Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



gemacht zu seyn. Wie ungleich würde eine Ver-
bindung zwischen Leib und Geist seyn? Alles was
sinnlich ist macht, eben wie die Leute zu Harlowe-
Burg, eine Verschwörung wider den edlern Theil,
der dem übrigen zur Ehre gereichen und ihn beseelen
würde, wenn ihm seine rechtmäßigen Vorzüge nicht
streitig gemacht würden.

Erlauben Sie mir, daß ich Jhnen vor Jhrer
Abreise nach London 48. Guineas übersenden darf.
Jch habe diese Zahl aus Gefälligkeit gegen Sie ge-
wählet: ich rechne alsdenn die 2. Guineas für
Hannichen an, so sind Sie mir gerade funfzig schul-
dig. Jch hoffe, daß diese Bitte nicht fruchtlos
bey Jhnen seyn wird. Sie wissen, daß ich das
Geld nicht brauche: daß ich mehr als noch einmahl
so viel vorräthig habe, und also um die Hälfte mehr
als meine Mutter weiß. Was werden Sie mit
so wenigem Gelde in einer solchen Stadt als London
ist anfangen können? Sie bedencken nicht, daß
Sie geheime Boten und Nachrichten gebrauchen
können. Wenn Sie mir diese Gefälligkeit nicht
erzeigen, so glaube ich nicht, daß Sie so demüthig
geworden sind, als Sie sich in Jhrem Briefe be-
schreiben, und zum wenigsten in diesem Stücke seyn
sollten.

Was meine und meiner Mutter Umstände an-
langet, so wissen Sie schon, daß meine Mutter we-
der in ihrem Streit noch Freundschaft Maaße zu
halten weiß. Sie denckt nie daran, daß ich ihre
Tochter bin. Doch nein! Jch bin meines Vaters
Tochter.

Die



gemacht zu ſeyn. Wie ungleich wuͤrde eine Ver-
bindung zwiſchen Leib und Geiſt ſeyn? Alles was
ſinnlich iſt macht, eben wie die Leute zu Harlowe-
Burg, eine Verſchwoͤrung wider den edlern Theil,
der dem uͤbrigen zur Ehre gereichen und ihn beſeelen
wuͤrde, wenn ihm ſeine rechtmaͤßigen Vorzuͤge nicht
ſtreitig gemacht wuͤrden.

Erlauben Sie mir, daß ich Jhnen vor Jhrer
Abreiſe nach London 48. Guineas uͤberſenden darf.
Jch habe dieſe Zahl aus Gefaͤlligkeit gegen Sie ge-
waͤhlet: ich rechne alsdenn die 2. Guineas fuͤr
Hannichen an, ſo ſind Sie mir gerade funfzig ſchul-
dig. Jch hoffe, daß dieſe Bitte nicht fruchtlos
bey Jhnen ſeyn wird. Sie wiſſen, daß ich das
Geld nicht brauche: daß ich mehr als noch einmahl
ſo viel vorraͤthig habe, und alſo um die Haͤlfte mehr
als meine Mutter weiß. Was werden Sie mit
ſo wenigem Gelde in einer ſolchen Stadt als London
iſt anfangen koͤnnen? Sie bedencken nicht, daß
Sie geheime Boten und Nachrichten gebrauchen
koͤnnen. Wenn Sie mir dieſe Gefaͤlligkeit nicht
erzeigen, ſo glaube ich nicht, daß Sie ſo demuͤthig
geworden ſind, als Sie ſich in Jhrem Briefe be-
ſchreiben, und zum wenigſten in dieſem Stuͤcke ſeyn
ſollten.

Was meine und meiner Mutter Umſtaͤnde an-
langet, ſo wiſſen Sie ſchon, daß meine Mutter we-
der in ihrem Streit noch Freundſchaft Maaße zu
halten weiß. Sie denckt nie daran, daß ich ihre
Tochter bin. Doch nein! Jch bin meines Vaters
Tochter.

Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0318" n="304"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gemacht zu &#x017F;eyn. Wie ungleich wu&#x0364;rde eine Ver-<lb/>
bindung zwi&#x017F;chen Leib und Gei&#x017F;t &#x017F;eyn? Alles was<lb/>
&#x017F;innlich i&#x017F;t macht, eben wie die Leute zu Harlowe-<lb/>
Burg, eine Ver&#x017F;chwo&#x0364;rung wider den edlern Theil,<lb/>
der dem u&#x0364;brigen zur Ehre gereichen und ihn be&#x017F;eelen<lb/>
wu&#x0364;rde, wenn ihm &#x017F;eine rechtma&#x0364;ßigen Vorzu&#x0364;ge nicht<lb/>
&#x017F;treitig gemacht wu&#x0364;rden.</p><lb/>
          <p>Erlauben Sie mir, daß ich Jhnen vor Jhrer<lb/>
Abrei&#x017F;e nach London 48. <hi rendition="#fr">Guineas</hi> u&#x0364;ber&#x017F;enden darf.<lb/>
Jch habe die&#x017F;e Zahl aus Gefa&#x0364;lligkeit gegen Sie ge-<lb/>
wa&#x0364;hlet: ich rechne alsdenn die 2. <hi rendition="#fr">Guineas</hi> fu&#x0364;r<lb/>
Hannichen an, &#x017F;o &#x017F;ind Sie mir gerade funfzig &#x017F;chul-<lb/>
dig. Jch hoffe, daß die&#x017F;e Bitte nicht fruchtlos<lb/>
bey Jhnen &#x017F;eyn wird. Sie wi&#x017F;&#x017F;en, daß ich das<lb/>
Geld nicht brauche: daß ich mehr als noch einmahl<lb/>
&#x017F;o viel vorra&#x0364;thig habe, und al&#x017F;o um die Ha&#x0364;lfte mehr<lb/>
als meine Mutter weiß. Was werden Sie mit<lb/>
&#x017F;o wenigem Gelde in einer &#x017F;olchen Stadt als London<lb/>
i&#x017F;t anfangen ko&#x0364;nnen? Sie bedencken nicht, daß<lb/>
Sie geheime Boten und Nachrichten gebrauchen<lb/>
ko&#x0364;nnen. Wenn Sie mir die&#x017F;e Gefa&#x0364;lligkeit nicht<lb/>
erzeigen, &#x017F;o glaube ich nicht, daß Sie &#x017F;o demu&#x0364;thig<lb/>
geworden &#x017F;ind, als Sie &#x017F;ich in Jhrem Briefe be-<lb/>
&#x017F;chreiben, und zum wenig&#x017F;ten in die&#x017F;em Stu&#x0364;cke &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;ollten.</p><lb/>
          <p>Was meine und meiner Mutter Um&#x017F;ta&#x0364;nde an-<lb/>
langet, &#x017F;o wi&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;chon, daß meine Mutter we-<lb/>
der in ihrem Streit noch Freund&#x017F;chaft Maaße zu<lb/>
halten weiß. Sie denckt nie daran, daß ich ihre<lb/>
Tochter bin. Doch nein! Jch bin meines Vaters<lb/>
Tochter.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0318] gemacht zu ſeyn. Wie ungleich wuͤrde eine Ver- bindung zwiſchen Leib und Geiſt ſeyn? Alles was ſinnlich iſt macht, eben wie die Leute zu Harlowe- Burg, eine Verſchwoͤrung wider den edlern Theil, der dem uͤbrigen zur Ehre gereichen und ihn beſeelen wuͤrde, wenn ihm ſeine rechtmaͤßigen Vorzuͤge nicht ſtreitig gemacht wuͤrden. Erlauben Sie mir, daß ich Jhnen vor Jhrer Abreiſe nach London 48. Guineas uͤberſenden darf. Jch habe dieſe Zahl aus Gefaͤlligkeit gegen Sie ge- waͤhlet: ich rechne alsdenn die 2. Guineas fuͤr Hannichen an, ſo ſind Sie mir gerade funfzig ſchul- dig. Jch hoffe, daß dieſe Bitte nicht fruchtlos bey Jhnen ſeyn wird. Sie wiſſen, daß ich das Geld nicht brauche: daß ich mehr als noch einmahl ſo viel vorraͤthig habe, und alſo um die Haͤlfte mehr als meine Mutter weiß. Was werden Sie mit ſo wenigem Gelde in einer ſolchen Stadt als London iſt anfangen koͤnnen? Sie bedencken nicht, daß Sie geheime Boten und Nachrichten gebrauchen koͤnnen. Wenn Sie mir dieſe Gefaͤlligkeit nicht erzeigen, ſo glaube ich nicht, daß Sie ſo demuͤthig geworden ſind, als Sie ſich in Jhrem Briefe be- ſchreiben, und zum wenigſten in dieſem Stuͤcke ſeyn ſollten. Was meine und meiner Mutter Umſtaͤnde an- langet, ſo wiſſen Sie ſchon, daß meine Mutter we- der in ihrem Streit noch Freundſchaft Maaße zu halten weiß. Sie denckt nie daran, daß ich ihre Tochter bin. Doch nein! Jch bin meines Vaters Tochter. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/318
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/318>, abgerufen am 18.05.2024.