
dencklichkeiten darin enthalten seyn. Wenn Sie
ihn bey seinen Worten, die Jhrem eigenen Geständ-
niß nach deutlich waren, gehalten hätten: so würde
er eben so sehr in Jhrer Gewalt seyn: als Sie sich
jetzt in seiner Gewalt befinden. Jch brauche Jh-
nen nicht erst zu melden, daß eine Person in Jhren
Umständen, und die so hintergangen ist, sich man-
ches unangenehme muß gefallen lassen.

Wenn er mit mir, mit einem muthigen Mäd-
chen, zu thun hätte, so wollte ich in einer Viertheil-
Stunde, (denn die sollte mir zu Cerimonien und
Complimenten genug seyn) wissen, was sein End-
zweck sey? ob er gutes oder böses im Sinne habe?
Wenn seine Absichten böse sind, so sollte es mir am
liebsten seyn, bald Nachricht davon zu haben. Hat
er aber ehrliche Absichten, so würde ich dencken, daß
er von niemand anders als von seiner eigenen künfti-
gen Frau ein unanständiges Bekenntniß der Liebe
erpressen wollte.

Sie sollten meiner Meinung nach alle empfind-
lichen Ausdrücke und Anklagen gegen ihn und gegen
seine Aufführung vermeiden, die zu nichts nützen,
als ihn empfindlich zu machen. Sie haben doppel-
te Ursache hiezu, weil er sich niemahls gegen Sie
unanständig aufgeführet hat.

Jch



aber auch, daß Sie allzu viel Bedencklichkeit ge-
macht haben. Ward er nicht uͤber dieſen Aufſchub
empfindlich?

Jch wuͤnſchte mir eine Nachricht von Jhrer Un-
terredung, die er ſelbſt aufgeſetzt haͤtte; ich glaube,
es wuͤrden Anklagen wider Jhre uͤbertriebenen Be-
dencklichkeiten darin enthalten ſeyn. Wenn Sie
ihn bey ſeinen Worten, die Jhrem eigenen Geſtaͤnd-
niß nach deutlich waren, gehalten haͤtten: ſo wuͤrde
er eben ſo ſehr in Jhrer Gewalt ſeyn: als Sie ſich
jetzt in ſeiner Gewalt befinden. Jch brauche Jh-
nen nicht erſt zu melden, daß eine Perſon in Jhren
Umſtaͤnden, und die ſo hintergangen iſt, ſich man-
ches unangenehme muß gefallen laſſen.

Wenn er mit mir, mit einem muthigen Maͤd-
chen, zu thun haͤtte, ſo wollte ich in einer Viertheil-
Stunde, (denn die ſollte mir zu Cerimonien und
Complimenten genug ſeyn) wiſſen, was ſein End-
zweck ſey? ob er gutes oder boͤſes im Sinne habe?
Wenn ſeine Abſichten boͤſe ſind, ſo ſollte es mir am
liebſten ſeyn, bald Nachricht davon zu haben. Hat
er aber ehrliche Abſichten, ſo wuͤrde ich dencken, daß
er von niemand anders als von ſeiner eigenen kuͤnfti-
gen Frau ein unanſtaͤndiges Bekenntniß der Liebe
erpreſſen wollte.

Sie ſollten meiner Meinung nach alle empfind-
lichen Ausdruͤcke und Anklagen gegen ihn und gegen
ſeine Auffuͤhrung vermeiden, die zu nichts nuͤtzen,
als ihn empfindlich zu machen. Sie haben doppel-
te Urſache hiezu, weil er ſich niemahls gegen Sie
unanſtaͤndig aufgefuͤhret hat.

Jch
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[372/0386] aber auch, daß Sie allzu viel Bedencklichkeit ge- macht haben. Ward er nicht uͤber dieſen Aufſchub empfindlich? Jch wuͤnſchte mir eine Nachricht von Jhrer Un- terredung, die er ſelbſt aufgeſetzt haͤtte; ich glaube, es wuͤrden Anklagen wider Jhre uͤbertriebenen Be- dencklichkeiten darin enthalten ſeyn. Wenn Sie ihn bey ſeinen Worten, die Jhrem eigenen Geſtaͤnd- niß nach deutlich waren, gehalten haͤtten: ſo wuͤrde er eben ſo ſehr in Jhrer Gewalt ſeyn: als Sie ſich jetzt in ſeiner Gewalt befinden. Jch brauche Jh- nen nicht erſt zu melden, daß eine Perſon in Jhren Umſtaͤnden, und die ſo hintergangen iſt, ſich man- ches unangenehme muß gefallen laſſen. Wenn er mit mir, mit einem muthigen Maͤd- chen, zu thun haͤtte, ſo wollte ich in einer Viertheil- Stunde, (denn die ſollte mir zu Cerimonien und Complimenten genug ſeyn) wiſſen, was ſein End- zweck ſey? ob er gutes oder boͤſes im Sinne habe? Wenn ſeine Abſichten boͤſe ſind, ſo ſollte es mir am liebſten ſeyn, bald Nachricht davon zu haben. Hat er aber ehrliche Abſichten, ſo wuͤrde ich dencken, daß er von niemand anders als von ſeiner eigenen kuͤnfti- gen Frau ein unanſtaͤndiges Bekenntniß der Liebe erpreſſen wollte. Sie ſollten meiner Meinung nach alle empfind- lichen Ausdruͤcke und Anklagen gegen ihn und gegen ſeine Auffuͤhrung vermeiden, die zu nichts nuͤtzen, als ihn empfindlich zu machen. Sie haben doppel- te Urſache hiezu, weil er ſich niemahls gegen Sie unanſtaͤndig aufgefuͤhret hat. Jch

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/386>, abgerufen am 18.05.2024.