Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Er versprach mir: mein Wille sollte in allen
Stücken sein Gesetz seyn. Er fragte mich aufs neue,
ob ich ihm seine demütige Bitte vergeben könte?
Was konnte ich weiter thun, als daß ich meine
Verwirrung zu verbergen suchte?

Jch antwortete: mein Vetter, Morden, wür-
de nun bald ankommen. Jch hoffete, daß sich die-
ser Herr meiner desto eifriger annehmen würde,
wenn er sähe, daß ich mich Herrn Lovela-
ces
nur als eines Mittels bediente, dem eckelhaf-
ten Solmes zu entgehen. Jch wünschte also, daß
alles in den jetzigen Umständen bleiben möchte, bis
ich nähere Nachricht von meinem Vetter erhielte.

So sehr er mich geplaget und verdrießlich ge-
macht hatte, so war dieses dennoch keine abschlä-
gige Antwort. Allein an statt zu bitten, fing er
an, hitzig zu werden; welches kein anderer Freyer
in seinen Umständen sich erlauben würde: und hie-
durch zwang er mich, bey meinem halben Nein
zu beharren.

Es waren dieses Worte, welche er mit einer Hef-
tigkeit sagte, die ein jedes Frauenzimmer empfin-
lich und spröde machen musten, wenn es nicht nie-
derträchtig genung war, sich vor ihm zu fürchten:

Um Gottes willen, Fräulein, bleiben sie noch
bey ihrem Vorsatz? Soll ich durchaus sehen, daß
ich nicht die geringste Hoffnung habe, so lange sich
nur noch einige entfernte Hoffnung zur Aussöh-
nung mit ihren bittersten Feinden zeiget, wenn sie
mir absagen?

Jch


Er verſprach mir: mein Wille ſollte in allen
Stuͤcken ſein Geſetz ſeyn. Er fragte mich aufs neue,
ob ich ihm ſeine demuͤtige Bitte vergeben koͤnte?
Was konnte ich weiter thun, als daß ich meine
Verwirrung zu verbergen ſuchte?

Jch antwortete: mein Vetter, Morden, wuͤr-
de nun bald ankommen. Jch hoffete, daß ſich die-
ſer Herr meiner deſto eifriger annehmen wuͤrde,
wenn er ſaͤhe, daß ich mich Herrn Lovela-
ces
nur als eines Mittels bediente, dem eckelhaf-
ten Solmes zu entgehen. Jch wuͤnſchte alſo, daß
alles in den jetzigen Umſtaͤnden bleiben moͤchte, bis
ich naͤhere Nachricht von meinem Vetter erhielte.

So ſehr er mich geplaget und verdrießlich ge-
macht hatte, ſo war dieſes dennoch keine abſchlaͤ-
gige Antwort. Allein an ſtatt zu bitten, fing er
an, hitzig zu werden; welches kein anderer Freyer
in ſeinen Umſtaͤnden ſich erlauben wuͤrde: und hie-
durch zwang er mich, bey meinem halben Nein
zu beharren.

Es waren dieſes Worte, welche er mit einer Hef-
tigkeit ſagte, die ein jedes Frauenzimmer empfin-
lich und ſproͤde machen muſten, wenn es nicht nie-
dertraͤchtig genung war, ſich vor ihm zu fuͤrchten:

Um Gottes willen, Fraͤulein, bleiben ſie noch
bey ihrem Vorſatz? Soll ich durchaus ſehen, daß
ich nicht die geringſte Hoffnung habe, ſo lange ſich
nur noch einige entfernte Hoffnung zur Ausſoͤh-
nung mit ihren bitterſten Feinden zeiget, wenn ſie
mir abſagen?

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0360" n="346"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Er ver&#x017F;prach mir: mein Wille &#x017F;ollte in allen<lb/>
Stu&#x0364;cken &#x017F;ein Ge&#x017F;etz &#x017F;eyn. Er fragte mich aufs neue,<lb/>
ob ich ihm &#x017F;eine demu&#x0364;tige Bitte vergeben ko&#x0364;nte?<lb/>
Was konnte ich weiter thun, als daß ich meine<lb/>
Verwirrung zu verbergen &#x017F;uchte?</p><lb/>
          <p>Jch antwortete: mein Vetter, <hi rendition="#fr">Morden,</hi> wu&#x0364;r-<lb/>
de nun bald ankommen. Jch hoffete, daß &#x017F;ich die-<lb/>
&#x017F;er Herr meiner de&#x017F;to eifriger annehmen wu&#x0364;rde,<lb/>
wenn er &#x017F;a&#x0364;he, daß ich mich Herrn <hi rendition="#fr">Lovela-<lb/>
ces</hi> nur als eines Mittels bediente, dem eckelhaf-<lb/>
ten <hi rendition="#fr">Solmes</hi> zu entgehen. Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte al&#x017F;o, daß<lb/>
alles in den jetzigen Um&#x017F;ta&#x0364;nden bleiben mo&#x0364;chte, bis<lb/>
ich na&#x0364;here Nachricht von meinem Vetter erhielte.</p><lb/>
          <p>So &#x017F;ehr er mich geplaget und verdrießlich ge-<lb/>
macht hatte, &#x017F;o war die&#x017F;es dennoch keine ab&#x017F;chla&#x0364;-<lb/>
gige Antwort. Allein an &#x017F;tatt zu bitten, fing er<lb/>
an, hitzig zu werden; welches kein anderer Freyer<lb/>
in &#x017F;einen Um&#x017F;ta&#x0364;nden &#x017F;ich erlauben wu&#x0364;rde: und hie-<lb/>
durch zwang er mich, bey meinem halben <hi rendition="#fr">Nein</hi><lb/>
zu beharren.</p><lb/>
          <p>Es waren die&#x017F;es Worte, welche er mit einer Hef-<lb/>
tigkeit &#x017F;agte, die ein jedes Frauenzimmer empfin-<lb/>
lich und &#x017F;pro&#x0364;de machen mu&#x017F;ten, wenn es nicht nie-<lb/>
dertra&#x0364;chtig genung war, &#x017F;ich vor ihm zu fu&#x0364;rchten:</p><lb/>
          <p>Um Gottes willen, Fra&#x0364;ulein, bleiben &#x017F;ie noch<lb/>
bey ihrem Vor&#x017F;atz? Soll ich durchaus &#x017F;ehen, daß<lb/>
ich nicht die gering&#x017F;te Hoffnung habe, &#x017F;o lange &#x017F;ich<lb/>
nur noch einige entfernte Hoffnung zur Aus&#x017F;o&#x0364;h-<lb/>
nung mit ihren bitter&#x017F;ten Feinden zeiget, wenn &#x017F;ie<lb/>
mir ab&#x017F;agen?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[346/0360] Er verſprach mir: mein Wille ſollte in allen Stuͤcken ſein Geſetz ſeyn. Er fragte mich aufs neue, ob ich ihm ſeine demuͤtige Bitte vergeben koͤnte? Was konnte ich weiter thun, als daß ich meine Verwirrung zu verbergen ſuchte? Jch antwortete: mein Vetter, Morden, wuͤr- de nun bald ankommen. Jch hoffete, daß ſich die- ſer Herr meiner deſto eifriger annehmen wuͤrde, wenn er ſaͤhe, daß ich mich Herrn Lovela- ces nur als eines Mittels bediente, dem eckelhaf- ten Solmes zu entgehen. Jch wuͤnſchte alſo, daß alles in den jetzigen Umſtaͤnden bleiben moͤchte, bis ich naͤhere Nachricht von meinem Vetter erhielte. So ſehr er mich geplaget und verdrießlich ge- macht hatte, ſo war dieſes dennoch keine abſchlaͤ- gige Antwort. Allein an ſtatt zu bitten, fing er an, hitzig zu werden; welches kein anderer Freyer in ſeinen Umſtaͤnden ſich erlauben wuͤrde: und hie- durch zwang er mich, bey meinem halben Nein zu beharren. Es waren dieſes Worte, welche er mit einer Hef- tigkeit ſagte, die ein jedes Frauenzimmer empfin- lich und ſproͤde machen muſten, wenn es nicht nie- dertraͤchtig genung war, ſich vor ihm zu fuͤrchten: Um Gottes willen, Fraͤulein, bleiben ſie noch bey ihrem Vorſatz? Soll ich durchaus ſehen, daß ich nicht die geringſte Hoffnung habe, ſo lange ſich nur noch einige entfernte Hoffnung zur Ausſoͤh- nung mit ihren bitterſten Feinden zeiget, wenn ſie mir abſagen? Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/360
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/360>, abgerufen am 18.05.2024.